
Davies, Pavlovic, Kimmich - kein Neuzugang und doch alle neu erstarkt.
(Foto: IMAGO/Sven Simon)
Nur ein einziger Neuzugang steht im Bundesliga-Spitzenspiel gegen den amtierenden Deutschen Meister Bayer Leverkusen beim FC Bayern München auf dem Rasen. Und doch spielt die fast identische Mannschaft der vergangenen "Horror"-Spielzeit plötzlich groß auf. Was ist da bloß passiert?
Man hatte nicht den Eindruck, dass sich Michael Olise am Samstagabend auf dem Rasen der Münchener Arena im Dress des FC Bayern München fremd vorgekommen wäre. Verständlich wäre es aber schon gewesen. Denn der junge französische Nationalspieler war in der Startelf gegen Bayer Leverkusen der einzig neue Spieler gegenüber der letzten Saison beim Rekordmeister. Ansonsten stand da ein eingespielter und mittlerweile wieder verschworener Haufen im Trikot des FC Bayern auf dem Rasen - und lehrte, anders als so oft in der vergangenen, titellosen "Horror"-Spielzeit, die Gegner mittlerweile wieder reihenweise das Fürchten.
"Wir waren bereit zu leiden", hat Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso nach der Partie und dem 1:1-Unentschieden in München gesagt. "Disziplin und Leidenschaft" hatte er vorher von seiner Mannschaft gefordert. Und sein Team, das merkte man von Minute eins der Begegnung an, hatte gehörig Respekt vor dem neuen FC Bayern. "Das Ziel war es, kompakt zu stehen und wenig zuzulassen", hat Granit Xhaka hinterher noch gemeint. Für die ansonsten so spielstarken Leverkusener eine etwas ungewohnte taktische Ausrichtung - die aber zeigt, welchen Eindruck die letzten Ergebnisse des FC Bayern auch beim amtierenden Deutschen Meister hinterlassen haben.
Man darf sich tatsächlich die Augen reiben und fragen: Was ist nur mit dem FC Bayern passiert? Eine Mannschaft, die bis auf den bereits erwähnten Startelf-Spieler Olise und den am Samstag wieder einmal nicht eingesetzten João Palhinha, genau so schon in der letzten Saison dem ehemaligen Trainer Thomas Tuchel zur Verfügung stand, wirkt wie neu geboren - und wirft dabei viele Fragen auf. Denn wie kann es eigentlich sein, dass das fast komplett identische Team sich auf solch fundamental andere Art den eigenen Fans und Fußball-Deutschland präsentiert? Was muss da intern in der vergangenen Spielzeit alles schiefgelaufen sein, dass man die ohne Frage vorhandene, aber dennoch von außen so häufig infrage gestellte Qualität nicht auf den Platz hat bringen können?
Eberl hat etwas richtig gemacht
Das neue Kapitel des FC Bayern ist ein Lehrstück für alle Vereine, die kurz- wie langfristig Erfolge schreiben wollen. Denn in München hat man, teilweise wohl aus der Not heraus und unbewusst, teilweise intuitiv mit dem richtigen Gespür, die eigene Mannschaft in der Sommerpause gestärkt, in dem man auf die vorhandenen Kräfte setzte und dem Team so indirekt wie direkt das Vertrauen ausgesprochen hat. Denn dass der stete Wandel im Kader in den vergangenen Jahren, die ständigen Forderungen nach Neuzugängen und die ausufernden Diskussionen über die vermeintlich nicht vorhandene Qualität einzelner Akteure, das Selbstbewusstsein der vorhandenen Spieler nicht gestärkt haben, sollte eigentlich jedem klar sein, der nur rudimentäre Kenntnisse von Psychologie hat.
Und auch wenn es in den vergangenen Wochen und Monaten nicht immer so gewirkt hat und im Einzelfall (siehe die Transferwirren um Jonathan Tah) wohl auch nicht so war, hat ganz offensichtlich der neue Sportdirektor Max Eberl viele Dinge, wenigstens intern, richtig gemacht. Es herrscht wieder weitgehend Ruhe im und um den Verein herum. Selbst die Luxus-Themen um die häufigen Nichtberücksichtigungen von Leon Goretzka und des 50-Millionen-Mannes Palhinha werden entspannt wegmoderiert. Der FC Bayern München bietet aktuell so wenig Angriffsfläche für Gegner und Medien wie schon seit vielen Monaten, eigentlich sogar Jahren nicht mehr. Das Arbeiten beim Rekordmeister ist deshalb auch für den neuen Trainer Vincent Kompany äußerst entspannt.
Es braucht den passenden Trainer für die herausragende Mannschaft
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
Jüngst ist das Buch "Ein Tor würde dem Spiel guttun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten" frisch in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen!
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Und es ist sicherlich auch das Verdienst des Belgiers selbst, dass dies aktuell so ist. Doch schon in den 1970er Jahren hat der frühere Meistertrainer Max Merkel über die Verpflichtung des damals neuen Trainers Udo Lattek so schön gesagt: "Jetzt haben's beim FC Bayern, wo der Mozart und der Beethoven in einer Band stehen, endlich auch einen passenden Bediener, der nur die Noten umzublättern braucht." Denn es war beim FC Bayern schon immer so: Eine herausragende Mannschaft war stets vorhanden - es musste immer nur der passende Trainer gefunden werden, der die Truppe leiten konnte.
Mit Kompany haben die Bayern nach einer langen Such-Odyssee schlussendlich wohl genau den gefunden, der die berühmte und so häufig zitierte "Sprache der Spieler" spricht. Und man darf nicht vergessen: Für Kompany war das Team, das die Macher des Rekordmeisters dem Belgier zum Start in die Saison präsentierten, ohnehin komplett neu. Offensichtlich hat er die vorhandenen Spieler so angenommen, wie sie vor ihm standen, und ihnen sein Vertrauen geschenkt. Die Mannschaft dankt es ihrem Trainer aktuell mit Leistung. Und das ist wohl auch schon das ganze Geheimnis hinter der wundersamen Wiederauferstehung des FC Bayern in dieser Saison.
Quelle: ntv.de