Peter Neururer im Fragen-Hagel "... weil ich jeden Cent brauche"
11.04.2020, 07:55 Uhr
Peter Neururer hat ein Faible für Rituale - ob das Rauchen dazugehört?
Peter Neururer ist vieles - aber eins ganz bestimmt nicht: langweilig. Im Fragebogen "22 + 3 Antworten sollt ihr sein!" erzählt der 64-Jährige über sein Leben zwischen Mahatma Gandhi und Cristiano Ronaldo, den Tag, als er auf Schalke beinahe den Busfahrer rauswarf. Auch die Frage, welchen passenden Spitznamen er sich selbst geben würde, beantwortet der Ex-Bundesligatrainer gewohnt amüsant.
Welche Fußballmannschaft war die erste Liebe Ihres Lebens?
Hamborn 07. 1962, Oberliga West gegen den 1. FC Köln. Die größte Erinnerung darin ist, dass der 1. FC Köln in Weiß gespielt hat - und in Weiß hat damals nur Real Madrid und der FC Santos gespielt. Vor dem Spiel war ich Fan von Hamborn 07, nach dem Spiel war ich ab sofort Fan vom 1. FC Köln.
Von welchem Spiel schwärmen Sie noch heute?
Vom alles entscheidenden Spiel des FC Schalke 04 gegen Blau-Weiß Berlin vor 70.000 Zuschauern im Parkstadion. Das war das vorletzte Spiel der Saison. Mit dem 4:1-Sieg haben wir den Klassenerhalt geschafft. Vor der Partie sind wir mit dem Bus auf die Tartanbahn gefahren. Natürlich durfte der Busfahrer das nicht, aber ich habe gesagt: "Manni, ich schmeiß' dich raus, wenn du das nicht machst!" Da ist der dann durchgefahren, bis auf die Tartanbahn. Man muss dazu wissen: Ich habe damals eine Mark pro Zuschauer gekriegt. Da wollte ich mal gucken, wie viele schon vor Ort sind.
Welche Vorzüge hatte das Leben mit 20?
Dass man alles machen konnte, ohne erkannt zu werden. Und damals diese Freiheit wirklich noch genossen hat.
Welche Nachteile hatte das Leben mit 20?
Dass man das Geld nicht hatte, was man eigentlich benötigt hätte, um den Lebensstil zu halten. Das war bei mir damals so - bei vielen anderen war das anders. Andere hatten das Geld und das war dann mein Problem. Dadurch wurde das für mich immer wichtiger, weil ich mit den Leuten gleichziehen wollte. Ich habe ja trotzdem die Touren nach Ibiza mitgemacht, ohne einen Pfennig Kohle auf der Tasche ...
Wer ist Ihr Lieblingsspieler aller Zeiten?
Wolfgang Overath. Ich wollte auch so spielen wie Wolfgang Overath, war aber leider technisch nicht so beschlagen. Also habe ich dann gespielt wie Wolfgang Weber. Der war aber auch super!
Wer ist Ihr Lieblingstrainer aller Zeiten?

Mit Ernst Happel verbindet Peter Neururer die ein oder andere Gemeinsamkeit.
(Foto: imago sportfotodienst)
Ganz klar, Ernst Happel. Überragender Typ, authentisch wie kein Zweiter zur damaligen Zeit. Kein Schauspieler, sondern der war so. Und natürlich seine taktischen Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie er ein Spiel lesen konnte. Da war er einfach genial.
Was ist Ihr Lieblingsstadion aller Zeiten?
Kölner Radrennbahn. Weil es "mein Verein" war. Kleine Hütte, traumhafte Stimmung und traumhafte Ergebnisse. Die Kölner haben damals im Europapokal und in der Meisterschaft ein paar Wochen hintereinander immer fünf Tore gemacht in der Radrennbahn. Das war zu genialen Zeiten, als Toni Schumacher gerade groß geworden ist. Er kam aus Düren 99. Das Müngersdorfer Stadion wurde umgebaut. Und in der Radrennbahn war einfach die genialste Atmosphäre. Mit 25.000 Zuschauern war das Ding ausverkauft - einfach überragend.
Worin besteht der Sinn des Lebens?
Im Augenblick hinterfragt man den Sinn des Lebens. Im Augenblick fragt man nach dem Sinn des Überlebens. Der besteht darin, seinen Lebensinhalt so gestalten zu können, dass er mit Bequemlichkeiten, teilweise auch mit Luxus - und leider mit viel zu wenig Nächstenliebe versehen ist.
Was ist Ihr Lieblingswitz?
Laufen zwei Doofe durch die Wüste, sagt der eine zum anderen: 'Lass mich auch mal in die Mitte!'
Lieber ein Abendessen mit Cristiano Ronaldo oder Rihanna?
Ronaldo. Da kann man sich fachlich über das unterhalten, wovon von man glaubt, Ahnung zu haben. Mit Rihanna habe ich einfach keine Deckung. Erst einmal bin ich glücklich verheiratet, zweitens finde ich die Musik von ihr nicht so besonders prickelnd und drittens sagt die mir als Typ einfach nichts.
Schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, das entscheidende Tor in einem WM-Endspiel geschossen zu haben?
Nee, noch nie. Ich durfte ja nicht über die Mittellinie, die Chance hätte ich also sowieso nie gehabt. (lacht ausgiebig) Tor im WM-Endspiel? Was 'ne gute Frage! (lacht weiter)
Welcher Mensch außerhalb des Fußballs imponiert Ihnen?
Mahatma Gandhi. Weil er Pazifismus nicht nur gelebt und gepredigt hat, sondern ihn selbst dargestellt und mit etwas gefüllt hat.
Gibt es in Ihrem Leben "erfolgsorientierte Rituale", wie Peter Neururer sie nennen würde?
(lacht) Ja, klar. Mein ganzes Leben besteht aus diesen Ritualen. Sobald irgendwas gut gelaufen ist, versuche ich es, am nächsten Tag genauso noch einmal zu machen.
Welche Umarmung werden Sie nie vergessen?

Neururer trainierte beim 1. FC Saarbrücken in den 90ern den im Jahr 2015 an einem Hirntumor verstorbenen Stephan Beckenbauer.
(Foto: imago/Kicker/Eissner)
Das war 1996/97. Nachdem ich vorher nur telefonisch Kontakt mit ihm hatte und er mir die Ablösesumme für seinen Sohn bezahlt hat, habe ich ihn dann als vermeintlichen Trainerkollegen getroffen. Und da hat mich Franz Beckenbauer zur Begrüßung im Münchener Olympiastadion umarmt. Das war eine Art Ritterschlag für mich. Franz war damals interimsmäßig Trainer bei den Bayern und ich habe mit Köln da gespielt. Ich weiß noch, dass wir Probleme mit den Trikots hatten. Wir hatten auf der Brust in Blau eine Werbung von Ford und die Bayern hatten blau-rote, längsgestreifte Trikots an. Unsere waren rot-weiß. Der Schiri wollte so nicht anpfeifen. Da ist der Franz dann gekommen, hat mich umarmt und die Schiedsrichter kurz eingewiesen, dass da nix gewechselt wird bei den Trikots.
Würden Sie Werbung für Toilettenpapier machen?
Im Augenblick würde ich jede Werbung machen, die ethisch-moralisch vertretbar ist - weil ich jeden Cent brauche.
Würden Sie mit Helene Fischer ein Lied aufnehmen, wenn der Erlös für einen guten Zweck ist?
Ja, auf jeden Fall. Klar. Ich habe mal neben ihr bei einer José Carreras Gala am Telefon gesessen. Aber ehrlich: Was interessiert mich Helene Fischer? Damals nicht und heute auch nicht. Aber der Carreras ist ein sehr netter Mann - und singen kann der, meine Herren!
Tiger, Ente, Lutscher. Wenn Sie sich selbst einen Spitznamen geben sollten, wie würde er lauten?
Grätsche. Mehr konnte ich nicht. Nur rennen und grätschen.
Wann hat Sie Ihr Verein das letzte Mal zu Tränen gerührt?
VfL Bochum. 2005. Als wir abgestiegen sind und ich mich vorher dafür entschieden hatte, den Verein zu verlassen - trotz des laufenden Vertrags. Und Präsident Altegoer und meine Mitarbeiter mich versucht haben, zu überreden zu bleiben. Wir haben schlussendlich das Spiel in Nürnberg, trotz drei, vier hundertprozentiger Chancen, verloren und sind abgestiegen. Da habe ich zum letzten Mal in Bezug auf einen Verein geweint. Direkt auf dem Platz und die Woche danach hatten wir noch ein Heimspiel, da war ich nicht mal imstande die Pressekonferenz abzuhalten. Mein Co-Trainer Funny Heinemann musste mich vertreten. Ich war emotional durch. Eigentlich war es das einzige Mal in meiner ganzen Zeit im Profifußball überhaupt, dass ich geweint habe.
Wohin würden Sie mit einer Zeitmaschine reisen?
Genau bis zu diesem Abstiegsjahr des VfL Bochum. Von da an hätte ich vieles anders gemacht. Ich wäre mit den Erfahrungen von heute damals geblieben. Das wäre der Wunsch nach Endgültigkeit gewesen. Ich habe mich vorher und nachher nicht mehr so wohl bei einem Verein gefühlt wie damals beim VfL Bochum. Es sind in den Jahren Freundschaften entstanden, die bis heute währen. Das ist im Profifußball alles andere als normal.
In welchem Film hätten Sie gerne die Hauptrolle gespielt?
"Spiel mir das Lied vom Tod". Die Rolle von Jason Robards, also Cheyenne, fand ich überragend.
Was war die netteste Begegnung, die Sie je hatten?
Ja, natürlich das Kennenlernen meiner Frau. Nur das.
Uli Hoeneß antwortet einmal auf die Frage"Liebe oder Fußball - was würden Sie wählen?" mit: "Muss ich und würde ich Fußball wählen". Und wie würden Sie antworten?
Ben Redelings ist ein leidenschaftlicher "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und Anhänger des ruhmreichen VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt im Ruhrgebiet und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Für ntv.de schreibt er dienstags und samstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Weitere Informationen zu Ben Redelings, seinen aktuellen Terminen und Projekten gibt es auf seiner Seite www.scudetto.de.
Hah. Dann sage ich: Die Liebe zum Fußball.
Was ist die tollste Telefonnummer, die Sie abgespeichert haben?
Ich habe noch nie selbst eine Nummer abgespeichert. Ich kenne noch nicht mal die Telefonnummer meiner Frau. Da steht: 'Schatz Handy'. Aber zurück zur Frage: Nur die Nummer meiner Frau. Das ist so!
Was ist die schönste Erinnerung an früher?
Die schönste Erinnerung überhaupt ist die an meine Kindheit. Die Fußballspiele zwischen den Straßenmannschaften auf der Friedhofswiese. Dammstraße gegen Vikariestraße. Dammstraße war ich. Wir haben immer gewonnen!
Berti Vogts hat auf die Frage nach seinem Lebensmotto geantwortet: 'Heute ist der schönste Tag der Woche'. Was Ihr Motto?
Das ist typisch Berti. Da kann ich ja jeden Tag einen drauf trinken (lacht). Mein Motto ist: Schweigen ist feige.
Mit Peter Neururer sprach Ben Redelings
Quelle: ntv.de