So läuft das WM-Spiel gegen die USA Özil nölt leise, Käpt’n Lahm macht sich rar
26.06.2014, 15:35 Uhr
Die weißen Trikots werden heute nicht zum Einsatz kommen - Deutschland spielt "auswärts".
(Foto: imago/Xinhua)
Lassen wir alle Verschwörungstheorien beiseite und reden wir über das Spiel Löw gegen Klinsmann. Die DFB-Elf kann gegen die USA das Achtelfinale erreichen. Nur Özil ist ein wenig unglücklich. Und der DFB-Ausrüster.
Worum geht's?
USA: Howard - Johnson, Cameron, Besler, Beasley - Beckerman, Jones, Bedoya, Bradley, Zusi - Dempsey. - Trainer: Klinsmann
Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Hummels, Höwedes - Lahm - Schweinsteiger, Kroos - Özil, Müller, Podolski. - Trainer: Löw
Schiedsrichter: Irmatov (Usbekistan)
Do or die, hop oder top, siegen oder fliegen, blamieren oder kassieren - suchen Sie sich was aus. Es ist Vorrundenfinale in der Gruppe G, das heißt: Es wird ausgesiebt. Deutschland, Portugal, USA, Ghana - die Hälfte dieses illustren Quartetts wird sich gegen 20 Uhr deutscher Zeit aus dem Weltmeisterschaftsturnier verabschiedet haben. Ansonsten reden alle davon, dass heute (ab 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) nicht nur die USA gegen Deutschland spielen, sondern auch der deutsche Trainer Joachim Löw gegen den deutschen Trainer Jürgen Klinsmann antritt. Und darüber, dass sie einst so wunderbar zusammengearbeitet haben. Bei der WM 2006 in Deutschland war das, die als Sommermärchen in die Geschichte des Fußballs eingegangen ist, obwohl nur ein dritter Platz herausgesprungen ist. Der Bundestrainer jedenfalls erinnert sich gerne daran. Vielleicht, weil ihm nachgesagt wird, dass er seinerzeit für die Taktik zuständig war, während "der Jürgen" die Bande motiviert hat. Ein Gerücht, gegen das sich Löw übrigens nie gewehrt hat. Über die Zeit damals sagte er vor dem Spiel in der Arena Pernambuco: "Wie haben uns ideal ergänzt."
Wie stehen die Vorzeichen?
Optimal für Verschwörungstheoretiker. Weil beiden Teams ein Unentschieden das Weiterkommen sichern würde, egal was sich zur gleichen Zeit ab 18 Uhr zwischen Ghana und Portugal tut, wurden weltweit die Fußballchroniken vom Dachboden geholt, jahrzehntealte Staubschichten weggefeudelt und das Jahr 1982 aufgeblättert. Damals hatten sich Deutschland und Österreich bei der WM in Spanien mit 1:0 getrennt und nach der frühen deutschen Führung für den Rest der Partie auf Fußball verzichtet, das Ergebnis reichte ja beiden für die nächste Runde. Der Bundestrainer hält dagegen und sagt: "Wir stehen vor einer Aufgabe, die wir lösen wollen - und die wir auch lösen werden." Sprich: Seine Mannschaft soll gefälligst auf Sieg spielen. "Wenn man von vornherein auf Unentschieden spekuliert, geht es meist schief." Heißt aber auch: Wenn, sagen wir, eine Viertelstunde vor dem Abpfiff beide Mannschaften gleich viele Tore geschossen haben, dann könnte es ja sein - ach, überlassen wir das den Verschwörungstheoretikern.
Wie ist die DFB-Elf drauf?
Offiziell blendend. Das wilde 2:2 gegen Ghana hat nur kosmetische Schäden am deutschen Selbstverständnis als Titelaspirant hinterlassen. Größere Reparaturmaßnahmen aus dem Campo Bahia wurden nicht vermeldet, nur an Jerome Boateng und Sami Khedira wurde eifrig geschraubt und gewerkelt. Mit Erfolg. Bundestrainer Löw erklärte: Niemand hat die Absicht, verletzt auszufallen. Leichte Zweifel an der positiven Grundstimmung sind dennoch angebracht. Indiz ist die Auswahl der Auserwählten, die der DFB in Brasilien vor den Spielen zu seinen Pressekonferenzen schickt. Philipp Lahm jedenfalls hat sich rar gemacht. Der ein oder andere hätte sicher gerne gehört, wie er die in der Heimat tobende Systemdebatte (Sechser? Linksverteidiger? Rechtsverteidiger?) denn sieht und seine Leistungen in Brasilien einordnet. Kann aber auch Zufall sein, vielleicht hatte der Kapitän auch etwas anderes zu tun. Überlassen wir das den Verschwörungstheoretikern und kommen zu Mesut Özil. Der hat etwas gesagt, das sich immerhin in Nuancen von dem unterschied, was er sonst sagt. Er hat vor der Partie gegen die USA, wenn auch nur leise, ein wenig genölt. Es ging darum, dass er seit dem Beginn des Turniers nicht mehr im zentralen Mittelfeld spielt, sondern auf der rechten Seite, was er bisher ordentlich gemacht hat. Der magische Moment aber ging ihm bisher noch ab. Glücklich ist er damit nicht. "Jeder weiß, dass ich am liebsten als Spielmacher auflaufe. Aber ich spiele jetzt eben rechts, da hat man nicht so viele Möglichkeiten auf das Spiel einzuwirken." Doch Özil wäre nicht Özil, wenn er nicht noch hinzugefügt hatte: "Der Trainer entscheidet."
Wie läuft's bei den US-Boys?
Viel besser als gedacht. Zwei Spiele, vier Punkte, das Weiterkommen in der eigenen Hand. Und hätte sich Weltfußballer Cristiano Ronaldo in der Sauna-Schlacht von Manaus in der fünften Minute der Nachspielzeit nicht noch zu einer David-Beckham-Gedächtnis-Flanke aufgerafft und Portugals 2:2-Ausgleich ermöglicht - die USA wären sogar schon durch. Daheim sorgt das für Euphorieschübe. Das Land, in dem Fußball immer noch Soccer heißt, träumt vom Titel - dank deutscher Aufbauhilfe. Zu den personellen Kuriositäten gehört nicht nur, dass Ex-Bundestrainer Berti Vogts Ex-Bundestrainer Klinsmann als Sonderberater unterstützt. Mit Fabian Johnson steht auch ein deutscher U21-Europameister von 2009 im Kader und spielt die WM seines Lebens. Der sei "nach zwei Spielen einer der besten Außenverteidiger des Turniers", lobt Klinsmann. Das sei wichtig, weil man dem Gegner auf diesen Positionen "weh tun kann" - wenn man denn Außenverteidiger hat. Johnsons Taktik gegen das DFB-Team: Keine Angst, Druck nach vorne, nicht hinten reinstellen. Dass Deutschland 27 Stunden länger zur Vorbereitung hatte, sieht Johnson nicht als Nachteil. Teamkollege Kyle Beckermann, der auch als Surfermodel arbeiten könnte, erklärte, im Spiel werde "jede Schwäche aus unseren Beinen gelöscht werden". Ein Sieg über Deutschland bei einer WM wäre natürlich ein großer Erfolg: "Aber am Ende würde er uns auch nur dahin bringen, wo wir hinwollen: in die nächste Runde."
War sonst noch was?
Aber ja. Gegen die USA ist Deutschland nämlich nur Gast in Recife. Erstmals kommt damit bei dieser WM das schwarzrote Auswärtstrikot zum Einsatz. Das fällt modisch um Längen hinter den grünen Klassiker der Fußball-EM 2012 zurück, die Kombination von schlichter Eleganz und Retrochic wird auf Jahrzehnte unerreicht bleiben. In Rio de Janeiro ist das deutsche Auswärtsleibchen trotzdem der Renner und immer wieder ausverkauft. Mit seinen breiten schwarzen und roten Streifen ähnelt es dem Trikot des brasilianischen Spitzenklubs Flamengo Rio de Janeiro. Der hat landesweit rund 45 Millionen Fans. WM-Flair und Vereinstreue lassen sich mit dem Trikot perfekt kombinieren. Das weckt Begehrlichkeiten und sorgte für Frust an der Copacabana - der DFB-Ausrüster kam mit der Produktion nicht schnell genug hinterher. Es dürfte das teuerste Eigentor der WM gewesen sein.
Quelle: ntv.de