WM noch nicht überall vorbei "Deutsche" Brasilianer träumen vom Titel
12.07.2014, 17:05 Uhr
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Im Süden Brasiliens existiert mit rund fünf Millionen Menschen eine lebendige deutschstämmige Minderheit. Nach dem bitteren Aus des Gastgebers gegen Deutschland feiert man in diesem Teil des Landes die WM einfach noch ein Stückchen weiter.
Der vergangene Dienstag war für die Brasilianer eine Katastrophe. Doch nicht alle der 200 Millionen Menschen in Südamerikas größtem Land begruben mit der 1:7-Schlappe der Seleção ihre WM-Träume.Für einen kleinen Teil begann die Hoffnung auf den Titel erst jetzt.

Lederhosen und Blau-Gelb: Beim Halbfinale Brasilien-Deutschland schlugen bei vielen Leuten in Blumenau zwei Herzen in der Brust.
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"Deutschland vor!" heißt es jetzt unter den rund fünf Millionen deutschstämmigen Brasilianern, die vor allem in den südlichen Bundesstaaten Santa Catarina und Rio Grande do Sul leben. Dort haben sich noch viele deutsche Traditionen erhalten. In Pomerode zum Beispiel, einer im 19. Jahrhundert von Siedlern aus Pommern gegründeten Kleinstadt, haben 90 Prozent der Einwohner deutsche Vorfahren. Viele unterstützten zuerst Brasilien und bekennen sich jetzt ohne Wenn und Aber zum Land ihrer Vorväter. "Ich bin Fan von Deutschland, meinem Herkunftsland", sagt dort der 20-jährige Rodrigo Hornburg.
Ähnlich ist es im benachbarten Blumenau, das einst von dem Apotheker Hermann Blumenau aus Hasselfelde im heutigen Sachsen-Anhalt gegründet wurde. Dort gibt es schon seit Jahrzehnten ein großes Oktoberfest, das jetzt in Teilen vorverlegt wurde. Zum Public Viewing im Park gibt es Bratwurst und Bier.
Man schätzt die "Kultur der Vorfahren"
Rund 11.000 Kilometer von der Berliner Fanmeile entfernt feierten die Einwohner schon zum brisanten Halbfinale die "Begegnung beider Nationen". Das in Brasilien berühmte und jährlich an die 600.000 Besucher anlockende richtige Oktoberfest soll freilich ebenso stattfinden - immerhin ist es das nach dem Karnevial in Rio zweitgrößte Volksfest des Landes.
"Deutschland ist im Herzen der Einwohner von Blumenau, und jetzt, nach dem Ausscheiden Brasiliens, will die Mehrheit Deutschland als Weltmeister sehen", sagt der Tourismusbeauftragte der Stadt, Ricardo Stodieck. "Blumenau schätzt die Kultur seiner Vorfahren aufs Höchste", sagt Stodieck, der auch Vorsitzender des Parks Vila Germânica, dem Stückchen Deutschland in Südamerika, ist. Er selber habe allerdings "wie jeder Brasilianer" im Halbfinale "sein Land" unterstützt.
Noch bis zum Zweiten Weltkrieg wurde in den Gemeinden hauptsächlich Deutsch gesprochen. Doch als Kriegsgegner Deutschlands tolerierte Brasilien die Sprache nicht länger und die Einwanderer übernahmen weitgehend Portugiesisch als Alltagsidiom. Inzwischen hat sich die Feindschaft gegenüber dem Deutschen natürlich wieder gelegt und viele deutschstämmige Brasilianer pflegen stolz ihre Herkunft.
Dazu gehört die eigene Brauerei "Eisenbahn" in Blumenau ebenso, wie die Fachwerkhäuser und Restaurants mit deutscher Küche. In vielen Straßen erinnert nur das vor den Namen gestellte "Rua" (Straße) daran, dass man eigentlich in Brasilien ist.
Quelle: ntv.de, bwe/dpa/sid