Löws letzte Chance auf einen Titel? Deutschland geht mit Sorgen auf Titelmission
26.05.2014, 13:11 Uhr
Mit einigen Fragezeichen Richtung WM - und trotzdem will die deutsche Mannschaft den Titel.
(Foto: imago/Bernd König)
Für Joachim Löw ist es der vierte Anlauf zum Titeltrainer. Die Sehnsucht in Fußball-Deutschland nach einem vierten WM-Triumph ist groß. Die Vorzeichen dämpfen den Optimismus. Der Bundestrainer sagt: "Wer jammert, hat verloren."
Am deutschen Quartier "Campo Bahia" in Santo André wird bis zum Schluss gewerkelt - an der WM-Elf von Joachim Löw auch. Wenn der Tross des Deutschen Fußball-Bundes am 8. Juni an der brasilianischen Atlantikküste eintrifft, werden die letzten Handwerker gerade die neu errichtete Anlage verlassen, kündigte Oliver Bierhoff an. "Es ist das beste Quartier. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen", sagte der Nationalmannschafts-Manager.
Das Beste soll auch sportlich bei dieser Weltmeisterschaft im Fußball-Traumland Brasilien gelingen - der vierte WM-Titel nach 1954, 1974 und 1990. "Natürlich ist der Titel das Ziel. Wir waren mit Jogi Löw immer unter den letzten vier Mannschaften. Aber erzwingen kann man den Titel nicht", sagte DFB-Chef Wolfgang Niersbach.
Gomez und Adler nicht mehr dabei
Lamentieren über die speziellen Bedingungen und Umstände im WM-Gastgeberland hat Bundestrainer Löw verboten. "Wer jammert, hat verloren", erklärte der Chef des deutschen WM-Unternehmens. Er selbst allerdings musste viele Monate mit Kopfschmerzen leben über den Zustand seiner WM-Kandidaten. Ob Mittelfeldlenker Sami Khedira nach seiner Kreuzband-Operation, Routinier Miroslav Klose nach vielen Verletzungspausen, Vizekapitän Bastian Schweinsteiger nach zwei Operationen oder Manuel Neuer wegen seiner Schulterverletzung - Löw muss bis zum ersten Spiel am 16. Juni in Salvador gegen Portugal weiter eine punktgenaue Vorbereitung organisieren.
In Mario Gomez und Renè Adler hat der 54-Jährige prominente Sorgenkinder aussortiert. Gomez, seit der EM 2008 bei jedem Turnier dabei, und Adler als einstige Nummer 1 im Tor gehören nicht zur Delegation des DFB. "Wir haben die Entscheidung aus absoluter Überzeugung getroffen", betonte der Freiburger vor seinem vierten Turnier als Chefcoach. Hinter jedem der Berufenen stehe ein klares Ja.
Die letzte Chance?
Bei seiner Turnierpremiere als Bundestrainer war Löw 2008 in Österreich und der Schweiz EM-Zweiter geworden. Bei der WM 2010 in Südafrika und der EURO 2012 in Polen und der Ukraine war er mit seinem Team jeweils im Halbfinale gescheitert. Jetzt soll in Brasilien nach 18 Jahren wieder ein Titel für Deutschland her. Der letzte WM-Triumph liegt sogar 24 Jahre zurück. Löw hat noch einen Vertrag bis 2016 - viele sprechen dennoch von seiner letzten Chance.
"Wir wollen diesen Titel, aber das wollen auch viele andere Teams", sagte Löw. Vor allem die Baustellen hinten links in der Abwehr, im defensiven Mittelfeld und im Angriff müssen geschlossen werden. "Die Situation hat sich verbessert zu unseren Gunsten", bemerkte Löw mit Hinweis darauf, dass sich einige lange verletzte und formschwache Akteure in der Endphase der Saison wieder stabilisiert hätten. "Diesen Weckruf im März, dass die Uhr tickt, haben einige Spieler schon verstanden", sagte der einstige Assistent von Jürgen Klinsmann. Beide hatten 2006 beim WM-Sommermärchen in Deutschland zusammen auf Rang drei den großen Coup knapp verpasst.
Khedira ist "unverzichtbar"
In Brasilien sind Löw und Klinsmann als US-Coach nun Kontrahenten. Denn nach Portugal und Ghana (21. Juni) warten am 26. Juni in Recife die Amerikaner zum Gruppenfinale. "Jürgen wird seine Mannschaft gut vorbereiten", warnte Bierhoff: "Die Amerikaner haben nicht die Qualität an Spielern, die wir haben. Aber sie leben von der Begeisterung." An dem Erreichen des Achtelfinales zweifelt niemand im deutschen Lager. Und auch danach würden dem Löw-Team erst einmal die großen Favoriten Brasilien und Spanien oder auch Angstgegner Italien erspart bleiben. Erst könnten Belgien oder Russland warten, im Viertelfinale Argentinien oder Frankreich.
Doch gerade mit Blick auf die vielen Fragen im Vorfeld wird die Belastungsverträglichkeit spätestens von der ersten K.o.-Runde an immer wichtiger werden. "Wir brauchen Spieler, die körperlich fit sind und mit den Gegebenheiten in Brasilien klarkommen können: Hitze, längere Reisezeiten, veränderte Anstoßzeiten, Zeitunterschiede", sagte Löw. Khedira sieht Löw nach seiner langen Pause nach dem Kreuzbandriss und dem Comeback bei Real Madrid genau im Plan. Der defensive Mittelfeldspieler von Real Madrid sei "wegen seiner Persönlichkeit und Erfahrung unverzichtbar", begründete Löw die Abweichung von seiner Fitness-Maxime im Fall Khedira.
Neben den altbewährten Kräften wie Klose, der bei seiner vierten WM-Teilnahme den Torerekord von Brasiliens Star Ronaldo jagen will, Podolski, Schweinsteiger, Per Mertesacker und Philipp Lahm hat Löw auch "frisches Blut" in den Kader gebracht. Der Dortmunder Marco Reus und der Münchner Mario Götze wollen in Südamerika eine Hauptrolle übernehmen. Spielmacher Mesut Özil reist nicht nach Brasilien, "um Zweiter zu werden". Und auch Chefcoach Löw will endlich in eine Reihe mit den WM-Titeltrainern Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer rücken.
Quelle: ntv.de, Jens Mende, Klaus Bergmann/dpa