Kolumnen

Kommentar Eine Chance für Klinsmann

Es ist ja nicht so, dass Jürgen Klinsmann alles falsch macht. Der Trainer des FC Bayern macht sogar eine ganze Menge richtig. Die Münchner haben sich in der Champions League souverän bis ins Viertelfinale gespielt, nach dem 5:0 bei Sporting Lissabon ist das Rückspiel nicht mehr als eine Formsache. Und die Bayern können immer noch Deutscher Meister werden, obwohl sie in der Fußball-Bundesliga auf Platz fünf stehen. Nur im DFB-Pokal sind sie nicht mehr dabei, gescheitert an einer grandios aufspielenden Leverkusener Mannschaft.

Eine durchwachsene Bilanz. Nicht überragend, aber auch nicht desaströs. Aber zu wenig für den FC Bayern und seine Ansprüche an sich selbst. Das Fazit nach zwei Dritteln der Saison fällt ernüchternd aus: Jürgen Klinsmann ist es nicht gelungen, eine Mannschaft zu formen, die konstant auf dem Niveau spielt, dass er, seine Chefs und die Fans sich wünschen. Auch das hat das Spiel gegen Leverkusen gezeigt, in dem sich die Bayern lange Zeit seltsam emotionslos dem Leverkusener Angriffswirbel ergaben und teilweise vorführen ließen. Das wiegt weit schwerer als das Ausscheiden aus einem Wettbewerb.

Eine Entlassung wäre eine Bankrotterklärung

Dennoch stellt sich Manager Uli Hoeneß vor seinen Trainer. Oder hinter ihn. Jedenfalls sagt er: "In unserer Gesellschaft ist es populär, schlaue Sprüche zu machen. Alles besser wissen, das können viele. Aber alles besser machen, das werden wir." Das ist gut gebrüllt und beinhaltet immerhin die Erkenntnis, dass es etwas zu verbessern gibt. Und das Wissen, dass das es eine Bankrotterklärung der Vereinsoberen wäre, Jürgen Klinsmann zu entlassen. Abgesehen davon, dass es auf die Schnelle an einer sinnvolle Alternative fehlt.

Sie wollten Felix Magath nicht mehr haben, obwohl er mit den Bayern zweimal hintereinander die Meisterschaft und den Pokal gewann. Sie wollten Ottmar Hitzfeld nicht mehr haben, obwohl auch er das Double holte. Sie holten im Sommer Jürgen Klinsmann, weil er versprach, was sie haben wollten: attraktiven Fußball und Erfolg. Auch und vor allem international. Sie gaben ihm einen Vertrag über zwei Jahre, gewährten ihm einen ganzen Betreuerstab und stellen ihm ein neues Trainingszentrum an die Säbener Straße. Alles neu, alles schön – das war der Plan.

Alles ein großes Missverständnis?

Und nun? Alles ein großes Missverständnis? Es ist nicht so, dass Jürgen Klinsmann alles falsch gemacht hat. In der Champions League läuft es ja. Aber eben auch einiges in die falsche Richtung. Die Spieler mosern einer nach dem anderen wahlweise über die von ihm gewählte Taktik oder seine Aufstellung – und das öffentlich. Die Defensive zeigt erschreckende Schwächen, dass Team scheint oft keins zu sein und die Gegner haben immer öfter keine Angst mehr vor dem großen FC Bayern.

Dennoch wird Jürgen Klinsmann als Trainer in München bleiben. Zumindest bis zum Ende der Saison. Weil es keine Alternative gibt. Und weil es dumm wäre, ihm die Chance zu verwehren, zu zeigen, dass die Sache mit ihm und dem FC Bayern eben doch kein Missverständnis ist. Sonst behält am Ende noch Peter Neururer Recht. Der hatte ihn als "bestbezahlten Lehrling im Weltfußball" bezeichnet. Wenn das kein Ansporn ist, ab sofort alles besser zu machen.

Stefan Giannakoulis ist Sportredakteur bei n-tv.de.

Quelle: ntv.de

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