Kolumnen

Der 22. Spieltag Es lebe der freie Fußball!

Ein bisschen ist es wie damals in den 70ern. Alles kann, nichts muss. Auf freie Liebe folgt freier Fußball. Vorbei die muffigen Zeiten, in denen immer nur einer Tabellenführer war. Jetzt dürfen alle mal ran. Heute Hamburg, morgen Berlin, übermorgen Leverkusen.

Denn in der in der Bundesliga erfreut sich gerade das Spiel "Werd du Meister, ich will nicht" größter Beliebtheit. Die Top-Teams der Liga sind mit Begeisterung dabei. Hoffenheim hat seine Perfektion eingebüßt, Berlin erschrickt immer mal wieder vor der eigenen Courage, Bayern steckt in der Krise und Leverkusen hat von Fußball-Fest bis Totalausfall alles im Programm. Folge ist ein spannendes, aber für die Beteiligten nervenraubendes Hin und Her an der Tabellenspitze, bei dem momentan die Spieler des Hamburger SV die Krone des Tabellenführers aufhaben. Die sind, wie es sich für gute Hanseaten gehört, noch am beständigsten, müssen an diesem Wochenende trotzdem wieder um das junge Glück der Tabellenführung bangen. Denn mit dem VfL Wolfsburg kommen wahre Experten in Sachen weiße Weste an die Elbe. Ohne Rückrunden-Niederlage und mit 10 Punkten aus vier Spielen werden die Wölfe äußerst selbstbewusst in die HSV-Heimstätte einlaufen und gegen spießige Führungsansprüche der Hamburger einiges einzuwenden haben.

Freie Liebe zum Toreschießen

Die Bayern entdeckten beim 5:0 Champions-League-Sieg gegen Lissabon wenigstens schon mal die freie Liebe zum Toreschießen wieder und verarzteten damit notdürftig ihre Wunden. Angesichts der eklatanten Schwäche der Portugiesen wagt trotzdem niemand, vom Ende der Krise zu sprechen. Immerhin haben die Bayern in diesem Jahr noch immer kein Liga-Spiel gewonnen und müssen jetzt gegen Werder Bremen erneut Ungemach befürchten.

Denn wenn etwas gut lief in Bremen in dieser Saison des Grauens, dann die Spiele gegen die Großen der Liga. Hoffenheim eine von nur drei Hinrunden-Niederlagen verpasst, Hertha mit 5:1 nach Hause geschickt und auch die Bayern mussten mit einem 2:5 in der heimischen Allianz-Arena dran glauben. Die Ursachen für Werders Krise lagen eher in der unteren Tabellenregion. Es ist eine klassische Konzentrations- und Motivationskrise. Das Potential für große Taten ist weiterhin da, wie die genannten Hinrunden-Ergebnissse und das Bezwingen des AC Mailand im Uefa-Cup zeigen. Doch die Bremer haben vergessen, dass sie dieses Potential auch gegen Cottbus, Bielefeld oder Karlsruhe abrufen müssen. Gerade bei Mannschaften, die gegen den Abstieg kämpfen, wird man für den einen Schritt weniger und die eine zurückgezogene Grätsche schnell bestraft. Aber da nach den Bayern sofort Hoffenheim, Stuttgart und Dortmund auf die Bremer warten, sollte sich das mit den Motivationsproblemen fürs Erste geklärt haben.

Ergrauter Klopp

In Dortmund rücken an diesem Wochenende die durch drei sieglose Spiele leicht entzauberten Hoffenheimer an. Sie treffen dort auf einen gewissen Jürgen Klopp, der zu Saisonbeginn auch viele bezauberte, inzwischen aber im Mittelmaß zu ergrauen droht. Mit seiner Borussia wartet er immer noch auf den ersten Sieg der Rückrunde und da kriegt selbst ein Optimisten wie er langsam kalte Füße. Denn auch wenn im Ruhrgebiet das Gefühl schon immer wichtiger war als die nackten Zahlen: Sollte der BVB erneut die Qualifikation für den Uefa-Cup verpassen, könnte Klopp bald wieder in Mainz an die Tür des Vereinsheims klopfen. Wir leben halt in einer materialistischen Zeit, in der Gefühle nur noch wenig zählen.

Malte Buhse, Sportjournalist und begeisterter Hobbykicker, wirft für n-tv.de jeden Freitag einen Blick auf das kommende Bundesligawochenende.

Quelle: ntv.de

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