Slapstick-Tore im Olympiastadion Hertha besteht Charaktertest
05.10.2009, 12:37 UhrDie gute Nachricht zuerst: Die, nun ja, Fußballspieler des Bundesligisten Hertha BSC haben den Charaktertest mit Bravour bestanden. Sie zeigten im Olympiastadion beim 1:3 gegen den Hamburger SV auch unter ihrem neuen Trainer, Friedhelm Funkel, dass sie wirklich schlecht sind. Und widerlegten alle Gerüchte, sie hätten bei den vorangegangen sechs Niederlagen kalkuliert die Arbeit verweigert, um Lucien Favre, ihren alten Trainer, zu vergraulen.
Wer gesehen hat, wie die Hertha dem Gegner die Tore schenkte, der kann sich nicht vorstellen, dass diese Mannschaft in der Lage ist, überhaupt irgendetwas willentlich zustande zu bringen. Schon gar nicht solch grandiose Slapstick-Einlagen, die zu den drei Toren des HSV führten. Aber unfreiwillige Komik ist immer noch die beste. Zumindest für den, der darüber lachen kann. Und das waren an diesem zugigen Abend im Olympiastadion die Hamburger. Der Journalist Claudio Catuogno hat das in der "Süddeutschen Zeitung" so schön beschrieben, dass wir ihn hier gerne zitieren: "Hertha wirkt derzeit wie jemand, der beim Versuch, eine Torte zu schmeißen, auf einer Bananenschale ausrutscht."
Nur Kapitän Arne Friedrich, die alte Spaßbremse, schien das Gebot der Stunde nicht erkannt zu haben. Er tat nach neun Spielminuten völlig humorlos das, was ihm in dieser Saison bisher nicht gelungen war – er erzielte ein Tor, das zum 1:0. Danach rannte er, an seinem neuen Chef vorbei, hinüber ans andere Ende des Stadions zu den Berliner Fans, um – ja, um was eigentlich zu demonstrieren? Das jetzt alles wieder gut ist? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Arne Friedrich hatte sich in den Tagen zuvor vehement gegen die Vorwürfe wehren müssen, der Anführer der Arbeitsverweigerer zu sein. Und, wie er sagte, sehr unter den Anschuldigungen gelitten.
Die dümmsten Gegentore der Bundesligageschichte
Was dann folgte, waren drei Treffer, die gute Chancen haben, in die Liste der dümmsten Gegentore der Bundesligageschichte aufgenommen zu werden – und dort locker unter die ersten Zehn zu kommen. Den Anfang machte Berlins Innenverteidiger Kaka. Der Hamburger Innenverteidiger Jerome Boateng, einst bei Hertha ausgebildet, schlug den Ball weit, hoch und eigentlich ungefährlich in den gegnerischen Straufraum. Und bevor sein Torwart Torwart Timo Ochs die Gelegenheit bekam, den Ball zu fangen, köpfte Kaka ihn – völlig unbedrängt, aber dafür um so präziser - zum 1:1 ins eigene Tor. Aber wer das schon für Slapstick hielt, hatte die Berliner Komiker gnadenlos unterschätzt.
In der Hauptrolle: Sascha Burchert, der neue Charlie Chaplin der Liga. Herthas vierter Torwart kam nach einer guten halben Stunde für Timo Ochs, Herthas zweiten Torwart, der sich verletzt hatte und nur spielte, weil Jaroslav Drobny, Herthas erster Torwart, ebenfalls verletzt ist. Das gilt auch, nur am Rande, für Herthas dritten Torwart, Christopher Gäng. Sascha Burchert also, 19 Jahre alt, riskierte zweimal innerhalb von drei Minuten Kopf und Kragen, machte dabei keinen Fehler – und war doch die tragisch-komische Figur des Spiels. Zweimal stürmte er, von der Berliner Abwehr kläglich im Stich gelassen, aus seinem Strafraum heraus und köpfte in höchster Not einen langen Ball der Hamburger – direkt vor die Füße eines Hamburgers. Beim ersten Mal schoss David Jarolim aus 40 Metern, zwei Minuten später Ze Roberto den Ball aus dem Mittelkreis ins leere Berliner Tor. Zwei Schenkelklopfer, gewiss. Aber richtig lustig fand das Sascha Burchert nicht.
Und das ist die schlechte Nachricht: Die Berliner haben zwar Humor bewiesen, aber das nun einmal unfreiwillig. Und: Auch für die beste Slapstick-Einlage gibt es keine Punkte. Zumindest nicht in der Fußball-Bundesliga. Charaktertest hin, Charaktertest her.
Quelle: ntv.de