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Neue Stärke der DFB-Elf Jeder ist ersetzbar

Die deutsche Fußball-Nationalelf steuert nach drei Siegen in drei Spielen auf EM-Kurs. Und beeindruckt vor allem dadurch, wie scheinbar mühelos sie es verkraftet, wenn Spieler verletzt ausfallen. Das ist das Verdienst von Bundestrainer Joachim Löw.

Lamentiert nicht gerne: Bundestrainer Joachim Löw.

Lamentiert nicht gerne: Bundestrainer Joachim Löw.

(Foto: dapd)

Eine Dienstreise nach Astana ist nicht gerade das, was das Herz eines Fußballprofis erfreut. Das liegt nicht daran, dass es dort nicht schön ist. Sondern daran, dass Kasachstan so furchtbar weit weg ist. Reisen strengt an. Fast 4000 Kilometer sind es, hinzu kommen die vier Stunden Zeitunterschied – und das Spiel beginnt erst um 23 Uhr Ortszeit. Kurz: Strapaziöser geht's nicht – zumindest nicht, wenn es für die deutsche Nationalmannschaft innerhalb der Europäischen Fußballunion um die Qualifikation fürs nächste Kontinentalturnier geht. Das findet 2012 in Polen und der Ukraine statt und ist zumindest geographisch nicht annähernd so weit entfernt.

Doch die Zeiten sind vorbei, in denen jemand im DFB-Team über eine weite Reise klagt, vor einer Partie bei einem Gegner von minderer Leistungsfähigkeit eine kleine Verletzung simuliert und lieber zu Hause bleibt. So hat auch der leicht am Knöchel verletzte Mesut Özil glaubhaft beteuert, am Dienstag unbedingt spielen zu wollen. Das hat mehrere Gründe.

Einer ist, dass es offensichtlich einfach Spaß macht, in dieser Mannschaft Fußball zu spielen. So viel Spaß, dass auch die müden und im Verein eher weniger erfolgreichen Akteure des FC Bayern München im Nationaltrikot zu Höchstform auflaufen. Fragen Sie mal Miroslav Klose, Thomas Müller, Philipp Lahm oder Holger Badstuber, woran das liegt. Zum anderen ist die Nationalelf unter ihrem Trainer Joachim Löw erfolgreich, führt mit drei Siegen aus drei Spielen die Qualifikationsgruppe A mit neun Punkten an und ist somit nicht zuletzt nach dem 3:0 gegen die Türkei, dem vermeintlich stärksten Gegner, auch sportlich nicht mehr ganz so weit von der EM entfernt. Da bleibt niemand freiwillig zu Hause.

Dann spielt halt Toni Kroos

Jung kickt gut: Toni Kroos.

Jung kickt gut: Toni Kroos.

(Foto: dpa)

Zumal es die neue Stärke der Mannschaft ist, dass sie es scheinbar mühelos kompensiert, wenn wichtige Spieler ausfallen. Auch das ist das Verdienst des Bundestrainers, der verletzungsbedingte Absagen klaglos hinnimmt. Weil er nicht gerne lamentiert – und weil er in der glücklichen Lage ist, auf jeder Position eine annähernd gleichwertige Alternative zu haben. Schon während der Weltmeisterschaft in Südafrika hat das Team gezeigt, dass es gut damit zurechtkommt, wenn der Chef ausfällt. Michael Ballack verletzte sich, Fußball-Deutschland befürchtete Schlimmstes, Joachim Löw stellte Sami Kehdira auf – und alles war gut. Der gerade zur Nummer eins erkorene René Adler fiel aus, also stellte er Manuel Neuer ins Tor.

Gegen die Türkei nun fehlte Cheforganisator Bastian Schweinsteiger, einer der überragenden WM-Akteure. Na und? Spielt halt Toni Kroos im defensiven Mittelfeld. Und das prima. Heiko Westermann ersetzte auf der linken Abwehrseite Marcell Jansen, Holger Badstuber machte in der Innenverteidigung sein bisher bestes Länderspiel, während der verletzte Arne Friedrich zuschaute. Und das ist nicht das Ende der Fahnenstange, die nächste Generation wartet schon. Zu ihr gehören die Mainzer Lewis Holtby und André Schürrle sowie die Dortmunder Kevin Großkreutz, Mats Hummels und Mario Götze.

Fußball unabhängig vom Einzelnen

Dem Land mangelt es also nicht an jungen, guten Spielern. Die hervorragende Nachwuchsarbeit in den Internaten bringt immer wieder ehrgeizige Talente hervor, die in der Lage sind, den Etablierten ernsthaft Konkurrenz zu machen. Und dem Bundestrainer ist es gelungen, Fußball so spielen zu lassen, dass er weitgehend unabhängig vom Einzelnen ist. So dass es etablierte Spieler eigentlich gar nicht mehr gibt.

Das heißt aber auch: Jeder ist ersetzbar. Da setzt sich der gemeine Nationalspieler doch lieber brav ins Flugzeug nach Astana – bevor demnächst ein anderer auf seinem Platz sitzt.

Quelle: ntv.de

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