Rekordspringerin verzweifelt Das olympische Drama der Sara Takanashi

Sara Takanashi brachte einen gültigen Sprung ins japanische Teamergebnis ein.

Sara Takanashi brachte einen gültigen Sprung ins japanische Teamergebnis ein.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Im Mixed-Wettbewerb der Skispringer bei den Olympischen Spielen von Peking geht es wundersam zu: Ein Spitzenteam nach dem nächsten wird mit Punktabzügen bestraft. Es erwischt auch Japan. Besonders bitter: Mit Sara Takanashi wird eine der tragischen Gestalten des Sports bestraft.

Sara Takanashi ist am Boden zerstört: Völlig aufgelöst kann die Skispringerin nur gestützt auf eine Betreuerin den Auslaufbereich der Schanze verlassen. Die 25-Jährige ist runter mit den Nerven, Minuten, nachdem sie erfahren hat, dass sie im olympischen Mixed-Wettbewerb disqualifiziert wurde. Irgendwas stimmt mit dem Anzug nicht, zu weit soll er sein.

Die Japanerin ist die erste von drei Frauen, deren Ergebnis aus dem ersten Durchgang gestrichen wurde. Auch die Deutsche Katharina Althaus wird disqualifiziert. Weil die Vorleistungen ihrer Mannschaftskolleginnen zwar stark sind, den Ausfall aber nicht ganz kompensieren können, verpasst das DSV-Team den zweiten Durchgang. Japan bleibt das erspart, mit dem Sieg hat die Mannschaft von Einzel-Olympiasieger Ryoyu Kobayashi aber mit einem Sprung weniger als die Konkurrenz nichts mehr zu tun. Weil mit Norwegen im zweiten Durchgang eine weitere Spitzennation bestraft wird, kommt eine Medaille sogar kurz wieder in Reichweite. Doch es reicht nicht mehr. Damit geht die große Tragik der Sara Takanashi weiter.

"Tragische Heldin"

Takanashi ist erst 25 Jahre alt, aber schon ein Idol ihres noch vergleichsweise jungen Sports: 61 Weltcup-Siege hat die Japanerin bereits gesammelt, das ist bei den Frauen einsamer Rekord und auch der Rekordsieger der Männer, Österreichs Idol Gregor Schlierenzauer, kommt mit seinen 53 Erfolgen bei weitem nicht an die Statistik der zierlichen Takanashi heran. Viermal gewinnt sie den Gesamtweltcup, nie schließt sie eine Saison schlechter als auf Rang vier der Gesamtwertung ab. Schon 2011 war Takanashi beim allerersten Weltcup der Skispringerinnen überhaupt am Start. 152 Zentimeter Legende eben.

Nur mit den Großereignissen fremdelt Takanashi derart, dass es sogar den Trainern der Konkurrenz Leid tut. Als Maren Lundby ihr bei der Weltmeisterschaft im März 2021 mit dem letzten Sprung noch den Titel entreißt, leidet der damalige deutsche Bundestrainer Andreas Bauer mit: "Sie ist für mich ein bisschen die tragische Heldin, ich hätte ihr den Titel gegönnt. Da habe ich ein weinendes Auge", sagt Bauer in Oberstdorf. "Ich kenne sie so lange, schätze sie als Athletin. Nach so einer erfolgreichen und langen Zeit hätte sie es verdient gehabt."

Eine Goldmedaille steht in der Statistik der großen Springerin, die von der WM 2013 im Mixed-Team. Im Einzel aber klappt es bislang noch nicht mit einem ganz großen Titel. Zwar habe Takanashi "noch einen Olympiazyklus vor sich", sagt Bauer im März 2021 in Oberstdorf, "aber so viele Entscheidungen bei einer WM hat man nicht. Das wäre heute wieder eine gewesen. Wenn ich so eine überragende Athletin bin, brauche ich irgendwann einen Titel in meiner Sammlung." 2014 hat Takanashi 15 von 18 Weltcups gewonnen, bei Olympia in Sotschi geht sie als Topfavoritin dann komplett leer aus. 2018 reicht es in Pyeongchang immerhin zu Bronze.

"Harte Arbeit bedeutet nicht, wenn Ergebnisse nicht stimmen"

Und nun kommen sie, diese tränenreichen Olympischen Spiele von Peking. Im Einzel springt Takanashi auf Rang vier, nachdem sie in zwei von drei Trainings auf der Olympiaschanze die Bestweite geliefert hat. Wieder kein Titel, keine Medaille, nur Enttäuschung. "Takanashis Träume wurden zerstört", schreibt "Japan Forward". "Ich denke, es ist normal, hart zu arbeiten, aber harte Arbeit bedeutet gar nichts, wenn die Ergebnisse ausbleiben. Ich denke, dass mein Einsatz nicht gut genug war", zeigt sich Takanashi selbstkritisch.

Es bleibt die Hoffnung auf eine Medaille im erstmals olympischen Mixed-Wettbewerb. Die Hoffnung endet in der Materialkontrolle und mit Tränen. Irgendwas stimmte mit dem Anzug nicht. Am Ende wird es noch einmal grausam: Weil Kobayashi in seinem Sprung auf 106 Meter fliegt, darf Takanashi kurz jubeln, kurz hoffen, bevor sie wieder von einer Tränenattacke getroffen geschüttelt wird. Der Kanadier MacKenzie Boyd-Clowes kontert cool, es gibt wieder nur die Enttäuschung, wieder nur Platz vier für die Rekord-Weltcup-Siegerin.

Es bleibt dabei: Sara Takanshi ist die erfolgreichste tragische Gestalt des Skispringens. Für die Männer, die neben dem Springen auf der Normalschanze auch noch auf der Großchance und im Team antreten, sind die Olympischen Spiele von Peking für die Frauen schon beendet. Kein Teamwettbewerb, keine Großschanze. Der Sprung ganz oben aufs Podest gelingt Sara Takanashi wieder nicht. Am Ende fehlte der japanischen Mannschaft mit einem Sprung weniger acht Punkte auf das Sensations-Bronze-Team Kanada. Aber das ist eine andere, eine schönere olympische Geschichte.

Quelle: ntv.de

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