Favoritin scheitert im Vorlauf Fataler Arroganzanfall von Sprint-Superstar
02.08.2021, 13:18 Uhr
Bronze über 100 Meter, Vorlauf-Aus über 200 Meter: Shericka Jackson nahm das etwas zu locker.
(Foto: REUTERS)
Was für ein bitteres Scheitern im olympischen Vorlauf: Die jamaikanische Mitfavoritin Shericka Jackson trudelt weit vor dem Ziel locker aus - und verzockt sich! Die drittschnellste Frau des Jahres über 200 Meter scheitert in der ersten Runde und ärgert sich später über sich selbst.
Eine aufreizende Lässigkeit gehört wohl einfach zum gewaltigen Ego der Superstars der Sprintszene. Unvergessen sind die Momente des legendären Usain Bolt, wenn er sich in Vorläufen umdrehte, um der Konkurrenz zu signalisieren: kommt ihr auch? Ein schmaler Grat zwischen Machtdemonstration und Arroganzanfall. Kaum anders zu bewerten ist der Fall von Shericka Jackson.
Die Jamaikanerin leistete sich nun bei den Olympischen Spielen einen peinlichen Blackout im Vorlauf über 200 Meter. Im Gefühl der sicheren Qualifikation für das Halbfinale verlangsamte die Sprinterin ihr Tempo ohne Not massiv. Eine gängige Praxis der Stars, aber eben auch eine aufreizende Lässigkeit als Dominanzgebahren - mit nun fataler Folge. Statt auf Rang zwei einzulaufen, sprinteten noch zwei Athletinnen an ihr vorbei. Jackson, die über 100 Meter Bronze gewonnen hatte, wurde Vierte. Das reichte nicht für direkte Qualifikation. Nur die ersten drei der jeweiligen Läufe sind sicher dabei. Und auch über die Zeit (23,26 Sekunden) kam sie nicht weiter.
Ihr Trainer Stephen Francis erklärte laut "Jamaica Gleaner" gefrustet: "Sie hat sich offensichtlich verschätzt und den Preis dafür bezahlt. Ich hatte erwartet, dass sie besser abschneidet. Sie wird daraus lernen." Auch bei den Experten sorgte der Auftritt für Kopfschütteln. "Jackson ist fast nur herumgejoggt - was zum Teufel?", wunderte sich etwa Ex-Läufer Steve Cram bei BBC. Jackson selbst schrieb bei Instagram: "Manchmal können uns schmerzhafte Dinge eine Lektion erteilen, von der wir nicht dachten, dass wir sie wissen müssen."
Jackson gehört auf der zweitkürzesten olympischen Sprintstrecke zu den Favoritinnen auf eine Medaille. Sogar Gold war für die 27-Jährige in Reichweite. In der Jahresbestenliste steht sie mit einer Zeit von 21,82 Sekunden auf Rang drei. Vor ihr stehen Shelly-Ann Fraser-Pryce (21,79), ebenfalls aus Jamaika, und die Amerikanerin Gabrielle Thomas (21,61). Beide Sprinterinnen zockten in ihren Vorläufen übrigens nicht, mussten sich aber auch nicht verausgaben und zogen wenige Stunden später souverän ins Finale ein. So wie auch 100-Meter-Siegerin Elaine Thompson-Herah, die trotz Austrudeln auf den letzten 30 Metern ihr Halbfinale in 21,66 Sekunden gewann.
Jackson war da längst nur noch Zuschauerin. Und mit ihrem Lauf bei angezogener Handbremse verstieß Jackson außerdem womöglich gar gegen eine Richtlinie, die bei fast allen Wettkampf-Sportarten gilt: Eine zu krasse Verlangsamung wird als Unsportlichkeit gegenüber den anderen Athleten interpretiert und kann im Zweifel sogar zur Disqualifikation führen. Dass diese Regel allerdings schon jemals angewendet worden wäre, ist nicht bekannt.
Quelle: ntv.de, tno