Olympia

Drama, Verbeugung, AngriffWie Simone Biles Donald Trump der Lächerlichkeit preisgibt

05.08.2024, 18:23 Uhr
imageVon David Bedürftig
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Simone Biles räumte bei Olympia in Paris ab und schoss online gegen Donald Trump. (Foto: IMAGO/justpictures.ch)

Superstar Simone Biles erlebt einen emotionalen letzten Wettkampftag in Paris, samt Sturz und großer Geste. Aber die Weltklasse-Turnerin setzt zuvor wie schon in Tokio noch viel größere Zeichen. Diesmal im Fokus: Donald Trump und der US-Wahlkampf.

Simone Biles kam zu den Sommerspielen 2024 in Paris mit dem Wunsch, etwas zu beweisen. Nachdem sie zwei Goldmedaillen errungen hatte, folgten am letzten Wettkampftag emotionale Wendungen: Erst ein bitterer Sturz vom Schwebebalken, der in einen fünften Platz mündete und Drama produzierte, das niemand bei der Weltklasse-Athletin erwartet hatte. Anschließend die Silbermedaille am Boden nach mehreren Fehlern - und eine Verbeugung von Siegerin Rebeca Andrade bei der Siegerehrung als große, sportliche Geste.

Zwar musste die 27-Jährige ihren Traum begraben, in Paris den angestrebten Rekord von neun olympischen Goldmedaillen zu erreichen, was bislang bei Sportlerinnen nur die ehemalige sowjetische Turnerin Larissa Latynina sowie die US-Schwimmerin Katie Ledecky geschafft haben. Aber nach den mentalen Problemen in Tokio dominierte Biles nun wieder das Geschehen und zeigte Sprünge wie vom anderen Stern.

Dank einer speziellen Social-Media-Aktion, die weit über den Sport hinaus geht, hat Biles noch viel mehr gewonnen als Goldmedaillen. Denn die Athletin legte am Freitag eine kurze Pause vom Geschichte schreiben ein, wo sie Stunden zuvor mit 27 Jahren zur ältesten Olympiasiegerin im Frauenturnen seit 1952 geworden war und ihre zweite Goldmedaille in Paris gewonnen hatte: Sie stichelte gegen Donald Trump - und gab den republikanischen Präsidentschaftskandidaten mit seinen eigenen Worten der Lächerlichkeit preis.

Biles liebt ihren "Schwarzen Job"

"I love my black job", schrieb die Turnkönigin in einem Beitrag am Freitag. Ich liebe meinen schwarzen Job. Dazu postete die Athletin zwei Fotos mit einer Goldmedaille aus Paris um den Hals und ein schwarzes Herz-Emoji. Damit spielte Biles auf ein rassistisches und unwahres Konzept von Trump an, dass Schwarze in den USA nur Handarbeiten ausführen würden und könnten. Nicht nur in der berühmt-berüchtigten Debatte gegen Präsident Joe Biden im Juni sprach Trump von "black jobs", die den US-Amerikanern von Migranten weggenommen würden. Trumps Bemerkung verärgerte Kritiker, die darin einen rassistischen und beleidigenden Versuch sahen, seine Anziehungskraft über seine weiße konservative Basis hinaus zu erweitern.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat wurde vergangene Woche erneut wegen dieses Themas angegangen, als er am Mittwoch auf dem Kongress der National Association of Black Journalists (NABJ), wo der Ex-Präsident mächtig ins Schlingern geriet und sogar von konservativen Medien Kritik erhielt. Als Trump wieder die "black jobs" erwähnte, stöhnte der Raum voll von schwarzen Journalistinnen und Journalisten auf und lachte Trump aus.

Biles' Reaktion auf Trumps Aussagen ist keine Überraschung. Weil sie stets offen, lautstark und konsequent Missstände anspricht, wurde sie ein Vorbild für viele. Gerade für junge Schwarze, insbesondere Frauen. Denn auch abseits der Turnhalle ist Biles längst eine Revolution geworden. Die personifizierte "female Empowerment", also die weibliche Ermächtigung.

Biles hält nicht die Klappe und nervt Trump

Im Januar 2018 machte sie öffentlich, dass sie als Teenager von Teamarzt Larry Nassar sexuell missbraucht wurde. Mehr als 350 andere Athletinnen sagten ebenfalls aus, Nassar wurde zu 175 Jahren Gefängnis verurteilt. Doch Biles griff auch ihren Turnverband "USA Gymnastics" für eine Mittäterrolle an.

Unüberhörbar kämpft Biles für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von und Rassismus gegenüber People of Color. Sie ist so stark und selbstbewusst, wie Trump es hasst, und hat keine Scheu, sich für sich selbst einzusetzen. Solche selbstbestimmten Entscheidungen wurden (schwarzen) Frauen historisch in Gesellschaft und Sport abgesprochen. Auch in jüngerer Vergangenheit, wenn weiße Konservative in den USA schwarzen Athletinnen und Athleten ihre Meinung verbieten wollten. Trump ließ sich einst feiern, als er Basketball-Ikone LeBron James für dessen politische Kommentare an den Kopf warf: "Halt die Fresse und dribble!"

Konservative Medien wie der US-Sender Fox News wiederholten das Motto immer wieder gerne. Dort galten 2021 bei den Olympischen Spielen in Tokio Megan Rapinoe - die wegweisende, offen lesbische Fußballspielerin, die sich aktiv für LGBTQ+-Personen einsetzt und sich immer wieder mit Trump anlegte - als USA-Hasserin und das Basketball-Team als zu "woke", weil es sich an Kniefall-Protesten gegen Polizeigewalt beteiligt hatte.

Überhaupt ist Trumps politischer Werdegang durchzogen von Rassismus und Misogynie. Eine schwarze Frau, die ihm widerspricht, ist das Schlimmste für ihn. Genau das hat Biles nun getan. Noch schlimmer: Sie veräppelt ihn. Nimmt ihn mit seinen eigenen, abstrus-rassistischen Konzepten aufs Korn. Offenbart die Lächerlichkeit seiner Worte mit einem einzigen Satz und einem simplen Tweet. Klappe halten, das war noch nie Biles' Ding.

Attacke von Trump-Vize Vance auf Biles

Trump ist in den vergangenen Wochen unter Druck geraten: Gegen Präsident Joe Biden sah er aus wie der sichere Sieger im Wahlkampf, nun hat ihm die demokratische Kandidatin Kamala Harris das Momentum abgeluchst. Und so sprach er auf dem NABJ-Kongress nicht nur von "black jobs", sondern äußerte sich abfällig über Harris, die erste schwarze und asiatisch-amerikanische Vizepräsidentin, und behauptete fälschlich, sie sei erst kürzlich "zufällig schwarz geworden". Harris' möglicher Vizepräsidentschaftskandidat Mark Kelly bezeichnete die Äußerungen bei CNN als "offenkundig rassistisch" und sagte, sie zeigten, dass Trump ein "verzweifelter und verängstigter alter Mann" sei. Trumps Vize JD Vance verteidigte ihn indes umgehend.

Vance hat ebenfalls eine unrühmliche Verbindung zu Biles. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio hatte sich die Athletin aus dem Turnier zurückgezogen, um sich auf ihre geistige Gesundheit zu konzentrieren, nachdem sie an einem Zustand gelitten hatte, der als "Twisties" bekannt ist. Bei diesem Phänomen, das typischerweise bei Turnerinnen und Turnern auftritt, verlieren sie mitten in der Luft die Kontrolle und haben das Gefühl, die Bewegung nicht landen zu können, was zu einer hochriskanten und gefährlichen Situation führt.

"Glauben Sie, dass Simone Biles das Land hat hängen lassen?", wurde Vance 2021 in einer Talkshow bei Fox News gefragt. Der Republikaner sagte, er fände es "seltsam", dass man die Turnkönigin für ihren "schwächsten Moment" auch noch lobte. Vance urteilte: "Es ist eine Schande, dass sie aufgehört hat." Er war nicht der einzige auf dem rechten Flügel, der damals gegen Biles austeilte.Gestürzte Biles verpasst gleich zwei Gold-Medaillen

Dabei stieß der Selbstausstieg eine internationale Diskussion über psychische Gesundheit an und war vielleicht Biles' größter Erfolg und ein Schritt der Stärke. Sie brachte das Selbstvertrauen und die Willenskraft auf, um zur Entstigmatisierung von mentalen Problemen beizutragen. Biles präsentierte der globalen Sportwelt, welche Werte wirklich wichtig sind - und dass auch Superstars nicht immer funktionieren müssen. Dass auch die Allerbesten keine Maschinen sind, dass die Sportwelt manchmal ungesund ist - aber dass Gesundheit, mentale wie physische, über allem steht.

Biles bricht mit Tabus und betreibt Trolling

Auch in Paris betont Biles immer wieder, wie wichtig ihre Therapie noch heute für sie ist, spricht ganz offen über ein wichtiges Thema, das für viele weltweit immer noch als ein Tabu gilt. Die 142 Zentimeter große Ausnahmeathletin hat sich als eine der Größten aller Zeiten etabliert. Nicht nur im Turnen, sondern in allen Sportarten. Frauen und Männer eingeschlossen. Anschließend zeigte sie sich sehr begabt in der hohen Kunst des Social-Media-Trollings. "Das gehört in die Twitter-Ruhmeshalle", antwortete Schauspieler Mark "Luke Skywalker" Hamil auf Biles' Post. LeBron James, Jasmine Crockett, demokratische Politikerin im US-Repräsentantenhaus, und Ned Lamont, Gouverneur des US-Bundesstaats Connecticut, taten es ihm gleich mit dem Lob.

Die Welt hört zu, sieht genau hin. Trump mag glauben, dass sein Rassismus ihm bei der US-Präsidentschaftswahl helfen wird. Aber wenn eine Weltklasseathletin wie Simone Biles ihn in einem ihrer größten Momente ihrer elitären Karriere der Lächerlichkeit preisgibt, hat er dennoch verloren.

Einen Tag nach ihrem Post gewann Biles im Sprung-Finale die nächste Goldmedaille. Nun folgten Drama, eine Silbermedaille und eine große Geste. 2028, im nächsten US-Wahljahr, finden die Olympischen Spiele in Los Angeles statt. "Sag' niemals nie", lachte Biles am Wochenende den Medienschaffenden zu, "aber ich werde langsam wirklich alt." Wer dann Präsidentin oder Präsident ist, und ob die dann 31-Jährige dabei sein wird, ist unklar. Aber den Mund verbieten lassen wird Simone Biles sich auch in vier Jahren definitiv nicht.

Quelle: ntv.de

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