Olympia-Debakel für Goldfavorit Zeidlers Traum endet von Wellen verschaukelt

Frust.

Frust.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Eigentlich ist die Goldmedaille für Oliver Zeidler fest eingeplant. Obwohl der 25-Jährige als Quereinsteiger zum Rudern kommt, gilt er als Top-Favorit. Das Olympia-Aus im Halbfinale ist umso überraschender. Auch, weil seine fehlende Erfahrung Zeidler möglicherweise zum Verhängnis wird.

Oliver Zeidler tat, was frustrierte Sportler in den Tagen von Tokio immer wieder tun. Der Ruderer flüchtete vor den Fragen der Öffentlichkeit. Nachdem er lange auf dem Bootssteg des Sea Forest Waterway im Hafen von Tokio gelegen hatte, verzog sich der 25-Jährige in die Katakomben. Kurz zuvor war sein Traum und damit eine märchenhafte Geschichte von einem Start-Ziel-Sieg bis zur olympischen Goldmedaille zerplatzt. Vor fünf Jahren zählte Zeidler Kacheln im Schwimmbad, war ein talentierter, aber kein überragender Nachwuchsschwimmer, ehe er die Sportart wechselte. Drei Jahre später war Zeidler Weltmeister im Einer und sollte zwei Jahre später die Goldmedaille in Japan gewinnen - so lautete der Plan der Zeidlers. Er zerschellte an den Wellen auf der Regattastrecke.

"Wir waren heute nicht so gut, wie wir das sonst bei den Regatten waren. Die Bedingungen waren sehr extrem", sagte Heino Zeidler, Papa und Trainer in Personalunion. Der 49-Jährige war in den 1990er Jahren selbst ein Ruderer auf Weltklasse-Niveau und am Donnerstag fassungslos. Ein paar Tage zuvor war das noch ganz anders. "Das war eine Trainingsfahrt. Dieses Tempo kann Oliver dreimal hintereinanderfahren", berichtete Heino Zeidler nach dem souveränen Vorlaufsieg am vergangenen Freitag.

Der Trainer und Papa wirkte wie der Junior gelassen und entspannt. Im Viertelfinale lief ebenfalls alles glatt, Zeidler siegte problemlos und es stellte sich nach außen hin nur die Frage, ob er seinen Halbfinallauf gewinnen würde und von welcher Bahn aus er in das Finale am Freitag starten würde. Alles lief nach Plan - bis das Halbfinale einen unerwarteten Verlauf nahm.

Der Wind ist der ärgste Feind

Früh wurde ersichtlich, dass Zeidler Junior nicht in Bestform war. Dennoch war er zunächst auf Finalkurs, zur Mitte der 2000 Meter langen Strecke lag der Deutsche komfortabel auf Rang zwei, auch 500 Meter vor dem Ziel hielt er diesen Rang. Die ersten Drei lösten das Ticket für den Endlauf - und Zeidler schaffte es nicht unter die Top drei. Zunächst zog der Däne Sverri Nielsen an ihm vorbei und von Ruderschlag zu Ruderschlag wirkte der Deutsche verkrampfter. Den Schlussspurt des Russen Alexander Vyazovkin konnte er nicht mehr kontern. Bei den schwierigen Bedingungen auf der Strecke, bei Schiebewind und starkem Wellengang, konnte der Goldfavorit im entscheidenden Moment nicht mehr zusetzen.

Im Wasser von Tokio wurde die Tatsache, dass er als Quereinsteiger erst spät zum Rudern fand, zum Nachteil. Kein Ruderer im Einer-Bereich hat eine derart große Schubfähigkeit in den Beinen wie Zeidler, die Kraftwerte des Münchners sind beeindruckend - und sorgten früh für große Erfolge. Zeidler fehlt aber die Technik, um seine Kraft auch bei schwierigen Bedingungen über das Ruderblatt perfekt ins Wasser zu bekommen. Das Gefühl für das Element geht ein Stück weit verloren. Die Konkurrenten, die zumeist im Kindesalter mit dem Leistungsrudern begannen, sind im Vorteil. Der Wind ist der stärkste Kontrahent für Zeidler, und Wind gibt es in Tokio gerade reichlich.

Training im Keller der Eltern

Das Scheitern der Goldhoffnung wird im Nachgang eine kritische Betrachtung der speziellen Vorbereitung der Zeidlers auslösen. Im Gegensatz zur kompletten deutschen Rudermannschaft verzichtete der Einer-Fahrer auf das finale Trainingslager vor den Spielen in Japan. Zeidler blieb in München und simulierte dort auf einem Ergometer die Bedingungen, die im Hafen von Tokio auf ihn zukamen.

Im Elternhaus hat er sich im Keller einen Trainingsraum eingerichtet, in den Wochen vor dem Abflug nach Japan stellt er dort die besonderen klimatischen Bedingungen nach. Die benachbarte Sauna wurde aufgeheizt und die Türen offengelassen, um die Temperatur zu erhöhen. Mit Ventilatoren und Wasserflaschen sollte die Luftfeuchtigkeit auf ein Niveau gebracht werden, das dem in Tokio ähnelte.

Erst am Mittwoch vor einer Woche und damit zwei Tage vor dem Wettkampfstart war der Münchner von Deutschland aus nach Asien geflogen. "Ich habe in Deutschland die perfekten Voraussetzungen für die Vorbereitung", hatte er die Entscheidung schon vor ein paar Wochen begründet. Nicht nur im Keller bei den Eltern spulte er sein Trainingsprogramm ab, auch auf der heimischen Regattastrecke, die der in Tokio von den Begebenheiten ähnelt, brachte er sich in Form. Der Wind und die Wellen, die auf dem Sea Forest Waterway herrschten, ließen sich dort allerdings nicht simulieren.

Quelle: ntv.de

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