Silbermedaille im Eiskunstlauf Pluschenko will protestieren
23.02.2010, 10:13 UhrDer russissche Eiskunstläufer Jewgeni Pluschenko fühlt sich von den Olympia-Preisrichtern in Vancouver benachteiligt. Er gewinnt die Silbermedaille und verliert Gold - an den Amerikaner Evan Lysacek. Nun will Pluschenko Protest einlegen. Und hofft auf Unterstützung.
Der Zorn von Jewgeni Pluschenko ist noch nicht verraucht. Vier Tage nach seiner Niederlage in der olympischen Eiskunstlauf-Konkurrenz erwägt der russische Silbermedaillengewinner, gegen die Jury-Wertung zu protestieren. Pluschenko findet, man dürfe "die Entscheidung nicht auf sich beruhen" lassen.
Mit seinem Protest hoffe er "auf Unterstützung", auch wenn ihm die Funktionäre seines Landes von einem Einspruch abgeraten hätten. Die meinen, Pluschenko hätte wenn dann "bereits nach dem Kurzprogramm" protestieren sollen, sagte er im russischen Fernsehen.
Auch kritische Töne aus Kanada
Damals hatte aus Pluschenkos Sicht aber noch kein Anlass bestanden, schließlich führte er nach dem Kurzprogramm noch, wenn auch äußerst knapp. Erst in der Kür zog der Amerikaner Evan Lysacek am Titeverteidiger vorbei und fügte dem erfolgsverwöhnten Russen eine schmerzhafte Niederlage zu.
Doch nicht nur beim Besiegten und Russlands Regierungschef Wladimir Putin stieß die Gold-Medaille für "Eistänzer" Lysacek auf Unverständnis. Auch aus Kanada gab es kritische Töne, allerdings nur vereinzelt. Einer der wenigen, der nicht in den allgemeinen Tenor der US-amerikanischen und kanadischen Medien einstimmten, Pluschenko einfach als schlechten Verlierer abstempelten und Lysaceks Sieg mit der besseren Gesamtvorstellung rechtfertigten, war Elvis Stojko.
Ohne einen Vierfach-Sprung
Der ehemalige kanadische Weltmeister und Olympia-Zweite reagierte ebenfalls mit Unverständnis auf den Olympiasieg des US-Amerikaners. Seine "Eurosport"-Kolumne nach der Entscheidung betitelte er mit "Die Nacht, in der das Eiskunstlaufen getötet wurde". Der Kanadier konnte es wie Pluschenko einfach nicht fassen, dass erstmals seit 1992 wieder ein Starter ohne Vierfach-Sprung die Goldmedaille gewonnen hatte. Der letzte Sieger ohne Vierfachsprung war 1988 Lysaceks Landsmann Brain Boitano gewesen, dessen damalige Kür Lysacek 22 Jahre später technisch nicht übertroffen habe. Mit Blick auf die Sprungschwierigkeit in Lysaceks Kür kam Stojko zu einem vernichtenden Urteil: "Es gibt Junioren, die dieses Programm laufen können."
Stojkos Kritik galt allerdings nicht nur den Preisrichtern, die insbesondere Pluschenkos Kombination aus vierfachem und dreifachem Toeloop zu schlecht bewertet hätten. Er rügte auch die Wertungsreform aus dem Jahr 2004, die Sprünge im Eiskunstlaufen zugunsten vermeintlich unmännlicher künstlerischer Elemente entwertet habe. Seitdem bedeute Eiskunstlaufen auch bei den Herren häufig "mehr Federn, Kopf in den Nacken werfen und Schrittkombinationen im Tempo eines Spaziergängers". Richtiger Sport ist das für Stojko nicht mehr, Lysaceks Sieg deshalb eindeutig ein Indiz für eine Rückentwicklung des Eiskunstlaufens.
Leichtfertig Punkte verschenkt?
Bestätigt wird der Kritiker aus Kanada von der "New York Times", die nach einer Analyse von Wettkämpfen in den vergangenen vier Jahren zum Ergebnis kam: Der Verzicht auf einen Vierfachsprung, den bei den Männern nur Jewgeni Pluschenko sicher beherrscht, ist zugunsten einer einfacheren Dreifachkombination, wie sie Lysacek in Vancouver zeigte, vielfach lohnender.
Die "New York Times" hob aber auch hervor, dass Pluschenko leichtfertig Punkte verschenkt habe. Im neuen Wertungssystem werden Sprünge in der zweiten Hälfte der Kür mit einem 10-prozentige Punkteaufschlag belohnt. Pluschenko zeigte jedoch, der langjährigen Tradition verhaftet, fünf seiner Sprünge in der ersten Hälfte. Lysacek richtete seine Kür hingegen am neuen Wertungssystem aus und packte in seinen ersten Kürteil nur drei, in den zweiten hingegen fünf Sprünge.
Bei der WM in Turin geht es weiter
Dadurch erhielt er allein durch den 10-Prozent-Bonus 3,5 Extrapunkte, Pluschenko hingegen nur 1,7 und damit 1,8 Zähler weniger als sein Rivale. In der Endabrechnung fehlten dem Zweiten Pluschenko (256,36) zu Sieger Lysacek (257,67) etwa 1,3 Punkte. Fazit der "New York Times": "Evan Lysacek hat Jewgeni Pluschenko im Prinzip dadurch besiegt, dass er das neue Wertungssystem mit einem modernen Programm zu seinem Vorteil ausgenutzt hat."
Zum nächsten Aufeinanderprallen der beiden Eiskunstlauf-Welten wird es bei der Weltmeisterschaft vom 22. bis 28. März in Turin kommen. Ungeachtet eines eventuellen Protestes will sich Pluschenko dort für die Niederlage in Vancouver revanchieren, seinen US-Rivalen entthronen und seinerseits zum vierten WM-Titel laufen. Wobei es springen in diesem Fall wohl besser trifft.
Quelle: ntv.de, mit dpa