Technik

Gnadenloses Open-World-Spiel "Elden Ring" ist ein Meisterwerk dank neuer Ansätze

Riesige und skurrile Gegner erwarten die Spieler in "Elden Ring".

Riesige und skurrile Gegner erwarten die Spieler in "Elden Ring".

(Foto: Bandai)

Man nehme den "Game of Thrones"-Schöpfer für die Story und packe die Spielmechanik der Dark-Souls-Reihe in eine offene Welt. Die ambitionierte Formel bietet genug Potenzial, um zu floppen. Doch das düstere Action-Rollenspiel "Elden Ring" geht in vielen Bereichen ganz neue Wege - mit einem grandiosen Ergebnis.

Wer Videospiele von den Entwicklern FromSoftware kennt, der weiß: Der Frust gehört für den Spieler einfach dazu. Was durch qualvoll faszinierende Erfahrungen wie "Dark Souls", "Bloodborne" oder "Sekiro" ein eigenes Genre prägt, bekommt nun mit "Elden Ring" den Open-World-Anstrich. Ob das anspruchsvolle und teils nervenzerreißende Gameplay in einer kryptischen und offenen Welt funktioniert, hat ntv.de getestet.

Die Story ist einfach gestrickt. Der Spieler taucht ein in die Welt von Zwischenland. Dort herrschte einst die ewige Königin Marika. Als eines ihrer Kinder von Attentätern ermordet wurde, zerbrach der Elden Ring, eine Art Schutzzirkel, in sechs Einzelteile, die sich die verbliebenen Kinder schnappten. Daraufhin brach ein Bürgerkrieg aus und Zwischenland versank im Chaos. Als untoter Held muss der Spieler die einzelnen Ringteile finden und selbst zum neuen Eldenfürsten werden.

Voller Überraschungsmomente

Für die Geschichte hatte man sich George R. R. Martin, den Schöpfer von "Game of Thrones", mit an Bord geholt. In "Elden Ring" geht es aber deutlich fantastischer, brutaler und skurriler zu als im Lied von Feuer und Eis. Zum Beispiel, wenn sich ein Gegner plötzlich die Hand abhackt, um anschließend einen feuerspeienden Drachenkopf an seinen Stumpf zu schnallen. Es gibt im Spiel so viele Überraschungsmomente, bei denen man die Augen ungläubig aufreißt - sei es in der Story, der Open World oder eben bei Gegnern.

In "Elden Ring" überrascht auch das Gameplay. Die typischen Open-World-Strukturen gibt es zwar, sie werden aber ordentlich auf den Kopf gestellt. Quests und Nebenaufgaben sind beispielsweise nicht direkt zu erkennen. Man muss sich den Aufgaben intensiv widmen, ein Abarbeiten einer Checkliste ist nicht möglich. Als Beispiel: Man findet einen vertriebenen Adligen allein in der Wildnis und er will, dass seine Festung zurückerobert wird. Im Gespräch verrät er grob die Himmelsrichtung - das war es dann auch schon. Mit dem Kompass kann man sich dann orientieren und das mutmaßliche Ziel ausfindig machen. Weder gibt es Hinweise, dass man seinem Ziel näher kommt, noch einen eingeblendeten Marker auf der Karte. Der Spieler ist fast komplett auf sich gestellt. Ob das eigene Heldenlevel überhaupt für die Aufgabe ausreicht, erfährt man erst, wenn man da ist.

Hinter jeder Ecke kann der nächste Bossgegner lauern.

Hinter jeder Ecke kann der nächste Bossgegner lauern.

(Foto: Bandai)

So weiß man eigentlich immer nur grob, wo es hingeht. Am Firmament der einzelnen Areale von Zwischenland prangt meist in der Ferne ein großes Schloss, was bedeutet: Endboss. Der Weg dorthin ist aber nie direkt ersichtlich. So wird der Spieler dazu gezwungen, das zu tun, was Open World ausmacht: die Umgebung zu erkunden. Es gibt so viel zu Entdecken. Kleine versteckte Dungeons, Zwischenbosse, die im Wald, in Sümpfen oder Seen lauern. Und die Neugier im Spiel wird ständig belohnt - mit interessanten Begegnungen, nützlicher Ausrüstung oder einem neuen großartigen Panorama. Da der Spieler nicht an der Nase per Storyline durchs Spiel gezogen wird, besteht natürlich der Nachteil, dass einige Nebenaufgaben am Ende ungelöst bleiben.

Ein Hoch auf den gehörnten Gaul

Krieger, Samurai oder Bettler - acht verschiedene Klassen gibt es in "Elden Ring".

Krieger, Samurai oder Bettler - acht verschiedene Klassen gibt es in "Elden Ring".

(Foto: Bandai)

Zwischenland ist gigantisch groß. Jedes Areal hat seine eigene Interpretation von Leben und Einöde, wirkt friedlich, melancholisch und bedrohlich zugleich. Man hat immer das Gefühl, hinter der nächste Ecke lauert ein todbringender Feind. Mit dem Spektralross kommt nun auch ein Reittier hinzu, um große lange Distanzen zu überbrücken und riesige Sprünge hinzulegen. Mit einem Pfiff sitzt man auch schon auf. Hat man erst mal einen Zwischenspeicherstopp, die sogenannten Gnadenorte, erreicht, kann man per Schnellreise beliebig oft zu diesen Punkten kommen. Erstmals gibt es in einem FromSoftware-Spiel auch eine Landkarte für die Spielwelt, doch die wirkt wie handgemalt, enthält nur die allerwichtigsten Stopps - auch hier gibt es kaum Hinweise für den Spieler.

Beim Kampfsystem gibt es viele neue Möglichkeiten. In "Dark Souls" konnte man mit Spin-to-win noch punkten. Den Gegner zu umkreisen und dann mit einem einzigen Hieb auszuschalten - das geht kaum noch. Die KI ist dafür zu schlau. Die Kombinationen aus Parieren, Ausweichen und Attackieren sind zwar nicht auf dem Niveau des letzten FromSoftware-Titels "Sekiro", reichen aber aus, um sich abwechslungsreich und taktisch clever mit den Gegnern zu messen. Mehr Dynamik bringt auf jeden Fall die neue Sprungfunktion. So kann man von oben und nach oben attackieren. Dazu kann man in eine Schleichhaltung gehen, sich verstecken und aus dem Hinterhalt angreifen.

Mit dem Reittier ist man schnell unterwegs. Passenderweise trägt es den Namen "Sturmwind".

Mit dem Reittier ist man schnell unterwegs. Passenderweise trägt es den Namen "Sturmwind".

(Foto: Bandai)

Der heimliche Star ist das Spektralross. Auf den Gegner zureiten, dann ordentlich die Sporen geben und zuschlagen. Da das Reittier blitzschnell aus dem Nichts erscheint, kann man direkt aufsitzen und wechselt aus dem Lauf in den Galopp. Mit der Doppelsprung-Fähigkeit weicht man Attacken auf anderen Ebenen aus und in den Kampfarealen nutzt man Objekte in der Umgebung - wie umgestürzte Bäume oder Felsen- als Sprungbrett. Der gehörnte Gaul ermöglicht einfach wahnsinnig dynamische Duelle.

Das riesige Waffenarsenal lässt sich zudem mit der neuen Ressource "Kriegsasche" verfeinern. Schwerter, Äxte und Schilder bekommen so einen (zusätzlichen) Spezialangriff. Mit Windstoß, temporärem Riesenschwert bis hin zum Barrikadenschild lässt sich so Offensive und Defensive kreativer gestalten. Neben den klassischen Waffen und den Zaubern können nun Astralwesen beschworen werden, die im Kampf unterstützen. Ein Wolfsrudel, Skelettkrieger oder Ritter greifen dann aktiv ins Geschehen ein und können eine nützliche Ablenkung sein.

Schwierigkeitsgrad: ungemütlich
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FromSoftware-Spiele haben es ja immer in sich. Es gibt nur einen Schwierigkeitsgrad und der ist in der Regel brutal schwer. In "Elden Ring" ist das nicht anders. Statt Seelen verdient man mit jedem überwundenen Gegner Runen, die als Währung im Spiel funktioniert, um den Charakter aufzuleveln, Waffen zu verbessern oder Gegenstände zu kaufen. Zwei bis drei Hiebe vom Gegner und man segnet das Zeitliche - die gesammelten Runen sind dann erstmals futsch, können am Ort des Todes einmalig wieder eingesammelt werden.

Gleich zu Beginn kann man die offene Welt bestaunen und sich mit einem Hellebarden-Reiter in goldener Rüstung messen. Vorbeischleichen wäre da die bessere Variante. Denn erst in den Kämpfen stellt sich heraus, ob man mit seinem aktuellen Level überhaupt eine Chance hat. Die Angriffsmuster der Gegner zu studieren - das ist ohnehin die Voraussetzung, um Zwischen- und Endbossen überhaupt beizukommen. Anders als in den eher linearen Spielen des Entwicklerstudios kann man in der offenen Welt aber tatsächlich die Flucht ergreifen und sich zumindest zu einem Speicherpunkt retten. Der Gegner verschwindet dann zwar nicht, man behält aber seine hart erarbeiteten Runen.

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Mit den Koop-Funktionen lässt sich "Elden Ring" weniger beschwerlich gestalten. Am System hat sich wenig geändert. Mit einer halbwegs stabilen Internetverbindung kann man entweder selbst einen Marker im Spiel setzen und anderen Spielern bei Kämpfen gegen Endbosse helfen oder selbst Hilfe eines anderen Helden anfordern. Das kann man machen, aber das Gefühl, einen schweren Boss besiegt zu haben, verliert dann an Gewicht. Und diese ganz besondere Gamer-Belohnung will man in FromSoftware-Spielen eigentlich nicht teilen.

Der düstere Panoramablick ist an der Tagesordnung.

Der düstere Panoramablick ist an der Tagesordnung.

Optisch kann "Elden Ring" auch punkten, allerdings mit Abstrichen. Das Spiel sieht sensationell gut in seiner Levelgestaltung aus, Tag-Nacht-Zyklus sowie dynamische Wetterwechsel sorgen für ein überraschend lebendiges Zwischenland. Allerdings merkt man, dass die Entwickler noch auf eine Engine setzen, die schon auf der Playstation 3 zum Einsatz kam. Aus der Ferne wirkt alles super stimmig, geht es in die Details der Texturen, ist da nichts Bahnbrechendes mehr dabei. Das hat dann immerhin den Vorteil, dass es grafisch wenig Unterschiede zwischen Konsolen der alten und neuen Generation gibt. Lediglich die Ladezeiten dauern bei PS4 und Xbox One deutlich länger.

Zu mäkeln gibt es aber wirklich wenig. Mit "Elden Ring" gelingt FromSoftware ein Meisterwerk, weil es den Ansatz der Souls-Spiele perfekt transportiert, die Formel der Open-World-Spiele gleichzeitig neu interpretiert. Von Charakterentwicklung, die Bewegung in der Welt bis zum Schreiben seiner eigenen "Elden Ring"-Geschichte wirkt alles viel freier. In Open-World-Spielen kann schnell eine Müdigkeit und träge Routine bei Aufleveln der Heldenfigur entstehen. Das ist hier nie der Fall, da man seine eigenen Geschichten in Zwischenland schreibt und die Bosskämpfe ordentlich Frust-, aber auch Suchtpotenzial haben.

Quelle: ntv.de

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