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Ist das noch ein Videospiel? "Senua's Saga: Hellblade II" ist ein albtraumhaftes Meisterwerk

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Senua wird von der Schauspielerin Melina Juergens verkörpert.

Senua wird von der Schauspielerin Melina Juergens verkörpert.

(Foto: Xbox)

Die mittelalterliche Welt der Nordmänner ist rau und teilweise brutal. Gepaart mit Fantasyelementen wird sie zum Schauplatz von "Senua's Saga: Hellblade II". Im Zentrum steht eine keltische Kriegerin, die an Psychosen und Angstzuständen leidet - harter Tobak für ein Videospiel, das dennoch beeindruckt.

Die Stimmen im Kopf von Senua sind mal laut, mal leise - aber immer da. Die an Psychosen und Schizophrenie leidende keltische Kriegerin bekommt von den Entwicklern Ninja Theory und Xbox Games Studios ein zweites düsteres Abenteuer spendiert. "Senua's Saga: Hellblade II" zieht Spieler in die mentalen Tiefen der Protagonisten und Abgründe der mystischen Welt der Nordmänner. Das packende und gleichsam bedrückende Videospiel ist audiovisuell eine Klasse für sich. ntv.de hat den Titel für Xbox und PC getestet.

Gleich vorweg: Den Vorgänger gespielt zu haben, ist empfehlenswert. Denn in "Hellblade: Senua's Sacrifice" von 2017 wird die Protagonistin aufgebaut und genauer erklärt, welche Verluste sie ertragen, welche Opfer sie erbringen musste und warum die junge Frau mit psychischen Belastungen zu kämpfen hat. Der aktuelle Titel versucht, den Spieler zwar mit einem Erzähler und schaubildhaften Zeichnungen auf Stand zu bringen, das hätte man aber besser lösen können. Alternativ kann man sich hier eine kleine Zusammenfassung anschauen.

Engel links, Teufel rechts

Dem Spieler wird dennoch schnell klar, dass Senua mit ihren Dämonen der Vergangenheit zu kämpfen hat. Die Geschichte beginnt mit der Protagonistin als Gefangene auf einem Boot der Nordmänner. Bei stürmischer See kentert das Schiff und Senua droht zu ertrinken. Die Stimmen in ihrem Kopf, die Spieler dann auch von links und rechts ins Ohr geflüstert bekommen, spiegeln Zweifel, Ängste, aber auch Hoffnung. Engel links, Teufel rechts: immer wieder wird Senua aufgefordert, um ihr Leben zu kämpfen, oder aufzugeben.

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Dem Tod durch Ertrinken entgeht Senua, den Nordmännern schwört sie fortan Rache und will die verbliebenen schiffbrüchigen Sklaven retten. Doch das ist nur der Auftakt. Der eigentliche Plot setzt danach an und wird zu einem Schauermärchen der nordischen Mythologie. Da die Geschichte das zentrale Element im Spiel ist, soll hier jedoch nicht gespoilert werden. Nur so viel: Auf den Spieler kommen mehrere Überraschungen zu.

Senuas Geschichte ist aber - trotz sehr gutem Erzähltempo - nicht das größte Pfund in "Hellblade II", sondern die audiovisuelle Umsetzung. Die ist schlichtweg ein Meisterwerk. Was mit den Stimmen schon angedeutet wurde, zieht sich bei den Audioeffekten durchs gesamte Spiel, ist aber nur mit Kopfhörern so richtig zu erleben. Die Entwickler haben auf kleinste Details geachtet, wie etwa tropfendes Wasser in Höhlen oder kleine Schritte, die Senua zu verfolgen scheinen.

Düster und karg - mit wenigen Ausnahmen

Karge Landschaften, heiße Quellen

Karge Landschaften, heiße Quellen

Dazu kommt eine tolle Grafik, die auf der Xbos X in 4K nochmal mehr Eindruck hinterlässt. Doch auch auf der Series S imponiert die karge, teils menschenfeindlich wirkende Welt, angelehnt an die isländische Landschaft. Auch das Motion Capturing bei der Senua verkörpernden deutschen Schauspielerin Melina Juergens und die damit verbundene emotionale Mimik sind wirklich beeindruckend, gepaart mit einer starken englischen Synchronisation. Während die Welt oft trist und düster daherkommt, gibt es ermutigende Momente. Beispielsweise, wenn man die Aurora Borealis am Himmel erblickt - das wirkt das fast schon wie ein Hoffnungsschimmer.

Der Wechsel zwischen Spiel- und Zwischensequenzen ist fließend -teilweise kaschiert mit Szenenwechseln, in denen sich Senua durch enge Gesteinsspalten quetscht oder in Höhlen noch einen Felsvorsprung tiefer hinabsteigt. Dieses Element sorgt eben dafür, dass der Spielfluss nie abreißt. Dennoch wird man immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie viel Videospiel noch in "Hellblade II" drin steckt. Vielleicht ist es schon mehr ein interaktiver Film.

Man steuert die Protagonistin stellenweise durch minutenlange Schleichsequenzen, in denen man nur den linken Bewegungsstick in eine Richtung drückt und vielleicht mal die Sprint-Taste drückt. Generell sind die Gameplay-Elemente nicht wirklich ausgefeilt. In Rätselpassagen benutzt man eine Taste, um Objekte zu greifen und bewegt dann Senua zum Ziel. Um verborgene Wege freizulegen, setzt man ihre Fokus-Funktion ein, zoomt dadurch tiefer ins Bild. Auch das passiert mit einem Tastendruck, die Funktion wird aber lediglich für solche Rätseln benötigt.

Sechs Stunden durch das raue Mittelalter

Kampfsequenzen sind simpel, aber spektakulär inszeniert.

Kampfsequenzen sind simpel, aber spektakulär inszeniert.

(Foto: Xbox)

Die Kämpfe sind in "Hellblade II" ebenfalls nicht sonderlich einfallsreich: Ausweichen oder Blocken im richtigen Moment, dann zuschlagen. Die Angriffsmuster der Gegner sind durchschaubar, sodass die Auseinandersetzungen mit Nordmännern und anderen Wesen keine große Herausforderung darstellen. Umso imposanter sind die Duelle mit dem Schwert dafür in Szene gesetzt. Die Schwertattacken sind krachende Hiebe, jeder kassierte Treffer fühlt sich vernichtend an - und jeder finale Schlag gleicht einer Hinrichtung.

Gewalt und Brutalität sind eben auch gewichtige Elemente im Spiel, um die Zeit des rauen Mittelalters zu transportieren. Zusammen mit den psychotischen Episoden Senuas, den flüsternden Stimmen in einem albtraumhaften Setting muss man sagen, dass "Hellblade II" sicher nicht jeden abholen wird.

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Die Entwickler sagen über das Spiel, dass sich viele Momente nie wie ein Sieg für Senua anfühlen sollen, sondern wie Situationen, in den die Protagonistin überlebt. Und das trifft es ganz gut, denn Erfolgsgefühle hat man bei Zocken nicht. "Puh, das war knapp" oder "Gerade noch geschafft", sind viel eher die Gedanken, die dem Spieler nach einem erfolgreichen Kampf durch den Kopf gehen. Der rund sechs Stunden lange zweite Teil der Saga hat aber viel zu bieten für Freunde von atmosphärischen und storygetriebenen Abenteuern. Das Spiel hinterlässt gewaltigen Eindruck, weil das Paket aus den zuvor beschrieben sowohl negativ als auch positiv zu wertenden Faktoren so rund ist. Bei Zweiflern entscheidet so wohl am Ende eine kleine Stimme im Kopf - oder das Bauchgefühl - ob der Titel etwas für sie ist.

Quelle: ntv.de

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