Angst vorm Dominoeffekt? Analysten beschwichtigen
23.04.2010, 13:42 UhrNach langem Zögern legt Griechenland seine Karten auf dem Tisch und bittet offiziell um die Auszahlung der Notfallhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds. Wer wird der nächste Bittsteller? Kann es für die Währungsunion noch dicker kommen?
Das Horror-Szenario einer Kettenreaktion, die andere Euro-Staaten und auch die Gemeinschaftswährung mit in die Tiefe reißt, wird der Währungsunion Analysten zufolge wohl erspart bleiben. Griechenland spiele eine Sonderrolle, weil die Wirtschaft der Hellenen deutlich schlechter dastehe als die anderer, ebenfalls hoch verschuldeter Länder wie Portugal oder Spanien, heißt es. Andere werfen jedoch die Frage auf, was wohl in einem Jahr sein mag?
"So lange Griechenland in der Währungsunion bleibt und die Staaten der Euro-Zone gemeinsam an der Lösung der Schuldenkrise arbeiten, so lange halte ich die Domino-Theorie für übertrieben", betont Unicredit-Rentenstratege Kornelius Purps.
Sönke Siemssen, Leiter Fixed Income Research der BayernLB, urteilt ähnlich. "Sobald die Hilfsgelder fließen, werden sich die Märkte beruhigen. Wir rechnen mit einem Rückgang der Spreads auf etwa 200 bis 250 Basispunkte." Aktuell liegen die Risikoaufschläge für griechische Staatspapiere mehr als doppelt so hoch wie die anderer Länder.
Der Nächste, bitte?!
Einige Börsianer warnen allerdings davor, dass sich einige Anleger sofort ein neues Opfer suchen werden, um es durch ähnliche Spekulationen in die Ecke zu drängen. "Krisen sind sequentiell, nicht parallel", betont Marktanalyst Giuseppe Amato vom Brokerhaus Lang & Schwarz. "Wenn Griechenland abgearbeitet ist, kommt der Nächste dran."
Auch sein Kollege Christian Schmidt von der Helaba beurteilt die Aussichten für Euro-Zone zurückhaltend. "Die Frage ist, inwieweit man mit den Hilfen für Griechenland einen Präzedenzfall geschaffen hat. Die Bereitschaft, auch anderen unter die Arme zu greifen, dürfte mit zunehmender Menge sinken." Cyrus de la Rubia, Rentenanalyst der HSH Nordbank, sieht die ebenfalls hoch verschuldeten Euro-Länder wie Portugal oder Spanien in der Pflicht: "Ob es zu einer Ansteckung kommt, hängt davon ab, ob diese Staaten die Finanzmärkte von ihren Sparbemühungen überzeugen können."
Alles eine Frage der Zeit
BayernLB-Experte Siemssen betrachtet die Erfolgsaussichten von Wetten gegen andere Mitglieder der Währungsunion allerdings als gering. "Denn das Risiko, zu verlieren, steigt überproportional." Schließlich stünden die anderen Euro-Ländler wirtschaftlich deutlich besser da als Griechenland. Quentin Fitzsimmons, Leiter Staatsanleihen beim Vermögensverwalter Threadneedle, verweist auf einen anderen Aspekt: "Interessant ist, dass die Spreads von Ländern wie beispielsweise Portugal und Spanien die letzte Erhöhung der Zinsdifferenzen relativ unbeschadet überstanden haben. Dies würde bedeuten, dass die Rettungsaktion zumindest kurzfristig als glaubwürdige Bremse wirkt."
Vom Eis ist die Kuh aber noch lange nicht. "Mit der Aktivierung des Notfall-Plans hat sich Griechenland ein Jahr Zeit erkauft", gibt Unicredit-Stratege Purps zu bedenken. "Unklar bleibt aber, wie die Finanzierung nach Ablauf dieser Frist aussehen wird."
Quelle: ntv.de, rts