Wirtschaft

Experten sehen Scheinsieg Aus des Verbrenner-Aus ist ein Geschenk für China

12.12.2025, 14:52 Uhr Christina-LohnerVon Christina Lohner
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Chinesische Autobauer können nun ihren Vorsprung bei E-Autos ausbauen, warnen Branchenkenner. (Foto: picture alliance/dpa)

Die EU kippt offensichtlich ihre CO2-Ziele für den Verkehr. Der deutschen Autoindustrie hilft das laut Branchenexperten nur auf den ersten Blick. Chinesischen Herstellern umso mehr.

Die CSU-Spitze kann sich bei ihrem Parteitag als Sieger für den Verbrenner feiern - das geplante EU-Verbot neuer Benziner und Diesel ist laut Kommissionskreisen vom Tisch. Autoexperten zufolge handelt es sich allerdings um einen Pyrrhussieg, wie etwa Ferdinand Dudenhöffer ntv.de sagt. "Brüssel und die Autobauer glauben, Zeit gewonnen zu haben", kritisiert der Direktor des Center Automotive Research (CAR) in Bochum. "In Wirklichkeit wird den Chinesen Zeit geschenkt, um ihre Wettbewerbsstärke weiter auszubauen."

EVP-Fraktionschef und CSU-Präsidiumsmitglied Manfred Weber hatte der "Bild"-Zeitung gesagt: "Bei Neuzulassungen ab 2035 soll nun statt 100 Prozent eine 90-prozentige Reduktion des CO2-Ausstoßes für die Flottenziele der Automobilhersteller verpflichtend werden." Auch ab 2040 wird es Weber zufolge kein 100-Prozent-Ziel geben.

Auch Branchenkenner Frank Schwope gibt zu bedenken, "das Aus des Verbrenner-Aus hilft den deutschen Autokonzernen kurzfristig, schadet ihnen aber tendenziell eher langfristig, da weiter viel Geld in die Verbrenner investiert wird, das nicht für die Elektromobilität zur Verfügung steht. Die Chinesen hingegen werden weiter stark auf die Elektromobilität setzen." Nach Einschätzung des Lehrbeauftragten für Automotive Management an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) ist die Elektromobilität bei stabilen Rahmenbedingungen "das Nonplusultra". "Bei Batterien sind noch enorme Entwicklungssprünge möglich, der Verbrenner ist hingegen weitgehend ausgereizt", sagt Schwope ntv.de.

Der Vorsprung chinesischer Hersteller bei den Batterien - die bei E-Autos einen entscheidenden Teil der Wertschöpfungskette bilden - dürfte sich nun weiter vergrößern. Dabei müssten die deutschen Autobauer laut dem Branchenexperten Stefan Bratzel insbesondere bei der Batteriezelle dringend aufholen, um auch in Zukunft den Weltmarkt anführen zu können. "Das Wichtigste für die deutsche Autoindustrie ist, wieder vor die technologische Welle zu kommen", sagte Bratzel im Gespräch mit ntv.de. "Andernfalls werden wir den globalen Wettbewerb in der Autoindustrie verlieren." Derzeit seien deutsche E-Autos viel zu teuer für eine mit chinesischen Herstellern vergleichbare Qualität. Dringend nötig wären Innovationen und dafür Investitionen.

"China baut seine führende Technologierolle aus"

Neue Verbrennungsmotoren zu entwickeln, lohnt sich nach Dudenhöffers Einschätzung für die zehn Prozent CO2, die die Autobauer nun offenbar weniger einsparen müssen, eigentlich nicht. Doch "wenn man 2030 sieht, dass 90 Prozent nicht zu schaffen sind, wird man wieder weich werden in Brüssel und dem Druck nachgeben und dann auf vielleicht 80 Prozent gehen", prognostiziert der Branchenbeobachter. "Und was passiert in der Zwischenzeit? China baut seine führende Technologierolle aus."

China ist der weltgrößte Automarkt und setzt bereits seit Jahren voll auf die Elektromobilität. Die dortigen Kunden ziehen heimische E-Autos etwa den deutschen vor. In den USA dagegen stehen die Zeichen unter Präsident Donald Trump zurzeit wieder auf Verbrenner, unter anderem für diesen Markt sollten die deutschen Hersteller laut Schwope weiterhin auch Verbrenner anbieten können. Und "was wäre beispielsweise, wenn die chinesischen Konzerne oder die chinesische Regierung den Zugang zu Batterien unterbinden würden?", wirft der Experte ein. "Dann wäre natürlich das Geschrei groß, und alle würden fragen, warum man auf die Weiterentwicklung des Verbrenners verzichtet hat."

Global jedoch haben E-Autos den Branchenkennern zufolge das Rennen bereits gemacht. Selbst ohne ein hartes EU-Verbot neuer Verbrenner ab 2035 wird sich die Elektromobilität ihrer Einschätzung nach im kommenden Jahrzehnt durchsetzen. Der bisher schleppende Hochlauf in Deutschland dürfte durch das Aus des Verbrenner-Aus allerdings erst recht ausgebremst werden - und damit etwa auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur, ein Teufelskreis. Bratzel stellt klar: "Wir können uns nicht schützen, indem wir versuchen, Entwicklungen aufzuhalten."

Je weniger E-Autos die Hersteller verkaufen, desto weniger Stückkosten-Vorteile lassen sich zudem erzielen, sowohl von Autobauern als auch Zulieferern - eine weitere Gefahr, in dem Bereich weniger zu investieren. "Je länger wir uns mit diesen Kämpfen aufhalten und Parallelentwicklungen betreiben, desto länger halten wir uns selbst davon ab, wieder vor die technologische Welle zu kommen", warnt Bratzel.

Die Bundesregierung hatte sich zuletzt für Plug-in-Hybride und Range-Extender, bei denen kleine Verbrennungsmotoren die Reichweite erhöhen, stark gemacht. Bei diesen will die EU-Kommission nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun Ausnahmen machen. Ob diese auch für klassische Benzin- und Dieselfahrzeuge gelten, ist demnach unklar. Europaparlament und die EU-Staaten müssen den Plänen noch zustimmen.

Auch die Förderung von Plug-in-Hybriden sehen Autoexperten kritisch. Schwope zufolge sind diese "häufig eine Mogelpackung", die "zwei Systeme an Bord haben und damit Übergewicht rumschleppen". Plug-in-Hybride würden oft wie Verbrenner gefahren und nicht aufgeladen.

Markus Söder hingegen gehen die nun bekannt gewordenen EU-Pläne nicht weit genug. "Das ist ein sehr gutes Signal, wenn auch nur ein erster Schritt, denn nur zehn Prozent Verbrenner reicht noch nicht", findet der CSU-Chef. Selbst bei einem Ende des Verbrenner-Aus ist die Debatte darüber somit noch lange nicht vorbei. Dabei wäre den deutschen Autobauern mit dem Gegenteil laut Schwope viel mehr geholfen: mit langfristig stabilen Rahmenbedingungen statt einem "ewigen Hü und Hott der Politik".

Quelle: ntv.de

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