Wirtschaft

Rettungsaktion für Griechenland Barroso macht Druck

EU-Kommissionschef Barroso bringt vor dem EU-Gipfel Ende nächster Woche bewegung in die Debatte um die Notfallhilfe für Griechenland. Der Portugiese plädiert für ein neues Hilfssystem. Demnach sollen im Notfall bilaterale Kredite der Euro-Staaten möglich sein.

Jose Manuel Barroso: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher."

Jose Manuel Barroso: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher."

(Foto: dpa)

Knapp eine Woche vor dem EU-Gipfel in Brüssel schlägt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ein neues Hilfssystem für das hoch verschuldete Griechenland vor. Dazu sollten bilaterale Kredite der Euro-Staaten im Notfall eingesetzt werden, sagte der Portugiese.

Das neue Instrument sei mit den EU-Verträgen vereinbar, auch mit der Klausel, die die Übernahme von Schulden anderer Staaten verbietet. Dem Vernehmen nach könnte das neue System auch für andere klamme Staaten im Ernstfall eingesetzt werden.

Barroso forderte die EU-Staats- und Regierungschefs auf, das neue Instrument, das in den EU-Verträgen nicht vorgesehen ist, so schnell wie möglich zu vereinbaren. "Wir können nicht so weitermachen wie bisher." Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am Donnerstag und Freitag nächster Woche zusammenkommen.

Zu einer möglichen Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington sagte Barroso: "Ich möchte nicht darüber spekulieren, ob es eine finanzielle Beteiligung des IWF geben wird." Griechenlands Regierungschefs Giorgos Papandreou hatte damit gedroht, sich notfalls an den IWF wenden zu wollen, falls sich die europäischen Partner nicht auf einen Hilfsplan einigen können. Papandreou stellte bisher keine Geldforderungen an die EU.

Kreditaufnahme-Fähigkeit gefährdet

Griechenland laut Papandreou lediglich "einen Schritt" davor, keine Kredite mehr aufnehmen zu können. Es gebe jedoch große Bemühungen, diese Entwicklung umzukehren, sagte der sozialistische Regierungschef. Sein Land dürfe nicht für Jahrzehnte Wucherzinsen zahlen und auf diese Weise in eine tiefe Rezession getrieben werden.

Giorgos Papandreou beklagt die hohen Zinsen.

Giorgos Papandreou beklagt die hohen Zinsen.

(Foto: dpa)

Die Regierung in Athen will mit einem harten Sparprogramm die Neuverschuldung von zuletzt 12,7 Prozent in diesem Jahr um vier Prozentpunkte drücken. Um seine Schulden zu finanzieren, muss Griechenland dieses Jahr 53 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen. Allein bis Mai sind 20 Milliarden Euro fällig. Die Anleger verlangen derzeit kräftige Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen.

Die Euro-Länder diskutieren seit Wochen verschiedene Möglichkeiten von Hilfen für das hoch verschuldete Griechenland. Auch andere Länder - vor allem im Süden der Union - sehen sich mit zunehmenden Haushaltsproblemen konfrontiert.

Barroso rechnet mit deutscher Hilfe

Unterdessen steigt der Druck auf Deutschland, Finanzhilfen für das hoch verschuldete Griechenland freizugeben. Barroso erinnerte im Nachrichtensender France 24 daran, dass sich beim Treffen der Euro-Gruppe in Brüssel alle Länder willig gezeigt hätten, Griechenland auf Anfrage zu helfen. Seine Überzeugung sei: "Deutschland steht bereit, wenn Griechenland Hilfe braucht", sagte Barroso. Bisher habe die Regierung in Athen aber keine finanzielle Unterstützung bei der EU beantragt.

Nach der griechischen Regierung drang auch der für Währungsfragen zuständige EU-Kommissar Olli Rehn auf einen Grundsatzbeschluss für einen Notfallplan beim Gipfel. Die EU müsse in der kommenden Woche "einen europäischen Rahmen für koordiniertes und konditioniertes Handeln" schaffen, falls Griechenland Hilfe brauche, sagte Rehn in Brüssel. Die europäischen Staats- und Regierungschefs treffen sich am Donnerstag und Freitag kommender Woche.

"Lösung statt Finanzierung von Krisen"

In diesem Zusammenhang forderte Italiens Notenbankchef Mario Draghi einen neuen Euro-Stabilitätspakt, um bei Schuldenkrisen einzelner Staaten besser gerüstet zu sein. Der Kernpunkt von Draghis Konzept ist eine gemeinsame europäische Wirtschaftsregierung, die die Einhaltung des Pakts überwachen und mehr Finanzdisziplin und umfassendere Strukturreformen durchsetzen soll. Einen von der Bundesregierung und anderen forcierten eigenen Europäischen Währungsfonds (EWF) zur Stützung von Krisenländern lehnte das Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) im "Handelsblatt" aber offenbar ab.

Mario Draghi gilt als Anwärter auf den EZB-Chefposten. Nach den jüngsten Enthüllungen zu seiner Tätigkeit bei Goldman Sachs Anfang 2002 muss er seine Eignung erst nachweisen.

Mario Draghi gilt als Anwärter auf den EZB-Chefposten. Nach den jüngsten Enthüllungen zu seiner Tätigkeit bei Goldman Sachs Anfang 2002 muss er seine Eignung erst nachweisen.

(Foto: REUTERS)

"Wir können nicht glauben, dass ein europäischer Fonds tatsächlich das Problem löst. Ich würde nicht mit der Finanzierung von Krisen beginnen, vielmehr mit der Lösung von Krisen", sagte der Italiener. Damit die Investoren an den Finanzmärkten bereit seien, Defizitsündern wie Griechenland Mittel in ausreichendem Umfang zur Verfügung zustellen, müsse es einen "gut ausgearbeiteten Identifizierungs- und Eingriffsprozess" geben, forderte Draghi.

Um Schuldenländer bereits frühzeitig an die Kandare zu nehmen, damit von ihnen keine Probleme für den Euro und die Währungsunion ausgehen können, plädierte Draghi für härtere Strafen, als sie derzeit vorgesehen sind. "Ich denke, dass wir strengere Regeln brauchen, bei denen jede Abweichung von den Regeln oder jeder Gebrauch von Finanzmitteln, die nicht vom Markt kommen, einen finanziellen und politischen Preis hat, der deutlich höher ist als heute."

Anwärter auf Chefposten

Draghi arbeitet als Chef des FSB an einer effizienteren Bankenregulierung. Er gilt als Hauptkonkurrent von Bundesbankchef Axel Weber für die Nachfolge von EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Der Präsident der Notenbank wird sein Amt 2011 abgeben. Das langjährige Verschleierung des Haushaltsdefizits von Griechenland hatte jüngst auch Draghi in Erklärungsnot gebracht. In seine Amtszeit bei seinem vorherigen Arbeitgeber Goldman Sachs fiel die mutmaßliche Beteiligung der Investmentbank an undurchsichtigen Finanztransaktionen.

Goldman Sachs hat in der Amtszeit von Draghi die Ausgabe von Griechenland-Anleihen im Wert von insgesamt 15 Mrd. Dollar zum Teil federführend begleitet. Draghi stieß im Januar 2002 zur Bank und war als stellvertretender Verwaltungsratschef in London Bank zuständig für das Geschäft mit "Staaten und staatlichen Agenturen".

Quelle: ntv.de, wen/dpa/rts/AFP

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