
Ein neuer Rekord: Apple ist das erste Unternehmen der Welt, das drei Billionen Dollar wert ist. Für Anleger sind das erst einmal gute Nachrichten - doch wenn immer weniger Unternehmen mehr Wert sind, könnte das auch für ETFs zu einem Problem werden.
Apple hat in dieser Woche kurzzeitig eine Marktkapitalisierung von mehr als drei Billionen US-Dollar erreicht. Das war ein Höhepunkt für das Tech-Unternehmen, nachdem es 2021 sogar den Bitcoin an der Börse geschlagen hat. Das Unternehmen erreicht einen beispiellosen Wert - und damit auch eine Stärke auf dem Finanzmarkt, die immer größer wird. Kaum ein Anleger bleibt von dem Unternehmen verschont - ob direkt in Apple-Aktien investiert oder nicht.
Apple ist nicht das einzige Unternehmen, das in den letzten Jahren neue Dimensionen an Wert erreicht hat. Seit das von Steve Jobs gegründete Unternehmen im Jahr 2018 den Billionen-US-Dollar-Club gegründet hat, sind sechs weitere Unternehmen hinzugekommen. Dazu gehören neben dem iPhone-Hersteller auch Alphabet (Google), Microsoft, Tesla und Amazon. Meta (Facebook) überschritt Ende 2021 kurzzeitig die Billionen-US-Dollar-Marke, hat aber wieder an Wert verloren. Seit dem Börsengang des saudischen Ölkonzerns im Jahr 2019 gilt auch Saudi Aramco als Billionen-US-Dollar-Unternehmen.
Für Einzelanleger, die speziell in diese Unternehmen investieren, ist das Auf und Ab des Börsenwerts nichts Neues. Aber auch ETF-Anleger sollten die Wertentwicklung der sogenannten Big Five Tech-Unternehmen - also aller Billionen-US-Dollar-Unternehmen außer Saudi Aramco - im Auge behalten. Schließlich wird kaum ein Aktienindex ohne diese Unternehmen gebildet. "Wenn eine Komponente eines Indexes so stark gewichtet wird, ist der Index anfällig für starke Verzerrungen", sagt Finanzmarktanalyst Benjamin Feingold ntv.de.
Wenig Diversifizierung
ETFs, die vor allem aufgrund ihrer Diversifizierung als sicher gelten, werden durch den starken Aufstieg der Big Five immer weniger diversifiziert. Insbesondere, aber nicht nur, wenn ein ETF sehr technologielastig ist - wie im Fall des bekanntesten Tech-Depots NASDAQ 100 Index. Mehr als 35 Prozent des Vermögens aller Nasdaq 100 ETFs sind in nur fünf Unternehmen investiert: Apple, Microsoft, Amazon, Tesla und Meta Platforms. Das Gleiche gilt für den MSCI World Information Technology Index. Die zehn wertvollsten Unternehmen im Index sind laut Schätzungen von Branchenverfolgern mit mehr als 50 Prozent gewichtet. Damit bleibt die andere Hälfte für 178 Unternehmen übrig.
Aber auch andere Indexfonds, die eigentlich global aufgestellt sind und nicht auf einzelnen Sektoren basieren sollten, werden häufig von den Big Five dominiert. Der amerikanische Standard & Poor's 500 ist ein Index, der die 500 größten US-amerikanischen Unternehmen abbilden soll. Doch auch hier machten laut "Quartz" die fünf größten Unternehmen im Index - Apple, Microsoft, Amazon, Meta Platforms und Alphabet - Ende 2021 23 Prozent des Index aus.
Vor allem passive Anleger wissen oft nicht, dass sie eigentlich in ETFs investieren, die von einem Schock auf dem Technologiemarkt stark betroffen wären. Selbst eine einzige schlechte Nachricht aus der Google- oder Microsoft-Welt hätte einen massiven Einfluss auf die Indexentwicklung.
Ein Teufelskreis zwischen Markt und Anleger
Dabei sollen ETFs genau vor dieser Votalität am Markt verschont bleiben. Im Zuge der Finanzkrise sind ETFs aus diesem Grund populär geworden. Und sie haben sich bewährt: Die Sicherheit, eine ganze Branche abzubilden, und die breite Positionierung der Anlagen haben inzwischen auch die Corona-Krise überstanden. So ist der ETF-Markt in den letzten Jahren gewachsen - immer mehr Geld wird in Aktienindizes statt in den traditionellen Markt investiert.
Das bringt aber auch Probleme mit sich. Nicht nur die Indizes werden von Billionen-US-Dollar-Unternehmen beeinflusst. Indirekt trägt auch das rasante Wachstum des ETF-Marktes in den vergangenen Jahren zum immer stärker werdenden Einfluss der Big Five in den Indizes bei. Das liegt daran, dass passive ETF-Anleger automatisch mehr in Schwergewichte wie etwa Apple investieren, wenn der Börsenwert des Unternehmens steigt. Denn ETFs bilden Indizes 1:1 nach und investieren entsprechend mehr in Aktien, die steigen und an Wert gewinnen. "Das hat einen trendverstärkenden Effekt an den Börsen", sagt Feingold.
Hinzu kommt: Ein ETF kann nur hundert Prozent verteilen. Das heißt, wenn die Kapitalisierung von Apple um zwei Prozent steigt, verlieren ein oder mehrere Unternehmen irgendwo im Index insgesamt zwei Prozent ihres Wertes in diesem Index. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Big Five passiv über ETFs immer mehr an Wert gewinnen, während kleine Unternehmen an Bedeutung im Index verlieren. "Das sind nicht unbedingt die wachstumsstärksten Unternehmen, sondern einfach die stärksten", sagt Feingold.
Kann Apple noch weiter steigen?
Natürlich haben die Aktienkurse dieser fünf Unternehmen in den letzten zwei Jahren zu unglaublichen Gewinnen geführt. Die Corona-Krise hat auch den Technologiesektor wieder gestärkt. Aus der Sicht eines Anlegers ist die starke Gewichtung von Tech-Firmen nicht unbedingt eine schlechte Sache. "Tatsächlich ist der größte Teil der Gewinne des S&P 500 in den letzten zehn Jahren auf das Wachstum von Unternehmen wie Apple und Amazon zurückzuführen", sagt Jo Seldeslachts, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte am DIW Berlin, ntv.de. "Mit anderen Worten: Ohne diese Unternehmen wären die Zuwächse des S&P500 deutlich geringer ausgefallen."
Apple wird inzwischen fast wie ein Bond-Ersatz gehandelt. Die Frage ist jedoch, ob das für immer so bleiben wird. In der Tat ist das Unternehmen besonders anfällig für eine der größten Sorgen für 2022: die Inflation. Im Gegensatz zu Software- und Internetunternehmen besteht das Hauptgeschäft von Apple im Verkauf physischer Hardwareprodukte. Die Gewinne von Apple werden also zurückgehen, wenn die Lohn-, Versand- und Rohstoffpreise steigen. Die anderen Big Five wie Amazon, Microsoft und Tesla sind ebenfalls von diesem Problem betroffen.
Darüber hinaus hat Apple wenig Spielraum für Preiserhöhungen. Im Vergleich zur Konkurrenz liegt das iPhone oder der iMac bereits im oberen Preissegment. Die Möglichkeit, die Preise zu erhöhen, um die steigenden Fixkosten auszugleichen, ist bei Apple daher begrenzt.
Feingold sieht aber noch ein weiteres Problem, das in den nächsten Jahren mehrere Big-Five-Unternehmen treffen könnte: "Sie alle haben sich ein Quasi-Monopol aufgebaut." Viele dieser Unternehmen haben in den USA bereits Monopolklagen am Hals. So hat beispielsweise das Videospielunternehmen Epic Games Apple verklagt, weil es 30 Prozent der sogenannten In-App-Käufe abkassiert. Auch Microsoft und Facebook werden von der Kartellbehörde nicht verschont. "Ich sehe die Regulatorik als großes Problem für die großen US-Tech-Unternehmen", sagt Feingold. Das könnte in Zukunft für einen Schock auf dem Tech-Markt sorgen - der dann durch passive ETF-Investments in die größten Unternehmen verstärkt wird.
Quelle: ntv.de