Wirtschaft

Kostenexplosion oder "Aprilscherz"? Brandenburg dementiert BER-Kostenschock

Den Betriebsstart im Jahr 2016 halten Experten für "akut gefährdet": das Hauptterminal des neuen Berliner Hauptstadtflughafens BER in der Frontalansicht.

Den Betriebsstart im Jahr 2016 halten Experten für "akut gefährdet": das Hauptterminal des neuen Berliner Hauptstadtflughafens BER in der Frontalansicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die neuen Enthüllungen am Hauptstadtflughafen übersteigen die Vorstellungskraft jedes privaten Häuslebauers: An der Großbaustelle fehlt angeblich noch immer der Überblick. Sogar der Abriss stehe zur Debatte, heißt es. Die Bauherren weisen zumindest die Zahlen als übertrieben zurück.

Die Kosten für den neuen Berliner Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BER) steigen einem Zeitungsbericht zufolge womöglich um weitere 2 Milliarden auf bis zu 8 Milliarden Euro. Auf diese Summe taxiere inzwischen unter anderem das zuständige Fachreferat im Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg die Aufwendungen, berichtete die "Bild"-Zeitung.

Unter Berufung auf nicht näher benannte Quellen hieß es zudem, der Flughafen dürfte voraussichtlich nicht vor 2017 eröffnet werden können. Grund seien gravierende Mängel. Es werde sogar erwogen, den Flughafen komplett neu zu bauen. Ein Sprecher des Flughafens wollte sich nicht zu den Gerüchten äußern.

Der Vize-Aufsichtsratschef des neuen Hauptstadtflughafens, Rainer Bretschneider, wies den Bericht über eine weitere Kostenexplosion zurück. "Ich würde sagen: Aprilscherz", sagte Bretschneider wörtlich. "In den Aufsichtsratsunterlagen stehen nirgendwo solche Zahlen." Nach dem inzwischen eineinhalb Jahre alten Kostenplan werden Baukosten von 4,3 Milliarden Euro fällig. Dass die Summe auf mehr als 5 Milliarden Euro steigen könnte, dementiert aber inzwischen niemand mehr. Auch dass die Kosten auf die erwähnte Summe von 8 Milliarden Euro steigen, scheint möglich. Schließlich stammt diese Zahl nicht aus den von Bretschneider erwähnten "Aufsichtsratsunterlagen", sondern angeblich aus dem Landeswirtschaftsministerium Brandenburgs.

Dort allerdings kann man mit den Angaben der "Bild"-Zeitung ebenfalls nichts anfangen. Das Land Brandenburg - neben dem Land Berlin und dem Bund einer der drei Eigentümer der Flughafengesellschaft - wies die Angaben über eine angebliche Kostensteigerung zurück. "Wir haben keine Unterlagen, aus denen die Kosten hervorgehen", sagte der Sprecher des Brandenburger Wirtschaftsministeriums, Steffen Streu.

Das Begehren des Volkes nicht erreichbar? Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

Das Begehren des Volkes nicht erreichbar? Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er wolle nicht spekulieren, ob es sich bei der Meldung tatsächlich um einen "April-Scherz" handele. Auch in Kreisen der übrigen BER-Eigentümer hieß es: "Für die Zahlen gibt es keine belastbare Grundlage. Wir haben keine Erkenntnisse, dass es eine solche Kostenexplosion geben kann." Eigentümer der Flughafengesellschaft sind Berlin und Brandenburg zu je 37 Prozent sowie der Bund zu 26 Prozent.

Bauen im Blindflug

In dem fraglichen Bericht hatte das Blatt weitere dramatische Missstände geschildert. Bislang gebe es keine Baudokumentation, hieß es. Daher sei den Verantwortlichen weiterhin nicht bekannt, was, wo und wie gebaut wurde. Die Planabweichungen seien so gravierend, dass eine Reparatur oder ein Umbau nicht genüge. Es existiere keine Übersicht über Umbauplanungen. Die meisten Daten und Kosten, die BER-Chef Hartmut Mehdorn nenne, basierten auf puren Schätzungen.

Ganz unplausibel wirken die Angaben nicht. Tatsächlich sind die Kosten in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, mehrere geplante Eröffnungstermine konnten nicht eingehalten werden. Ursprünglich vorgesehen war ein Eröffnungstermin Ende 2011, die Kosten sollten bei 2,5 Milliarden Euro liegen.

Erst zu Wochenbeginn hatte ein Zugeständnis bei den Nachtflugbeschränkungen neue Hoffnungen auf eine baldige Eröffnung geweckt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke rückte von einer ursprünglich geforderten Ausweitung des Nachtflugverbotes am neuen Hauptstadtflughafen ab.

Nachtruhe von zwölf bis sechs?

Statt drei Stunden wolle Brandenburg als Kompromiss nun noch eine Stunde Nachtruhe mehr durchsetzen - von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr, erklärte der SPD-Politiker. Die von einem erfolgreichen Volksbegehren verlangte Ausweitung der Nachtruhe von 22.00 bis 6.00 Uhr sei nicht erreichbar, sagte Woidke. In Brandenburg wird im September ein neuer Landtag gewählt.

Die Miteigentümer des Flughafens, neben Brandenburg der Bund und Berlin, sähen die Wirtschaftlichkeit des Flughafens durch die im Volksbegehren verlangte Ausweitung gefährdet. Nach einem höchstrichterlich bestätigten Planfeststellungsbeschluss gelte ein Nachtflugverbot von Mitternacht bis 5.00 Uhr. Brandenburg will seinen Kompromissvorschlag bei der Gesellschafterversammlung am 7. April einbringen.

Woidkes Vorschlag lautet: "Die Flughafengesellschaft verzichtet freiwillig mit Zustimmung der Gesellschafter auf den Gebrauch der Betriebsgenehmigung von 5 Uhr bis 6 Uhr." Dies soll in einem auf fünf Jahre angelegten Modellversuch erfolgen. "Ich hoffe auf die Einsicht, dass ein Kompromiss die Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander am Flughafen ist", sagte der Ministerpräsident.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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