Droht eine neue Finanzkrise? "Deutschland beherzigt Lehren aus 2008"
13.03.2020, 21:14 Uhr
Ist das Bankensystem zwölf Jahre nach der Weltfinanzkrise immun gegen einen Absturz der Weltwirtschaft?
(Foto: Boris Roessler/dpa/Archivbild)
Panikverkäufe an den Börsen weltweit erinnern an die Krise 2008. Die Sorgen, dass aus der Coronakrise eine neue Finanzmarktkrise werden könnte, wachsen. Die USA scheinen gewappnet, aber Europa? "Europa hat Fehler gemacht", sagt Berenberg-Chefvolkswirt Schmieding. "Aber auch dazugelernt."
ntv.de: Die US-Notenbank Fed hat nach dem größten Kurssturz seit 1987 die Bazooka ausgepackt. Die amerikanischen Währungshüter stellen 1,5 Billionen Dollar an Liquidität für Banken zur Verfügung. Die Börsen hat das beruhigt. Ist das ein Draghi-Effekt wie im Jahr 2012?
Holger Schmieding: Nein, das ist kein Draghi-Effekt. 2012 hatten wir eine Finanzmarktkrise. Dieses Problem konnte die Notenbanken lösen. Einen Schock für die Realwirtschaft können Zentralbanken nur abfedern. Sie können nicht verhindern, dass das Coronavirus die Realwirtschaft infiziert. Die Wirtschaftsprobleme werden uns begleiten, bis wir die Pandemie im Griff haben.
Die Aktion der Fed war nicht mit den anderen Notenbanken abgesprochen. Warum dieser Alleingang bei einem weltumspannenden Problem?
Das war keine böse Absicht, sondern eher dem Zeitunterschied geschuldet. Wenn eine Notenbank handeln will, handelt sie und wartet nicht. Eine Koordination wäre gut gewesen, aber wegen der Zeitzonen schwierig. Und die Problemlage ist unterschiedlich.
Die Fed pumpt zehn Mal mehr in die Märkte als die EZB an Anleihenkäufen angekündigt hat. Marktbeobachter hatten sich mehr von der EZB erwartet. Sind die Europäer im Kampf gegen die Corona-Folgen für die Wirtschaft zu lasch?
Die Maßnahmen der Fed und der EZB lassen sich nicht gut vergleichen, weil das Volumen der EZB davon abhängt, wie viel die Banken von den Liquiditätsspritzen in Anspruch nehmen möchten. Das kann viel, das kann aber auch wenig sein. Und erst die Nachfrage wird den Bedarf ausdrücken.
Die amerikanischen Banken haben sich von der Finanzkrise erholt. Das kann man von den europäischen Finanzinstituten nicht behaupten. Hat Europa nichts aus der Finanzkrise gelernt?
Doch. Europa hat zwar unmittelbar nach der Finanzkrise den Fehler gemacht, die Geldinstitute nicht sofort energisch aufzupäppeln, so wie das in den USA der Fall war. Dort haben die Steuerzahler mit ihren Beteiligungen an Banken sogar noch viel Geld verdient. Da die Banken schneller rekapitalisiert wurden, ist das Bankensystem in den USA heute in besserer Verfassung. Aber Europa hat durchaus gelernt, dass man eine Finanzkrise möglichst verhindern muss. Das deutsche Paket heute mit umfangreichen Kreditgarantien zeigt, dass Deutschland diese Lehre auch beherzigt.
Wie unterscheidet sich die Krise heute von der Krise 2008? Ist die Welt wirklich vor einer Finanzmarktkrise gefeit?
Es entwickelt sich diesmal keine Finanzkrise. Unsere Banken - auch die europäischen - sind in viel besserer Verfassung als 2008. Dennoch kämpfen die Finanzinstitute mit Problemen, die sich vielfach aus nicht ausreichend angepassten Geschäftsmodellen ergeben. Die Zentralbanken, die Bankenaufsicht und die Einzelstaaten grenzen das Risiko einer neuen Finanzkrise aber ein. Im Notfall müssen diese Institutionen nachlegen. Aber damit lässt sich eine neue Krise abwenden.
Mit Holger Schmieding sprach Diana Dittmer
Quelle: ntv.de