Peking rechtfertigt Yuan-Aufwertung China kämpft gegen Inflation
30.12.2010, 10:41 UhrChinas Notenbank hält die schrittweise Aufwertung des Yuan für unausweichlich. Angesichts der steigenden Inflation und des kräftigen Wirtschaftswachstums ist das nachvollziehbar - denn auch das soziale Konfliktpotenzial nimmt stetig zu.
Die schrittweise Aufwertung der chinesischen Währung Yuan tut nach Einschätzung der Zentralbank der Wirtschaft gut. "Die positiven Folgen der chinesischen Yuan-Reform für die heimische Wirtschaft überwiegen die negativen Einflüsse", sagte der Chef der Statistikabteilung, Sheng Songcheng, dem hauseigenen Blatt "Financial News". Der Yuan-Kurs ist seit Juni um rund drei Prozent im Vergleich zum Dollar gestiegen, nachdem die Bindung an die US-Währung gelockert wurde.
Einer Umfrage der Zentralbank zufolge unter mehr als 7000 Industrie- und Exportunternehmen habe das die Importkosten gedämpft. "Wenn wir zulassen, dass der Yuan um drei Prozent im Jahr zum Dollar aufwertet, kann das die Importe um 0,3 Prozent ankurbeln, die Exporte um 0,6 Prozent drosseln und den Handelsüberschuss um sechs Prozent senken", sagte Sheng. Auch die Inflation sei um etwa einen Prozentpunkt gedämpft wurden, weil der stärkere Yuan Einfuhren verbilligt.
Händler rechnen damit, dass der Yuan im kommenden Jahr um etwa sechs Prozent aufwertet. Sie gehen davon aus, dass die Regierung versucht, damit die hohe Inflation zu dämpfen. Die Teuerungsrate liegt mit 5,1 Prozent auf dem höchsten Wert seit mehr als zwei Jahren.
China hält den Yuan-Kurs durch die Kopplung an den Dollar künstlich niedrig, um sich Handelsvorteile zu verschaffen. Exporte werden zwar so billiger - doch es gibt auch Nachteile. So verteuern sich beispielsweise Einfuhren - das sorgt für Inflationsdruck.
Sozialer Sprengstoff
Damit nimmt in China das Konfliktpotenzial zu, da die steigenden Preise vor allem die einfachen Leute treffen. "Alles wird teurer, besonders Obst und Gemüse", klagt die 62-jährige Zhang Li. "Der Preis für Weißkohl hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr verdoppelt - und das, obwohl die Behörden schon den Preis kontrollieren." Sonst wäre das Gemüse sogar viermal so teuer wie heute, wie die Rentnerin aus der Zeitung weiß: "Alle schimpfen." Besonders jetzt, wo sich die Chinesen gewöhnlich für den Winter mit Weißkohl eindecken. Aber auch Speiseöl, Getreide, Zucker, "ja selbst Sonnenblumenkerne sind teurer geworden".
Das Nationale Statistikamt in Peking gibt ihr Recht: "Die Preise sind über die Erwartungen hinaus gestiegen", sagt Sprecher Sheng Laiyun. Im November stiegen die Verbraucherpreise um 5,1 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 28 Monaten. Da Nahrungsmittel um 11,7 Prozent und allein Obst um 28 Prozent teurer wurden, sind die Auswirkungen für den Geldbeutel der überwiegenden Masse der Wenigverdiener in China dramatisch. "Wer kann das alles noch bezahlen?", fragt Zhang Li kopfschüttelnd. "Für die Reichen ist das kein Problem. Aber was sollen wir machen?"
Die Einkommenskluft steigt - die Unruhe unter den Chinesen ist nicht nur auf den Märkten zu spüren. In einer Schule in Liupanshui in der Provinz Guizhou in Südchina randalierten Schüler in der Kantine und schlugen Fenster ein, um gegen höhere Preise für ihre Schulspeisung zu protestieren, wie Staatsmedien berichteten. Der kommunistischen Führung ist das soziale Konfliktpotenzial nicht erst seit dem Volksaufstand von 1989 bewusst, als hohe Inflation und Korruption den Nährboden für die Demokratiebewegung legten, die das Militär blutig niederschlug.
Leitzins steigt
Auf der jährlichen Wirtschaftskonferenz, die den Kurs für das neue Jahr festlegte, vereinbarten Chinas Führer gerade erst, "die Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus stärker in den Mittelpunkt zu rücken". Wegen Anzeichen einer Überhitzung der in diesem Jahr voraussichtlich um 9,9 Prozent wachsenden Wirtschaft erwarten Experten neue Zinserhöhungen und eine Drosselung der bisher massiven Kreditvergabe. Allein im November wurde der Reservesatz für Bankeinlagen dreimal erhöht. Den Leitzins hatte die Zentralbank im Oktober zum ersten Mal seit drei Jahren angehoben.
Die Wirtschaftskonferenz warnte, "nicht blindlings hohes Wachstum zu verfolgen". Die Beschäftigung und der Lebensstandard der Menschen sollen gesteigert werden. "Kredite sollten in die Realwirtschaft fließen, besonders in den landwirtschaftlichen Bereich und an kleinere Unternehmen", forderte die Regierung, nachdem das Geld in den vergangenen zwei Jahren meist an Staatsunternehmen gegangen war und vor allem in Spekulationen mit Immobilien und Aktien strömte.
Die chinesische Führung hatte angekündigt, 2011 von der "vergleichsweise lockeren" Geldpolitik zu einem vorsichtigen Kurs umzuschwenken. Konjunkturprogramme und die große Kreditgießkanne hatten die Auswirkungen der Krise recht gut aufgefangen. Ende November war das Jahresziel für neue Kredite von 7,5 Billionen Yuan (840 Mrd. Euro) schon erreicht. Im neuen Jahr sollen es maximal 7 Billionen Yuan werden, glauben Experten.
Denn nicht nur Nahrungsmittelpreise steigen, sondern auch Wohnungs- und Haushaltskosten, Rohstoffpreise und Ausgaben im Gesundheitswesen. "Die Kombination von billigen Krediten, einer Immobilienblase in vielen Städten und einer Verschlechterung der strukturellen Inflation spricht insgesamt für höhere Zinsen, um das Wachstum abzukühlen und zu verhindern, dass sich die Inflation weiter verschlimmert", sagte Ben Simpfendorfer, China-Ökonom der Royal Bank of Scotland.
Den Chinesen wird es nur ein schwacher Trost sein, wenn die Preise künftig nicht noch stärker steigen. Denn trotz aller Bemühungen zur Preisstabilisierung rechnen viele Experten 2011 unverändert mit einer Inflation von vier bis fünf Prozent. Und die Akademie der Sozialwissenschaften erwartet im neuen Jahr ein unvermindert rasantes Wachstum von zehn Prozent.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa