Wirtschaft

Konzerne unter Kartellverdacht Deutsche Autobauer müssen viel erklären

Von den Vorwürfen sind fünf große Autobauer betroffen: BMW, Daimler, Audi, Porsche und VW.

Von den Vorwürfen sind fünf große Autobauer betroffen: BMW, Daimler, Audi, Porsche und VW.

(Foto: dpa)

Die Abgasaffäre war nur der Anfang: Die fünf großen deutschen Autokonzerne sollen Selbstanzeige wegen geheimer Absprachen erstattet haben. Verbände und Politik fordern entrüstet Konsequenzen. Ein neuer Bericht entlastet Daimler teilweise.

Der Kartellverdacht mit möglichen Schäden für Kunden und Zulieferer erhöht den Druck auf die deutschen Autobauer, die schweren Vorwürfe möglichst rasch aufzuklären. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert die Branche in der "Welt" zu Transparenz auf: "Wir verlangen eine vollumfängliche Aufklärung der Vorgänge. Klar ist, dass das deutsche und europäische Kartellrecht nicht verletzt werden darf und Absprachen zu Lasten von Verbrauchern sowie des Klima- und Umweltschutzes völlig inakzeptabel wären." Der Gewerkschafter ist auch Mitglied des Volkswagen-Aufsichtsrats.

VW St.
VW St. 103,20

Der "Spiegel" hatte über ein angebliches Autokartell berichtet. Demzufolge sollen Vertreter von VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler sich schon seit den 90er Jahren gemeinsam über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben. Die EU-Kommission prüft Hinweise dazu. Es könnte auch eine Verbindung zur Diesel-Affäre geben, falls es Absprachen über zu kleine Tanks für AdBlue gegeben haben sollte. Dieser Stoff kann Stickoxide aus Abgasen effizienter entfernen.

Treffen die Vorwürfe zu, steht illegales Kartellverhalten im Raum. Damit können etwa Preise gegenüber Kunden künstlich hoch gehalten oder gegenüber Zulieferern gedrückt werden. Daimler sprach von "Spekulationen", VW-Chef Müller in der "Rheinischen Post" von "Sachverhaltsvermutungen". BMW stellte mit Blick auf die AdBlue-Tanks jedoch klar: "Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichende Abgasreinigung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehmen entschieden zurück."

Daimler zog sich teilweise aus geheimen Treffen zurück

Daimler hat sich in den vergangenen Jahren einem Bericht zufolge zumindest teilweise aus den geheimen Gesprächsrunden der großen deutschen Fahrzeughersteller zurückgezogen. Grund sei das 2011 aufgeflogene Lkw-Kartell gewesen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf zwei Insider. Damit sei der Stuttgarter Konzern offenbar der einzige Hersteller gewesen, der auf das aufgeflogene Lastwagen-Kartell reagiert habe.

Daimler wurde von der EU-Kommission wegen der Teilnahme an Preisabsprachen für Lkws zu einem Bußgeld von knapp 1,1 Milliarden Euro verdonnert. Der Konzern führte dem Bericht zufolge 2011 spezielle Kartellrechts-Lehrgänge ein. In diesen haben Juristen der Belegschaft beigebracht, was erlaubt ist und was nicht. Zugleich sollen die Schwaben begonnen haben, sich aus den geheimen Treffen mit VW, Audi, Porsche und BMW teilweise zurückzuziehen.

Ob der Teil-Rückzug genügt, um Daimler vor einem neuen Bußgeld zu bewahren, ist ungewiss. Der "Spiegel" stützt seine Darstellung auf einen Schriftsatz, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbshütern eingereicht haben soll. Daimler habe ebenfalls eine "Art Selbstanzeige" hinterlegt. Das Bundeskartellamt erklärte: "Details laufender Verfahren können wir nicht kommentieren."

Auch Daimler hat Selbstanzeige bei den Kartellbehörden erstattet. Der Stuttgarter Konzern kommentierte die Informationen zu einem Teil-Rückzug nicht. Der "SZ" teilte der Konzern auf Anfrage mit, man habe ein "umfassendes Programm", um die Einhaltung des Kartellrechts zu gewährleisten. Dieses Programm werde ständig verbessert und angepasst.

Parteien fordern Konsequenzen

Wegen der Vorwürfe dringt der Betriebsrat von Volkswagen nun auf eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung. Ein Sprecher sagte: "Der Vorstand ist in der Pflicht, das Aufsichtsgremium umfassend zu informieren. Das ist bislang nicht geschehen."

Die Grünen verlangen ein Sondertreffen des Verkehrsausschusses im Bundestag. Beantragt werde "eine kurzfristig einzuladende Sondersitzung für Ende Juli", kündigte Verkehrsexperte Oliver Krischer an. Man wolle so Klarheit über die möglichen "Machenschaften des Autokartells" bekommen, die - sollten sie sich bestätigen - "ungeheuerlich" seien. SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann sprach von einer größeren Dimension der Abgasaffäre als bisher bekannt.

FDP-Chef Christian Lindner nannte den Verdacht schockierend. "Sollte sich der Kartell-Verdacht erhärten, darf diese Aushebelung marktwirtschaftlicher Prinzipien nicht folgenlos bleiben." Der Umweltverband BUND forderte "ein sofortiges Verkaufsverbot für alle Pkw, welche Grenzwerte auf der Straße nicht einhalten".

Quelle: ntv.de, nsc/dpa

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