Boom als Bumerang Deutschland - Verlierer in der Krise?
24.03.2009, 11:54 UhrNach Jahren des Booms geht der deutschen Wirtschaft nun die Puste aus. "Man könnte sagen, Deutschland war Gewinner im Aufschwung und ist nun Verlierer im Abschwung", resümiert Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Der Boom kommt als Bumerang zurück. Vorzeigeindustrien im Export wie Autohersteller, Maschinenbauer und Chemieproduzenten ächzen unter der globalen Rezession. Der Einbruch Ende 2008 bedeutet einen düsteren Vorgeschmack auf das laufende Jahr. Besserung dürfte erst ein Anziehen der weltweiten Konjunktur bringen. Dies ist aber nicht in Sicht: Die Welthandelsorganisation WTO schätzt den Einbruch im Welthandel auf neun Prozent. Das wäre - wie so vieles dieser Tage - ein Nachkriegsrekord.
Über Jahre standen Produkte "Made in Germany" weltweit hoch im Kurs, die Exporteure eilten von Rekord zu Rekord und beflügelten die gesamte Wirtschaft. Die Beschäftigung kletterte auf den Höchststand von über 40 Millionen, die Arbeitslosigkeit sank erstmals seit 1992 auf unter drei Millionen. Seitdem die Finanzkrise 2008 aber endgültig zur Rezession mutiert ist, geht es bergab mit der erfolgsverwöhnten Industrie. Das Neugeschäft bricht ein, die Auftragspolster schmelzen. Statt Überstunden gibt es Kurzarbeit.
"Wir haben vom weltweiten Boom der Nachfrage nach Investitionsgütern im Aufschwung profitiert", betont der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt. "Da in diesem Bereich nun ein besonderes Problem liegt, bedeutet das für uns einen besonders starken Einbruch." Im Januar erhielten die Industriefirmen rund 46 Prozent weniger Auslandsaufträge für Maschinen und Anlagen als vor einem Jahr. "Wir sind Spezialisten für Investitionsgüter und haben deshalb eine enorme zyklische Abhängigkeit", ergänzt Carstensen vom Münchner Ifo-Institut. Deutschlands Exporteure - seit 2003 Weltmeister ihres Fachs - befürchten ein historisches Umsatzminus von bis zu 15 Prozent.
Nach der Krise stärker als vorher?
Ökonomen überbieten sich mit Horrorszenarien, Optimisten scheint es kaum noch zu geben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) befürchtet, dass die Weltwirtschaft 2009 erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg um bis zu ein Prozent schrumpft. Viele Forschungsinstitute rechnen mit einem Konjunktureinbruch allein in Deutschland um vier bis fünf Prozent, die Commerzbank befürchtet sogar ein Minus von bis zu sieben Prozent. Fachleute sehen schon das Schreckgespenst der Massenarbeitslosigkeit am Horizont mit bis zu fünf Millionen Menschen ohne Job. "Ein Großteil der materiellen Früchte des letzten Aufschwungs ist wieder aufgezehrt", sagt DIW-Experte Stefan Kooths.
Die Lage dürfte sich 2010 nur leicht stabilisieren, die Commerzbank erwartet eine "blutleere Aufwärtsbewegung". Derweil tönt das Mantra der Regierung, dass die Wirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. "Deutschland ist besser als die meisten Länder in der Lage, diese Krise zu meistern", sagt Kanzlerin Angela Merkel überzeugt.
Die Wirtschaftslobby wittert schon Morgenluft und fordert Entlastung für die Unternehmen im Steuer-, Umwelt und Energierecht. "Wir haben jetzt in der Krise die Chance, alles durchzuflöhen: was könnte uns besser machen?" sagt Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Investitionen müssten erleichtert werden. Die Firmen ließen zwar finanziell Federn, während der Staat sich mehr und mehr verschulde. Aber die Aussicht auf weniger Bürokratie, mehr Deregulierung und eine bessere staatliche Zusammenarbeit auf europäischer und globaler Ebene der G20-Länder bedeuten für Wansleben auch einen Hoffnungsschimmer. "Das hat das Potenzial, dass wir am Ende strukturell besser dastehen als jetzt."
Immerhin legten die Unternehmen zuletzt in punkto Wettbewerbsfähigkeit zu, wie der Wirtschaftsweise Schmidt betont. "Wenn sich die Krise dem Ende zuneigt, haben sie besondere Chancen, an der internationalen Arbeitsteilung auch wieder teilzuhaben." Ziehe die Wirtschaft erst einmal an, dürfte die Investitionsnachfrage aus dem Ausland "umso stärker nach oben gehen". Ifo-Experte Carstensen warnt jedoch vor zuviel Optimismus: "Deutschland wird im nächsten Aufschwung vielleicht nicht mehr den Riesenboom erleben."
Quelle: ntv.de