Deutschland backt große Brötchen Drei plus X sind nur der Anfang
09.09.2010, 15:32 UhrDas Vertrauen in Deutschlands Wirtschaftskraft wächst: Immer mehr Experten erhöhen ihre Prognosen für das laufende Jahr. Gleichzeitig wird das Land immer wettbewerbsfähiger. OECD und Bundesregierung treten aber auf die Euphoriebremse. Jetzt sind die Konsumenten gefordert.

Wettbewerbsfähigstes Land in der Eurozone, Wachstum 2010 von über drei Prozent: Deutschlands Wirtschaft mausert sich und backt wieder größere Brötchen.
(Foto: REUTERS)
Das kann sich sehen lassen: Deutschland ist zur wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaft in der Eurozone aufgestiegen. Zugleich pendeln sich die Wachstumsprognosen für die inländische Wirtschaft im laufenden Jahr bei mehr als drei Prozent ein. Ein Dämpfer der Euphorie kommt von der OECD: Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt könnten dem privaten Konsum einen Rückschlag verpassen, meint die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) legte sich ebenso wie zuvor das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) auf eine Wachstumsprognose für Deutschland im laufenden Jahr von 3,4 Prozent fest. Die Bundesregierung erwartet ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um bis zu drei Prozent - die neue Prognose soll im Oktober kommen. Genau drei Prozent hatte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht August genannt.
"In Deutschland hat sich die Konjunktur in diesem Jahr deutlich schneller erholt als in den meisten anderen Industriestaaten", urteilen die Wirtschaftsforscher vom IfW. Die Prognose für das nächste Jahr wurde auf 1,7 Prozent angehoben. Das IfW geht von einem Rückgang der Arbeitslosenzahl 2011 auf unter drei Millionen aus. "Wir erwarten, dass die deutsche Wirtschaft auch in nächster Zeit vergleichsweise robust bleibt, allerdings wird sich die Dynamik deutlich verlangsamen", heißt es in dem Bericht.
Regierung noch zurückhaltend
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wirtschaftserholung in Deutschland als "noch sehr fragil" bezeichnet und an die Arbeitgeber appelliert, im Aufschwung nicht die soziale Balance zu gefährden. "Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass zwar eine gewisse wirtschaftliche Erholung zu sehen ist, dass aber dieser Aufschwung noch sehr fragil ist", sagte Merkel nach einem Gespräch im Kanzleramt mit dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer. Es müsse alles getan werden, "um vor allem auch Arbeitsplätze zu sichern und wo immer möglich neue zu schaffen".
Zugleich warnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor zu viel Optimismus: Es sei unverantwortlich anzunehmen, dass sich die starke Entwicklung dieses Jahres 2011 ebenso fortsetzen werde. "Wenn wir im nächsten Jahr ein Wachstum irgendwo zwischen 1,5 und 2 Prozent haben, dann ist das gut und mehr, als man uns lange zugetraut hat", sagte der Minister.
Im Krisenjahr 2009 war das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 4,7 Prozent eingebrochen.
Deutschland an Europas Spitze
In Punkto Wettbewerbsfähigkeit jagten die Deutschen den Finnen den Spitzenplatz unter den Euroländern ab. Das geht aus dem Wettbewerbsbericht hervor, den das Schweizer Weltwirtschaftsforum in Peking vorlegte. Weltweit arbeitete sich Deutschland um zwei Plätze auf den fünften Rang hoch.
Die USA haben in der Krise hingegen an Konkurrenzfähigkeit verloren. Die größte Volkswirtschaft der Welt büßte auf der globalen Liste zwei Ränge ein und fiel auf Platz vier. Weltweit steht die Schweiz an der Spitze, gefolgt von Schweden und Singapur.
China verbesserte seine Wettbewerbsfähigkeit weiter und kletterte um zwei Plätze auf den 27. Rang. Die zweitgrößte Wirtschaftsnation führt damit die Schwellenländer an. Brasilien (58.) und Indien (51.) hinken weit hinterher. Die drittgrößte Volkswirtschaft in Japan stieg von Platz acht auf sechs.
Deutsche Infrastruktur top
In Deutschland sieht das Forum, das mehr als 110 ökonomische Indikatoren misst, eine Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes. Deutschland liegt vorne bei der Infrastruktur mit Faktoren wie Verkehrswege, Telefonnetze und Stromversorgung. Auch bescheinigt der Bericht eine wirksame Wettbewerbspolitik.
Deutsche Unternehmen seien sehr professionell und übernähmen schnell technische Neuerungen zur Verbesserung der Produktivität. Doch sei der deutsche Arbeitsmarkt wegen mangelnder Lohnflexibilität und des starken Kündigungsschutzes zu unbeweglich. Es müsse aber zugegeben werden, so der Bericht, "dass es geholfen hat, in der Krise die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten."
Weltwirtschaft fehlt noch Schwung
Insgesamt betrachtet kommt laut OECD die Wirtschaft der Industriestaaten langsamer als erhofft aus dem tiefsten Konjunkturtal der Nachkriegsgeschichte. In den sieben wichtigsten Industrieländern (G7) könnte das Wachstum im zweiten Halbjahr gerade einmal 1,5 Prozent betragen, teilte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris mit. Bisher war die OECD von einem Wachstum um 1,75 Prozent ausgegangen.
In der ersten Jahreshälfte wuchs das Bruttoinlandsprodukt für diese Ländergruppe noch um 2,5 Prozent. Für Deutschland sagt die OECD lediglich ein Wachstum von 0,7 Prozent fürs dritte und 1,1 Prozent fürs vierte Quartal des Jahres vorher.
Quelle: ntv.de, bad/dpa/rts