Wirtschaft

Was bedeutet "längerer Zeitraum"? EZB lässt Leitzins unverändert

Wird EZB-Präsident Draghi die Märkte aufklären?

Wird EZB-Präsident Draghi die Märkte aufklären?

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Zinsen in der Eurozone bleiben historisch niedrig. Der Rat der Europäischen Zentralbank beschließt, den Leitzins für die 17 Staaten der Währungsgemeinschaft weiter auf seinem Tief von 0,5 Prozent zu belassen. Nun wollen die Analysten vor allem wissen, wie lange die Niedrigzinsphase noch dauern wird.

Die Europäische Zentralbank lässt den Leitzins im Euroraum wie erwartet auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent. Zwar hält sich die Forderung nach noch billigerem Zentralbankgeld, weil die Wirtschaft im Euroraum noch nicht wieder Fahrt aufgenommen hat. Doch seit der Zinssenkung im Mai hat sich die Lage stetig entspannt.

Immer mehr Indizien deuten auf ein Ende der Rezession im Euroraum hin. Das macht eine weitere Lockerung der Geldpolitik unwahrscheinlicher. Auch die EZB rechnet damit, dass sich die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf allmählich erholen wird. Niedrige Zinsen sollen Investitionen anschieben und damit die Wirtschaft in Schwung bringen.

Höhere Zinsen hat EZB-Präsident Mario Draghi auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Vor einem Monat hatte er erklärt, die EZB werde ihre Leitzinsen "für längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau" halten. Welcher Zeitraum genau gemeint ist, blieb offen. Analysten sind nun gespannt, ob Draghi auf der traditionellen Pressekonferenz am Nachmittag diesen Zeitraum genauer benennen wird.

Die EZB hatte mit dem im Fachjargon Forward Guidance genannten Zinsausblick mit ihrer gängigen Praxis gebrochen, sich nicht vorab geldpolitisch festzulegen. Durch das Bekenntnis zu langfristig niedrigen Zinsen wollte die EZB klarmachen, dass ein Ausstieg aus der Politik des extrem billigen Geldes anders als in den USA noch in weiter Ferne liege. Zuletzt war aber Verwirrung aufgekommen, wie lange sich die EZB binden will. Die Auslegung von Direktor Jörg Asmussen, wonach die Zinsen länger als ein Jahr niedrig bleiben sollen, will die EZB nicht als Richtschnur gelten lassen.

Nun könnte Draghi für mehr Klarheit sorgen. Da die EZB ihre Geldpolitik an der Inflationsentwicklung ausrichtet, könnte er sein Bekenntnis beispielsweise mit der Erwartung eines gedämpften Preisdrucks in den kommenden Jahren untermauern. Zuletzt war die Inflationsrate in Deutschland auf 1,9 Prozent gestiegen, womit nach Definition der EZB hierzulande gerade noch Preisstabilität herrscht. Die EZB strebt eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent an.

Nun auch noch Weidmann

Mehr Offenheit wünschen sich unterdessen viele Beobachter auch zur Entscheidungsfindung im EZB-Rat. Die Diskussion über eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle hat wieder Fahrt aufgenommen. Nach Draghi und anderen EZB-Direktoriumsmitgliedern sprach sich zuletzt auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann für eine größere Transparenz der EZB aus.

Der oberste deutsche Währungshüter sagte dem "Handelsblatt", er würde es begrüßen, "wenn wir zeitnah nach den geldpolitischen Sitzungen des EZB-Rats Protokolle veröffentlichen würden". Anhand dieser könnten die wesentlichen Argumentationsstränge der Diskussion und die Beweggründe der Entscheidungen nachvollzogen werden. Bislang werden die Protokolle der EZB noch für 30 Jahre unter Verschluss gehalten.

Kommen die Geheimprotokolle?

Zuvor hatten sich bereits mehrere Direktoriumsmitglieder der EZB für eine Veröffentlichung der Protokolle ausgesprochen. Draghi stellte sich in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hinter den Vorschlag und kündigte an, er werde dem EZB-Rat einen entsprechenden Vorschlag machen. "Ich halte das für einen notwendigen nächsten Schritt", sagte Draghi.

Diskutiert wird demnach offenbar nur noch, in welcher Form die bislang geheimen Protokolle veröffentlicht werden können. Zudem will die EZB einem Zeitungsbericht zufolge das Regelwerk für ihre Notfallkredite veröffentlichen. Obwohl der Beschluss nach Presseinformationen bereits gefasst wurde, wollte die EZB dies bislang nicht bestätigen.

Der EZB-Rat ist das oberste Entscheidungsgremium der EZB. Er besteht aus 23 Mitgliedern - den 17 Präsidenten der nationalen Notenbanken der Eurozone, darunter Weidmann, sowie der sechsköpfigen Führungsspitze der Zentralbank, dem Direktorium.

Erst Anfang Mai hatte der EZB-Rat den Zinssatz, an dem sich auch die Zinsen für Kreditnehmer und Sparer orientieren, auf ein neues historisches Tief von 0,5 Prozent gesenkt. Anfang Juli erklärte Draghi, die Zinsen blieben auf längere Sicht niedrig.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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