Wirtschaft

Haarscharf an der Rezession vorbei Euro-Wirtschaft stagniert

Das finanzielle Zentrum Europas: Die Skyline von Frankfurt am Main.

Das finanzielle Zentrum Europas: Die Skyline von Frankfurt am Main.

(Foto: REUTERS)

Die Euro-Staaten schrammen im Frühsommer nur um Haaresbreite an der Rezession vorbei. Daten aus der europäischen Statistikbehörde belegen: Die Rettung in die Stagnation gelingt nur dank der neuen deutschen Stärke.

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Die Wirtschaft in den Euroländern tritt auf der Stelle: Dem befürchteten Abgleiten in eine Rezession ist die Eurozone im zweiten Quartal des laufenden Jahres allein durch das kräftige Wachstum ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland entgangen.

Das Bruttoinlandsprodukt stagnierte von Januar bis März im Vergleich zum Vorquartal, teilte das Statistikamt Eurostat in einer zweiten Schätzung mit. Ende 2011 war es um 0,3 Prozent gesunken. Die Definition ist eindeutig: Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Ökonomen von Rezession.

Stützend wirkte zu Jahresbeginn der Außenhandel. Während die Exporte um 1,0 Prozent zulegten, blieben die Konsumausgaben stabil. Die Importe blieben mit plus 0,1 Prozent deutlich hinter den Exporten zurück. Die Unternehmen hielten sich offenbar angesichts der wachsenden Unsicherheit über die Zukunft der Währungsunion und der schwächeren Weltkonjunktur mit ihren Investitionen zurück. Die Anlageinvestitionen der Unternehmen sanken um 1,4 Prozent und lasteten damit auf der Entwicklung.

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Die Währungsunion bleibt wirtschaftlich tief gespalten: Die Konjunkturlokomotive Deutschland schaffte trotz der Schuldenkrise mit 0,5 Prozent ein kräftiges Wachstum, weil Exporte und privater Konsum merklich anzogen. Die französische Wirtschaft, zweitgrößte Volkswirtschaft Europas und wichtigster Handelspartner Deutschlands, stagnierte.

Weitaus schlimmer sieht es in den Krisenländern aus: Die spanische Wirtschaft schrumpfte wie schon am Jahresende um 0,3 Prozent und steckt damit wieder in einer Rezession. In Italien brach das Bruttoinlandsprodukt sogar um 0,8 Prozent ein. Das war der dritte Rückgang in Folge. Auch Portugal findet nicht aus der Rezession: Hier gab es ein Minus von 0,1 Prozent.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpft. Für 2012 traut sie ihr wieder ein Wachstum von 1,0 Prozent zu.

Die Produktion schmilzt dahin

Kurz nach Bekanntgabe der Daten zur Wirtschaftsleistung der Eurozone kam ein weiteres, schwergewichtiges Konjunktursignal hinzu: In Deutschland ist die Gesamtproduktion im April deutlich stärker gesunken als von Volkswirten erwartet. Im Monatsvergleich sei die Produktion bereinigt um 2,2 Prozent gefallen, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang um 1,0 Prozent gerechnet. Zudem fiel der Anstieg im März nicht so stark wie zunächst ermittelt aus. Die Produktion stieg um 2,2 Prozent, nachdem zunächst ein Anstieg um 2,8 Prozent ermittelt worden war. Trotz des jüngsten Rückgangs war im Bundeswirtschaftsministerium von einer "sehr robusten" Produktion die Rede.

Die besonders aufmerksam beobachtete Industrieproduktion ging um 2,4 Prozent zurück. Sie wurde laut Ministerium jedoch auch durch den Brückentag vor dem 1. Mai gedämpft. Besonders deutlich war der Rückgang im Bauhauptgewerbe. Nach dem starken Anstieg im Vormonat fiel die Produktion um 6,0 Prozent. Die Produktion des Bauhauptgewerbes liegt laut Ministerium trotz des aktuellen Rückgangs oberhalb des Niveaus des ersten Quartals. Zudem habe sich die Auftragslage im Bauhauptgewerbe seit Jahresbeginn merklich verbessert.

Die Hersteller von Konsum- (minus 3,7 Prozent) und Investitionsgütern (minus 3,6 Prozent) verzeichneten im April zum Vormonat deutliche Produktionsrückgänge. Die Produzenten von Vorleistungsgütern schränkten ihre Erzeugung um 0,4 Prozent ein. Im aussagekräftigeren Zweimonatsvergleich März/April gegenüber Januar/Februar nahm die Erzeugung im Produzierenden Gewerbe preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,8 Prozent zu. Ihren Vorjahresstand überschritt die Produktion im Produzierenden Gewerbe im März/April arbeitstäglich bereinigt um 0,4 Prozent.

"Im Sommer droht die Rezession"

Analysten kommentierten die Daten aus dem Wirtschaftsministerium skeptisch. "Zwei Sondereffekte haben zum deutlichen Minus beigetragen", erklärte zum Beispiel Christian Schulz von der Berenberg Bank. "Das Baugewerbe hat nach der witterungsbedingten Aufholjagd im März diesmal zurückgesteckt, während der Brückentag vor dem 1. Mai ebenfalls die Produktion gedrückt haben dürfte." Die Euro-Krise werde die Produktion auch in den kommenden Monaten negativ beeinflussen, meinte Schulz. "Die Stimmungsindikatoren haben einen Schritt nach unten gemacht. Das wird auf die Investitionen durchschlagen. Die deutsche Industrie dürfte eine Schwächeperiode durchmachen. Ein Einbruch ist aber eher unwahrscheinlich. Zwar kühlt sich die Konjunktur in den USA und in Asien ab, aber sie wächst immer noch. Sollte die Schuldenkrise aber außer Kontrolle geraten, droht im Sommer eine Rezession."

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Andreas Scheuerle von der Dekabank meinte: "Die Abwärtsrevision des März und die deutlich enttäuschenden Produktionszahlen im April zeigen die konjunkturelle Marschrichtung auf. Sie sind zum Teil eine Gegenreaktion zum starken Vormonat, darüber hinaus deutet sich aber auch an, dass die konjunkturelle Entwicklung fragil bleibt. Wir erwarten vor dem Hintergrund der wieder aufgeflammten Schuldenkrise eine konjunkturelle Abkühlung im Sommerhalbjahr, die je nach Verlauf der Entwicklung in Südeuropa auch nochmals in eine Schrumpfung münden kann. In Deutschland und auch in den Nachbarstaaten beginnt sich eine Verunsicherung breitzumachen, die die Investitionstätigkeit lähmt."

Daten "nicht überbewerten"

"Der Rückgang der Industrieproduktion im April gibt vorerst nur wenig Grund zur Sorge", sagte dagegen VP-Bank-Analyst Bernd Hartmann. "Die deutsche Wirtschaft präsentiert sich weiterhin solide. Die erneute Schwäche der Auftragseingänge darf ebenfalls nicht überbewertet werden, sollte allerdings den Blick für das anspruchsvolle Umfeld schärfen."

Die neu aufgeflammten Sorgen über den weiteren Verlauf der Schuldenkrise sorge für eine verhaltene Nachfrage nach deutschen Produkten", schränkte Hartmann ein. Abgesehen von allen konjunkturellen Problemen in der Eurozone hätten auch die globalen Wachstumssorgen zuletzt etwas zugenommen. "Insbesondere die Entwicklung in den Schwellenländern dürfte eine wichtige Rolle für den deutschen Exportsektor spielen."

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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