Wirtschaft

Umgekrempelte Markenwelt "Europäische Autobauer können nicht anbieten, was BYD bietet"

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Den "gobalen Einheitskunden" gibt es nicht. Deshalb müssen Unternehmen in den unterschiedlichen Märkten stärker auf die lokale Bedürfnisse der Kunden eingehen, sagt Interbrand-Chefin Nina Oswald.

Den "gobalen Einheitskunden" gibt es nicht. Deshalb müssen Unternehmen in den unterschiedlichen Märkten stärker auf die lokale Bedürfnisse der Kunden eingehen, sagt Interbrand-Chefin Nina Oswald.

(Foto: IMAGO/CFOTO)

Künstliche Intelligenz krempelt die Markenwelt um. Das zeigt ein aktuelles Ranking der wertvollsten Firmennamen. So viele Neueinsteiger wie nie zuvor, extreme Ausschläge bei Tech- und Automarken. Im Interview mit ntv.de erklärt Nina Oswald, Managing Partner von Interbrand, warum deutsche Marken an Strahlkraft verlieren.

ntv.de: Sie sprechen von einer "Disruption" im diesjährigen Markenranking. Was ist diesmal anders als in den vergangenen 25 Jahren?

Nina Oswald: In den vergangenen Jahren verlief die Entwicklung recht stabil. Dieses Jahr haben wir jedoch so viele Neueinsteiger wie nie zuvor - und enorme Aufsteiger. Die Top Ten bleiben zwar weitgehend konstant, aber im Mittelfeld hat sich viel bewegt. Dort wurde das Ranking kräftig durchgeschüttelt. Etablierte Marken wurden von wachstumsstarken, neuen Marken verdrängt.

Gibt es dafür einen konkreten Grund?

KI hat eine enorme Rolle dabei gespielt. Damit können Unternehmen ihre Dienstleistungen digitalisieren, Kunden enger binden und ganz neue Geschäftsfelder erschließen, in die sie bisher nicht vordringen konnten. Sie sorgt für mehr Reichweite - und auch für neue Marken-Erlebnisse.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Besonders deutlich ist das in der Medienbranche. Marken wie Youtube, Instagram oder Netflix haben neue Betätigungsfelder gefunden und sind in den vergangenen drei Jahren um 40 Prozent schneller gewachsen als die durchschnittliche Wachstumsrate der "Best Global Brands". Netflix etwa hat seine Marke vom Streaming hin zu Gaming, Sport und sogar Live-Events ausgebaut. Die Marke wird damit zu einer erfolgreichen Erlebnisplattform.

Mussten Sie wegen der Veränderungen durch den KI-Boom Ihre Bewertungsmethode ändern?

Unsere Methode ist stabil, da sie auch stark auf Finanzanalyse basiert. Durch KI hat sich aber der Zugang zu Daten massiv verändert - wir können schneller und breiter auswerten, auch wenn wir nur öffentlich verfügbare Daten nutzen.

Im Ranking fallen extreme Ausschläge auf: Nvidia legt über 100 Prozent an Markenwert zu, Tesla verliert ein Drittel, BYD steigt neu in die Top 100 ein und landet auf Platz 90. Wie erklären Sie die Riesensprünge?

Nvidia zeigt einen kometenhaften Aufstieg: Das Unternehmen hat ein klares Alleinstellungsmerkmal mit der Fokussierung auf das Halbleiterprodukt und dominiert seinen Markt damit. Ein "Disruptor", ein Unternehmen, das durch innovative Ideen und risikobereite Ansätze die Branche umkrempelt, könnte diese Marke jedoch zunichtemachen, wenn sie nicht in langfristiges "Brand Storytelling" investiert, also nur Fakten und Slogans präsentiert statt eine Marke durch fesselnde, emotionale Geschichten zum Leben zu erwecken. Größe ist keine Markenstrategie.

BYD wiederum steht für die Zeitenwende in der Automobilindustrie: die Transformation zur Elektromobilität. Mit der fortschrittlichen Technologie und dem breiten EV-Portfolio ist BYD ein Disruptor. Gleichzeitig steht die Marke aber vor Herausforderungen beim Aufbau von Bekanntheit und Vertrauen außerhalb Chinas. Insbesondere in Europa wird dieses Wachstum ohne Investitionen in den Aufbau seiner Markengeschichte nicht aufrechtzuerhalten sein.

Die deutschen Autobauer verlieren deutlich an Wert. Ein strukturelles Problem?

Es zeigt die Transformationslücke. Mercedes liegt immerhin noch auf Platz 10, BMW auf 14 - beides sind etablierte Vorbilder für erstklassiges Markenmanagement. Aber das Ökosystem rund um Elektromobilität funktioniert bei europäischen Herstellern oft noch nicht oder wird gar nicht angeboten. Markenstärke schützt in schwierigen Zeiten, doch Geschwindigkeit und Skalierung entscheiden zunehmend über die Zukunft. Was BYD präsentiert, können die europäischen Hersteller bisher in dieser Form und Geschwindigkeit nicht abbilden.

Sie sprechen oft von "Ökosystemen" und "Erlebniswelten". Welche Marken setzen das noch besonders gut um?

Neben den bereits erwähnten Medienmarken gehören Unternehmen wie Mastercard oder Ferrari dazu. Entscheidend ist, Dynamik zu nutzen und neue Angebote zu entwickeln. Marken, die das beherrschen, wachsen überproportional - und werden krisenfester.

Erfolgreiche Marken müssten "agil und empathisch" agieren, sagen Sie. Was bedeutet das konkret?

Es gibt Marken wie Uniqlo, Booking oder Shopify, die ihre Kunden sehr genau verstehen. Sie lösen spezifische und einzigartige Probleme für ihre Kunden und schaffen emotionale Bindung. Und es gibt global agierende Marken, die davon ausgegangen sind, dass sie "globale Einheitskunden" haben. Die müssen heute wieder stärker auf lokale Bedürfnisse eingehen. Märkte haben geopolitische und kulturelle Unterschiede. Kunden wollen spezifisch angesprochen werden.

Welche Branchen haben aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren das größte Potenzial?

Die großen Tech-Unternehmen werden dominant und KI der Wachstumstreiber bleiben. Chancen haben aber auch Handelsunternehmen, wenn sie ihre Angebote emotional aufladen, differenzieren und eine Erlebniswelt schaffen. In der Autoindustrie wird spannend, wer beim Wandel zur Elektromobilität die Nase vorn behält - Tesla hinkt bei der Innovation derzeit hinterher.

Mit Nina Oswald sprach Diana Dittmer

Quelle: ntv.de

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