Abhörskandal uferlos Ex-Premier Brown bespitzelt
11.07.2011, 17:17 UhrDer Abhörskandal in Großbritannien greift immer weiter um sich. Nicht nur Prinz Charles und seine Frau Camilla, sondern auch der frühere Premierminister Gordon Brown sollen bespitzelt worden sein. Und zwar nicht von der bereits eingestellten "News of the World" sondern von der "Sunday Times" – ebenfalls ein Blatt aus dem Reich von Rupert Murdoch.
Der Skandal um das Abhören von Prominenten und Verbrechensopfern in Großbritannien weitet sich nach der Einstellung der Zeitung "News of the World" offenbar auf andere Blätter aus. Die BBC veröffentlichte Informationen, wonach sich die "Sunday Times" illegale Informationen über den früheren Premierminister Gordon Brown beschafft haben soll. Die Reporter hätten sich sowohl für Browns Bankkonten als auch den Gesundheitszustand seiner Familie interessiert. Wie der "Guardian" berichtet, war Brown zehn Jahre lang im Visier des Konzerns. Die "Sunday Times" gehört wie die "News of the World" zum Konzern von Medienzar Rupert Murdoch.
Zuvor waren Vorwürfe laut geworden, wonach auch die Telefone des britischen Thronfolgers, Prinz Charles, und seiner Frau Camilla abgehört worden sein sollen. Außerdem wurden Mitarbeiter des königlichen Sicherheitsapparates bestochen. Das teilte die Polizei dem Palast am Montag mit.
Unterdessen hat Murdoch im Poker um die milliardenschwere Komplettübernahme des britischen Fernsehkonzerns BSkyB eine weitere Karte gespielt. Um die politische Einflussmaßnahme zu verringern, zog er sein Angebot zurück, den Nachrichtensender Sky News aus dem Übernahmepaket herauszulösen. Damit musste Kulturminister Jeremy Hunt den Deal zur eingehenden Prüfung an die britische Wettbewerbskommission geben. Eine Entscheidung auf politischer Ebene ist damit kaum noch möglich.Nach Angaben Hunts wird die Prüfung durch das Kartellamt sechs Monate dauern. Sie erlaubt der Regierung immerhin, die umstrittene Übernahme zunächst einzufrieren.
London vs Murdoch
Zuvor hatte die britische Regierung versucht, ihren Druck auf den Medienmogul massiv zu erhöhen. Vize-Regierungschef Nick Clegg rief Murdoch auf, die Milliarden-Übernahme des britischen PayTV-Senders BSkyB abzublasen. "Tun Sie das Anständige und Vernünftige und überdenken Sie noch einmal Ihr Gebot für BSkyB", sagte Clegg in der BBC.
Der liberaldemokratische Politiker hatte sich zuvor mit Opfern des Abhörskandals der Murdoch-Zeitung getroffen. Die Opposition verlangt einen Stopp des Geschäfts im Volumen von 14 Mrd. Dollar. Der Aktienkurs von BSkyB verlor mehr als sechs Prozent, die Papiere des New Yorker Medienkonzerns News Corp verloren an der Wall Street mehr als fünf Prozent.
"Murdochs Watergate
Die Regierung hatte zuletzt ihre Gangart gegenüber Murdoch verschärft und die britische Medienaufsicht sowie die Verbraucherschutzbehörde angewiesen, den BSkyB-Kauf angesichts der jüngsten Enthüllungen bei dem Murdoch-Blatt nochmals zu überprüfen. Die Aufsichtsbehörden hatten eigentlich bereits ihr Einverständnis signalisiert.
Branchenbeobachter gingen daraufhin davon aus, dass das Geschäft auf der Kippe steht. "Wir glauben, dass der Deal so gut wie tot ist", sagte Analyst Alex DeGroote von der Investmentbank Panmure Gordon. Kommentatoren sprachen bereits von "Murdochs Watergate".
Ursprünglich war die Übernahme schon so gut wie in trockenen Tüchern. Medienminister Jeremy Hunt wollte nach einer positiven Vorentscheidung der Regierung vergangenen Freitag eigentlich grünes Licht geben. Er verlängerte das Verfahren, nachdem 135.000 Beschwerden eingegangen waren. Seine Meinung zu der Abhöraffäre bei der "News of the World" ist deutlich: Die Enthüllungen würden ihm "den Magen umdrehen", sagte Hunt.
Showdown im Parlament
Den Journalisten der Zeitung wird vorgeworfen, Tausende Telefone abgehört zu haben, unter anderem von Verwandten getöteter britischer Soldaten, von vermissten Kindern und den Todesopfern der Bombenanschläge 2005 in London. Zudem sollen Redakteure Polizisten bestochen haben. Nach immer neuen unappetitlichen Details stellte Murdoch die Zeitung am Sonntag ein - nach 168 Jahren.
Premierminister David Cameron steht am Mittwoch ein Showdown zu dem Skandal im Parlament bevor. Cameron war bereits zuvor in die Kritik geraten, da ein ehemaliger Chefredakteur des Skandalblatts bis Jahresanfang sein Sprecher war. Die Opposition wirft ihm schon länger zu große Nähe zu den Murdoch-Zeitungen im Königreich wie der berüchtigten "Sun" vor. Am Sonntag legte Labour-Oppositionsführer Ed Miliband noch mal nach und drohte Cameron eine Kampfabstimmung im Unterhaus an, um die BSkyB-Übernahme zu stoppen. Die Liberaldemokraten um Clegg könnten die Wahl nutzen, um sich gegenüber ihrem ungeliebten Koalitionspartner zu profilieren und bei ihren Wählern nach einer Serie von bitteren Niederlagen wieder zu punkten.
Klammheimlich bereitet die britische Regierung derweil dem "Independent" zufolge eine eigene Strategie vor, um die Komplettübernahme des lukrativen Bezahlsenders zu verhindern. Anwälte seien damit beauftragt, den Vorgang juristisch wasserdicht zu machen.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts