Fällt das Spitzenrating? Franzosen haben AAAngst
18.12.2011, 18:09 UhrDie Drohungen von Ratingagenturen, Frankreich die Topbewertung "AAA" zu entziehen, hinterlässt Spuren. Zwei von drei Franzosen fürchten eine Schwächung der heimischen Wirtschaft - dabei versucht Präsident Sarkozy sie gerade vom Gegenteil zu überzeugen.

Manch französischem Rugby-Fan bleibt schon die Luft beim Spiel gegen Neuseeland weg - was würde erst eine Herabstufung auslösen?
(Foto: REUTERS)
Die meisten Franzosen fürchten sich vor den Folgen eines Verlusts der Top-Bonität "AAA". Dies geht aus einer heute veröffentlichten Umfrage der Zeitung "Sud-Ouest Dimanche" und der Firma Ifop hervor. Zwei Drittel der Befragten rechnen demnach damit, dass eine Herabstufung ernsthafte oder sehr ernsthafte Konsequenzen für die französische Wirtschaft haben würde.
Eine niedrigere Bonität hat in der Regel zur Folge, dass sich die Kreditkosten eines Landes erhöhen. Dass dies jedoch nicht zwangsläufig so kommen muss, zeigt die Lage in den USA. Nachdem die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes erstmals in seiner Geschichte gesenkt hatte, war der Schreck schnell vergessen. Die befürchtete panikartige Flucht von Anlegern blieb aus, die Zinsen blieben ebenfalls niedrig.
Sarkozy will beruhigen
Präsident Nicolas Sarkozy änderte zuletzt seine Taktik in der Bewertung eines möglichen Verlusts der "AAA"-Bonität. Nachdem er monatelang betonte, Frankreich müsse alles dafür tun, um die Top-Kreditwürdigkeit zu erhalten, erklärt er seit einigen Tagen, eine Herabstufung wäre handhabbar.
Seit die Ratingagentur Standard & Poor's Anfang Dezember 15 Euro-Zonen-Ländern mit einer Senkung ihrer Kreditwürdigkeit drohte, fürchtet Frankreich einen solchen Schritt. Bereits Mitte Oktober hatte Rivale Moody's die Kreditwürdigkeit Frankreichs unter Beobachtung gestellt, jüngst zog mit der Agentur Fitch auch die dritte große Ratingagentur nach.
Auch Deutschland muss dem Urteil der Kreditanalysten zufolge mit einer Herabstufung rechnen. Das wirtschaftlich stärkste Land der Eurozone muss nämlich fürchten, etwa durch Rettungsmechanismen und Hebelgarantien immer stärker für die Schulden anderer Euro-Staaten finanziell in die Verantwortung genommen zu werden.
Keine "politischen" Ratings
Unterdessen wehrt sich Standard & Poor's gegen den Vorwurf einer politischen Rolle in der europäischen Schuldenkrise. "Unsere Kreditratings sind nicht politischer Natur. Standard & Poor's macht der Politik keine Vorschläge, was sie zu tun oder zu lassen hat", schrieb S&P-Europa-Chefanalyst Moritz Kraemer in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Auch wenn manche Beobachter das Gegenteil behaupten: Wir haben in unserer Analyse den politischen Risiken schon immer Gewicht beigemessen", betonte Kraemer. Allerdings seien die Analysen "weder geprägt von irgendwelchen Ideologien noch von politischen Färbungen". Vielmehr gehe es darum, Investoren eine "unabhängige analytische Meinung über das Ausfallrisiko zu bieten, die sie als eine von vielen Faktoren in ihren Investmententscheidungen berücksichtigen können, wenn sie dies für sinnvoll erachten".
In Deutschland zeichnen sich derweil längere Debatten um die Einzelheiten des auf dem jüngsten EU-Gipfel beschlossenen neuen Stabilitätsvertrags ab. Das Parlament müsse "diesmal schon in den Verhandlungen" beteiligt werden, verlangte Fraktionschef Volker Kauder im "Tagesspiegel am Sonntag". "Wir wollen nicht nach dem Motto "Vogel friss oder stirb" die Hand heben." Entsprechende Klagen hatte es aus dem Parlament bei früheren Euro-Entscheidungen gegeben. Bei der Neugestaltung Europas, und darum gehe es, sei es "zwingend, den Bundestag von Anfang an eng zu beteiligen", erklärte Kauder.
Der scheidende EZB-Chefsvolkswirt Jürgen Stark verlangte, die Gipfelbeschlüsse müssten schnell umgesetzt werden. Andernfalls werde Italien Probleme bekommen. "Italien muss im nächsten Jahr 307 Mrd. Euro refinanzieren", sagte Stark im Interview mit der "Wirtschaftswoche". "Die Märkte erwarten kurzfristige Lösungen. Entscheidend ist daher die rasche Umsetzung der Brüsseler Gipfelbeschlüsse vom 9. Dezember, sowohl die Verringerung der Defizite als auch die der Schuldenstände in den Verfassungen der Mitgliedsländer zu verankern."
Quelle: ntv.de, nne/dpa/rts