Wirtschaft

Deals mit Riad und den Emiraten? Für Energie lockert Deutschland seine Waffenpolitik

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Unter anderem mit dem saudischen Kronprinzen bin Salman sprach Kanzler Scholz Ende September über Energie-Kooperationen. Zu welchem Preis?

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Flüssiggas-Deal mit den Vereinigten Arabischen Emiraten steht. Für Kanzler Scholz ein weiterer Schritt, die deutsche Energieversorgung der kommenden Jahre sicherzustellen. Der Preis sind womöglich umstrittene Waffenlieferungen.

Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien waren seit 2018 weitgehend gestoppt. Zum einen wegen der Beteiligung des Landes am Jemen-Krieg, zum anderen wegen der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul. Ausnahmen waren nur im Rahmen europäischer Gemeinschaftsprojekte möglich.

Vor wenigen Wochen allerdings hat die Ampel-Koalition erstmals grünes Licht für die Lieferung von Ausrüstung und Munition an Saudi-Arabien gegeben. Eine Ausnahmeregelung, heißt es, die europäische Rüstungszusammenarbeit ermöglicht. Eigentlich waren Rüstungsexporte jeglicher Art nach Saudi-Arabien für die Grünen immer ein No-Go. Für Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck soll es ein schwieriger Kompromiss gewesen sein, der auch von der grünen Basis heiß diskutiert wurde. SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte sich schon vorher in einer Grundsatzrede für weichere Regeln deutscher Waffenexporte starkgemacht. Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich für mehr Flexibilität bei Waffendeals aus.

Nur wenige Tage zuvor hatte Scholz auf der arabischen Halbinsel neue Energiepartnerschaften angestoßen. Mit Saudi-Arabien will er insbesondere beim Thema Wasserstoff kooperieren. "Heute importieren wir fossile Ressourcen aus Saudi-Arabien", sagte Scholz nach einem Treffen mit Kronprinz Mohammed bin Salman. "Für die Zukunft wird es darum gehen, dass wir in großem Ausmaß Möglichkeiten schaffen, Wasserstoff in Deutschland einzusetzen, der hier und auch an anderen Stellen hergestellt wird."

"Das würden Riad und die VAE gerne sehen"

Welchen Preis muss Deutschland für diese Kooperation bezahlen? Kritiker befürchten, dass deutsche Waffen gegen arabische Energie getauscht werden könnten. Friedensforscher Max Mutschler warnt daher vor weiteren Ausnahmeregelungen. "Es besteht die Gefahr, dass weitere Kooperationen kommen, von denen wir jetzt noch nichts wissen", sagt Mutschler, der für das Friedensforschungsinstitut BICC deutsche Rüstungsexporte im Blick hat.

Denn auch bei den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die an der Seite von Saudi-Arabien am Jemen-Krieg beteiligt sind, deutet sich eine Partnerschaft an, die man auf die Formel "Waffen gegen Gas" herunterbrechen könnte. "Das ist zumindest das, was Saudi-Arabien, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate gerne sehen würden", muss auch Nahost- und Energieexperte Dawud Ansari im ntv-Podcast "Wirtschaft Welt & Weit" einräumen.

Eine stärkere ökonomische Verbindung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten bedeutet für ihn, dass Deutschland beim Thema Waffen und auch beim Thema Menschenrechte viel mehr akzeptieren muss, als es eigentlich will. Denn eines sei klar: "Saudi-Arabien und auch die Vereinigten Arabischen Emirate möchten ihre Rüstungsindustrie weiter ausbauen und damit auch ihre Rüstungsimporte erhöhen."

Hintergrund ist ein neues Selbstbewusstsein in der arabischen Welt. Länder wie Saudi-Arabien und die Emirate verfügen über große Energie-Vorkommen. Die Energieknappheit, bedingt durch den Ukraine-Krieg und die daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland, hat rohstoffreichen Staaten eine gute Verhandlungsposition verschafft.

"Ohrfeige für den Westen"

Sinnbildlich dafür steht die Förderkürzung der OPEC-Länder und ihrer Verbündeten - zu denen auch Russland gehört. Trotz der Bitte von US-Präsident Joe Biden hat sich das Kartell dazu entschlossen, weniger Öl für den Weltmarkt zur Verfügung zu stellen. Die Interessen des Westens spielen für die arabischen Staaten keine zentrale Rolle mehr. Eckart Woertz, Leiter des GIGA-Instituts für Nahost-Studien in Hamburg, spricht sogar von einer "Ohrfeige für den Westen".

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Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate können sich ihre Abnehmer derzeit schlichtweg aussuchen. Und weil Deutschland vordergründig kurzfristige Energie-Engpässe ausgleichen will, sind Länder wie China mit Langzeitinteressen attraktiver.

Menschenrechtler jedenfalls warnen schon jetzt vor neuen Abhängigkeiten mit problematischen Partnern. Durch das Ende des Waffenstillstands im Jemen-Krieg befürchten sie weiteres massives Leid der betroffenen Bevölkerung. Und wenn künftig weitere Rüstungsexporte an die Kriegsparteien gehen - selbst wenn das in Gemeinschaftsprojekten geschieht - könnte das innerhalb der Ampel-Parteien ein großer Konflikt werden.

Wirtschaft Welt & Weit

Was muss Deutschland tun, um in der Wirtschaftswelt von morgen noch eine wichtige Rolle zu spielen? Von wem sind wir abhängig? Welche Länder profitieren von der neuen Weltlage? Das diskutiert Mary Abdelaziz-Ditzow im ntv-Podcast "Wirtschaft Welt & Weit" mit relevanten Expertinnen und Experten.

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Quelle: ntv.de

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