Wirtschaft

Angst vor Domino-Effekt Griechenland taumelt

Die Luft für das hoch verschuldete Griechenland wird immer dünner, Investoren drehen Athen den Geldhahn zu. Erinnerungen an den Zusammenbruch von Lehman Brothers werden wach. Nun könnte Griechenland der erste Dominostein werden.

Griechenland ist angeschlagen.

Griechenland ist angeschlagen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Angst wächst, dass die Schuldenkrise Griechenlands einen Flächenbrand in der Eurozone auslöst. Portugal, Spanien und Irland gelten als die nächsten Kandidaten, die Milliardenhilfen fordern. Für viele sind die Hilferufe nur noch eine Frage der Zeit.

Ob es so weit kommt, hängt auch von Griechenland ab - und davon, wie die Eurozone dem hoch verschuldeten Land hilft. Griechenland steht das Wasser bis zum Hals, angesichts der explodierenden Kosten für neue Staatsschulden kann Athen nach eigenen Angaben derzeit kein Geld auf den Finanzmärkten aufnehmen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Griechenland sogar noch mehr als die in Aussicht gestellten 45 Mrd. Euro braucht.

Verschärft hat sich die Situation, weil die Ratingagentur S&P die Kreditwürdigkeit Griechenlands herabgestuft hat - auf Ramsch. Das EU-Mitglied findet sich damit in Gesellschaft von Vietnam, Aserbaidschan, Guatemala und Indonesien.

Die Ratingagentur geht davon aus, dass Athen im Schnitt nur 30 bis 50 Prozent der Verbindlichkeiten begleichen wird. Mit der Herabstufung wird es für Griechenland noch schwerer, sich frisches Geld auf den Finanzmärkten zu beschaffen. Einigen Investoren ist sogar ausdrücklich untersagt, Papiere mit einer derart niedrigen Bewertung zu kaufen.

Erinnerungen an Lehman

Was jetzt mit Griechenland passiert, erinnert an Lehman Brothers und die Verschärfung der Finanzkrise. Im Herbst 2008 liehen sich Banken kaum noch Geld. Das lag nicht an den Fundamentaldaten der Banken, sondern daran, dass sie sich nicht mehr vertrauten.

Lehman brach zusammen, andere Banken wurden durch Notverkäufe und Milliardenspritzen gerettet. Das weltweite Finanzsystem stand am Abgrund. Nun könnte Griechenland der erste Dominostein werden, der andere mit sich reißt. Sollte Athen in Zahlungsverzug kommen, könnte schnell eine Kettenreaktion folgen. Deshalb gilt es als so wichtig, dass das Mitglied der Eurozone gerettet wird.

Große Defizite

Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise sind die Staatsdefizite immens gewachsen. Ein Grund ist, dass die Steuereinnahmen kräftig sanken. Zugleich mussten Regierungen viel Geld ausgeben, um mit Konjunkturprogrammen die Wirtschaft anzukurbeln. Viele Investoren fürchten, dass es Staaten, die schon vor der Krise hoch verschuldet waren, nun sehr schwer fallen wird, ihre Schulden zurückzuzahlen. 

Länder auf der ganzen Welt besorgen sich ständig über die Anleihemärkte Geld, auch Deutschland. Nehmen Industriestaaten Anleihen auf, gelten sie in der Regel als sicher - die Zinsen sind entsprechend niedrig. Das liegt daran, dass die Regierungen notfalls Steuern oder Gebühren anheben können, um die Schulden zu tilgen.

Die Sparmaßnahmen stoßen in Griechenland auf wenig Gegenliebe.

Die Sparmaßnahmen stoßen in Griechenland auf wenig Gegenliebe.

(Foto: REUTERS)

Doch für Länder wie Griechenland gilt das nicht mehr: Für die Konjunktur könnte es fatale Folgen haben, sollte Athen die Steuern spürbar anheben. S&P begründete die Herabstufung von Griechenland und Portugal unter anderem damit, dass die Aussicht auf schärfere Sparmaßnahmen die wirtschaftliche Erholung ausbremst. Vor diesem Hintergrund sind die Rufe aus Deutschland, die von Athen noch drastischere Schritte fordert, nicht sonderlich hilfreich. Griechenland steckt in einer Abwärtsspirale: Eine angeschlagene Volkswirtschaft wird gezwungen, Ausgaben und Investitionen zu senken. Das vermindert die Möglichkeit, die Wirtschaft anzukurbeln und die Schulden zurückzuzahlen.

Investoren zweifeln

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es für Griechenland und die andere gefährdete Staaten. Die Weltwirtschaft erholt sich stetig, das könnte ihre Situation erleichtern. Dafür brauchen sie allerdings eine Atempause. Doch die ist derzeit nicht in Sicht: Athen starrt auf den 19. Mai wie das Kaninchen auf die Schlange. Bis zu diesem Datum muss die Regierung neue Schulden aufnehmen, um alte Verbindlichkeiten zu bezahlen. Die Kosten dafür steigen derweil auf Rekordwerte: Investoren verlangen für zehnjährige griechische Staatsanleihen eine Rendite von 9,6 Prozent.

(Foto: dpa)

Das wollten die Mitglieder der Eurozone und der Internationale Währungsfonds eigentlich verhindern. Um die Märkte zu beruhigen, stellten sie Kredite von bis zu 45 Mrd. Euro in Aussicht - zu deutlich niedrigeren Zinsen. Doch diese Zusage ist bislang ohne große Wirkung. Das liegt auch an der Bundesregierung. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie Athen nur mit größtem Widerwillen Geld leiht. Das mag bei Wählern gut ankommen, an den Märkten allerdings nicht.

Eine wachsende Zahl von Investoren sieht als Ausweg, dass die Eurozone viel Geld in Aussicht stellt - und das glaubwürdig. Nur so lassen sich Zweifel des Marktes ausräumen, ob die Eurozone nicht doch ein Mitglied fallen lässt. Ob es dazu kommt, ist derzeit aber unwahrscheinlich. Europas Hilfsmaßnahmen kommen aus Sicht von Investoren immer einen Schritt zu spät und fallen immer eine Nummer zu klein aus.

Deutschland verschlimmert mit dem öffentlichen Zweifeln am Sinn und Ausmaß der Griechenland-Hilfe die Situation. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen scheint vielen Politikern wichtiger zu sein als die Rettung Griechenlands, die im Interesse Deutschlands und der ganzen Eurozone ist - allein schon deshalb, um einen Domino-Effekt zu vermeiden.

Beteiligung der Banken

Doch derzeit dominieren Wahlkampfparolen. So wird der Ruf immer lauter, "die Banken" an der Rettung Griechenlands zu beteiligen. "Wir müssen die Möglichkeit prüfen, die Gläubiger Griechenland heranzuziehen", sagt der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Leo Dautzenberg. "Angela Merkel muss die Vorstände aller Banken, die am griechischen Desaster Geld verdient haben, zum Rapport ins Kanzleramt bitten", fordert Grünen-Fraktionschefin Renate Künast.

Diese Forderungen sind durchaus nachvollziehbar. Die deutschen Banken sind mit rund 43 Mrd. Dollar drittgrößter Gläubiger Griechenlands. Doch zum einen drohen ihnen aufgrund des Engagements hohe Abschreibungen. Zum anderen sitzt der Staat über die Beteiligung an vielen Banken mit im Boot. Zu den größten Gläubigern gehört die verstaatlichte Hypo Real Estate mit 7,9 Mrd. Euro. Die Commerzbank, an der der Staat beteiligt ist, ist mit mindestens 3,1 Mrd. Euro dabei. Landesbanken sind ebenfalls in größerem Stil in Griechenland engagiert: Etwa die BayernLB mit weniger als 300 Mio. Euro und die WestLB mit gut einer Mrd. Euro.

Quelle: ntv.de

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