Wirtschaft

"Volkseigener Betrieb Banken" Hilfspaket krempelt System um

Das Rettungspaket der Bundesregierung für die Finanzbranche könnte die deutsche Bankenlandschaft komplett auf den Kopf stellen. Am Finanzplatz Frankfurt macht bereits das Wort vom "Volkseigenen Betrieb Banken" die Runde - in Anlehnung an die DDR-Staatswirtschaft.

"Es wäre eine aus der Not kommende Teilverstaatlichung, man sollte sich nicht davor drücken, das Kind beim Namen zu nennen", sagt der Banken-Experte Wolfgang Gerke. Doch noch ist unklar, ob und welche Banken von kommenden Montag an das schärfste Schwert des Rettungspakets in Anspruch nehmen werden - nämlich die Aufnahme von frischem Eigenkapital, wodurch der Staat zum Miteigentümer der Institute würde. Die größten deutschen Banken halten sich bisher dazu bedeckt.

Mit ihrem Rettungspaket fährt die Bundesregierung mehrgleisig. Zum einen soll mit einer 400-Milliarden-Euro-Garantie sichergestellt werden, dass die Banken wieder untereinander Geld ausleihen und auch die Versorgung tausender kleiner, mittlerer und großer Firmen mit Krediten nicht versiegt. Mit dem Rettungspaket können Banken dann neue Kredite gegen Ausfälle versichern - im Zweifel haftet der Staat und erhält dafür eine Prämie. "Die Banken werden sich anschauen, ob sich das für sie lohnt", sagt Finanzexperte Gerke. Werde darüber wieder Vertrauen gewonnen, würden die Garantien irgendwann nicht mehr notwendig.

Einen wesentlich größeren Eingriff in das System würde es hingegen bedeuten, wenn große und bislang private Banken sich vom Staat neues Kapital geben lassen würden. Dazu könnten die Aktiengesellschaften neue Aktien herausgeben und diese an den Staat verkaufen. Dafür stehen zunächst 70 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist die zweite Phase der Finanzkrise, in der es nicht mehr nur um Liquiditätsengpässe geht, sagt Banken-Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management.

Der Entwurf für das Rettungspaket sieht drastische Änderungen des Aktienrechts vor: Für den Einstieg des Staates wäre keine Zustimmung der Altaktionäre notwendig, der Staat müsste den Altaktionären kein Übernahmeangebot unterbreiten und neue stimmrechtslose Vorzugsaktien könnten eine höhere Dividende ausschütten. Zudem dürfte der Staat Auflagen erteilen - vom Managergehalt bis zur Geschäftspolitik.

Ob die Banken sich all diesen Beschränkungen unterwerfen werden, ist offen. Die Manager haben wegen der Gehaltsbeschränkungen keinen Anreiz, diesen Schritt zu gehen, sagt Bankenprofessor Dirk Schiereck von der TU Darmstadt. "Eine Bank wird das nur aus der absoluten Not heraus tun, wenn ihr das Wasser Oberkante Unterlippe steht." Wenn die Politik das Rettungspaket bis zum Wochenende schnürt, könnten bereits am Montag vor Börsenöffnung solche Schritte erfolgen. Als entscheidend gelten das Ausmaß der Eigenkapitalklemme und die Bedingungen der Politik. "Da sitzt der Finanzminister am längeren Hebel", sagt Gerke.

Die Commerzbank erklärte, sie werde alle Details prüfen - bis zur Vorlage des Gesetzes könnten auch noch Änderungen am Entwurf erfolgen. Bei der Deutschen Bank hieß es lediglich "kein Kommentar". Allerdings gilt die größte deutsche Bank ohnehin als gut mit Eigenkapital ausgestattet. Große deutsche Versicherer machten indes bereits klar, dass sie kein staatliches Eigenkapital benötigen.

Das Programm könnte für die Landesbanken nach Ansicht einiger Experten attraktiver sein als für die großen Privatbanken. Denn die Landesbanken sind ohnehin schon im öffentlichen Besitz und könnten das Geld dringend gebrauchen. Aber auch eine Privatbank könne sich zu einem solchen Schritt entscheiden. "Der Wert der Bank sinkt dadurch ja nicht, eigentlich müsste der Wert sogar steigen, weil die Existenzgefahr verringert wurde", sagt Gerke.

Nachdem schon Banken in Großbritannien und in den USA diesen Schritt gegangen sind, hält Gerke dies auch in Deutschland für "absolut denkbar". Faust rechnet damit, dass sich die Krise in den nächsten sechs bis zwölf Monaten weiter zuspitzt - dann könnten einige Banken das Rettungsangebot bereitwillig annehmen. "Ich sehe die Probleme bei weitem noch nicht ausgestanden", sagt Faust.

Sollte der Staat demnächst tatsächlich Banken übernehmen, müsste er mittelfristig aber auch wieder aussteigen. "Man hat ja nicht die beste Erfahrung gemacht mit staatlichen Banken", sagt Gerke mit Blick auf angeschlagene Institute wie IKB, WestLB oder die sächsische Landesbank. Und auch Faust warnt vor einem zu massiven Einfluss des Staates auf die Geschäfte: Wenn der Staat den Banken Kredite für bonitätsschwache Mittelständler vorschreibe, die mangels Aussichten normalerweise kein Geld erhielten, entstehe nur eine neue Runde an schlechten Krediten.

Quelle: ntv.de

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