Fünftes Quartal in Folge Hochwasser drückt Osten in die Rezession
10.06.2013, 14:39 Uhr
Deutschlands Wirtschaft startet mit einem Mini-Wachstum ins Jahr. Im Osten der Republik sieht es deutlich schlechter aus. Das wird auch im laufenden Quartal so bleiben. Erst in der zweiten Hälfte deutet sich Besserung an. Das Jahrhunderthochwasser könnte ungeahnte Sondereffekte entwickeln.
Wegen des Jahrhunderthochwassers bleibt die ostdeutsche Wirtschaft Wirtschaftsexperten zufolge in der Rezession stecken. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte von April bis Juni um 0,2 Prozent und damit das fünfte Quartal in Folge schrumpfen, wie das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostizierte.
"Ohne Dauerregen und Hochwasser würde es zu einer schwarzen Null reichen", sagte IWH-Experte Udo Ludwig. Die Naturkatastrophe beeinträchtige Landwirtschaft, Industrie und Baugewerbe, aber auch Handel, Gast- und Verkehrsgewerbe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Der Wiederaufbau dürfte die Wirtschaft aber ab der zweiten Jahreshälfte zusätzliche Impulse geben und wieder wachsen lassen. "Viele Privatleute werden Geld ausgeben müssen, um ihren Hausrat zu ersetzen", sagte Ludwig. "Sie werden vor allem langlebige Güter wie Waschmaschinen und Kühlschränke kaufen, wie die Erfahrungen des Hochwassers von 2002 lehren."
Außerdem werde der Wiederaufbau mit Hilfsgeldern unterstützt, so Ludwig. Das werde ebenfalls de Konjunktur stimulieren. Der Staat werde zudem in die Infrastruktur investieren.
Schwere Schäden in der Landwirtschaft
Um welcher Größenordnung sich die Hochwasserschäden in den betroffenen Landstrichen bewegen könnten, zeigt eine Zahl aus den überfluteten Gebieten in Süddeutschland: Allein den Bauern in Bayern ist durch das Hochwasser ein Schaden von rund 115 Mio. Euro entstanden. Es seien rund 30.000 Hektar Ackerland, 35.000 Hektar Grünland und knapp 2500 Hektar gartenbauliche Kulturen von Hochwasserschäden betroffen, teilte Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner mit.
Der voraussichtliche Schaden für die bayerischen Bauern liegt damit deutlich höher als bisher angenommen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium war vor dem Wochenende noch von Schäden von mindestens 74 Mio. Euro ausgegangen.
Wie Brunner mitteilte, sind zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Bayern vom Hochwasser betroffen. Rund die Hälfe des Gesamtschadens sei an Betriebsgebäuden, Maschinen sowie land- und forstwirtschaftlichen Wegen entstanden. Noch nicht mit einbezogen seien in den 115 Mio. Euro die Schäden an den Privathäusern der Bauern.
Auswirkungen auf die Versicherer
Branchenexperten setzen den Gesamtschaden sehr viel höher an. Insgesamt dürfte das Hochwasser in Deutschland allein den Versicherer Allianz nach Analystenschätzungen etwas teurer zu stehen kommen als die "Jahrhundertflut" aus dem Jahr 2002.
JP-Morgan-Analyst Michael Huttner veranschlagt die Schadensumme für den deutschen Marktführer im Inland in einer Kurzstudie auf rund 350 Mio. Euro. Das wäre mehr als die 330 Mio. Euro, die vor elf Jahren die Flut an Elbe und Oder die Allianz gekostet hatte. Europaweit wird der Schaden für die Allianz nach Huttners Berechnungen aber geringer ausfallen als damals: Einschließlich Tschechien und Österreich könnten 460 Mio. zu Buche stehen - zum Vergleich: 2002 waren es 710 Mio. Euro. Damit sei die angepeilte Schaden-Kosten-Quote von 94 Prozent in diesem Jahr weiter erreichbar. Auf welche Daten sich Huttner bei seiner Schätzung stützen konnte, blieb zunächst unklar.
Eine Allianz-Sprecherin sagte, für eine Bilanz sei es noch zu früh: "Es regnet schon wieder, und wir versuchen immer noch, in die betroffenen Gebiete vorzudringen." Die Münchener Rück, die als weltgrößter Rückversicherer einen guten Überblick über die gesamte Branche hat, erklärte, es werde noch Wochen dauern, bis verlässliche Schadenschätzungen vorlägen. Sie hatte für 2002 einen versicherten Schaden von 3,5 Mrd. Euro errechnet.
Immer mehr deutsche Versicherer gehen inzwischen von höheren Kosten des Hochwassers aus. So rechnet die zum W&W-Konzern gehörende Württembergische Versicherung aktuellen Angaben zufolge mit einem Schadenaufkommen von gut 50 Mio. Euro. Vor elf Jahren hatten sie die Überschwemmungen an Oder und Elbe 44 Mio. gekostet.
Eine ähnliche Tendenz hatte zuvor bereits die Gothaer Versicherung genannt. Die Württembergische erklärte, zwar hätten die Hochwasserschutz-Maßnahmen vielerorts gegriffen, doch seien diesmal auch andere Landstriche betroffen. Auch die gestiegenen Preise in der Bauwirtschaft sorgten für Mehrkosten.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/rts