Bekommt Griechenland die Kurve? IWF-Experte zweifelt an Athen
18.05.2011, 11:01 Uhr
Es reicht noch nicht: Der IWF will mehr sehen.
(Foto: AP)
Die finanziellen Aussichten Griechenlands sind offenbar düsterer als bislang bekannt: Zwei Tage nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel ruft ein hochrangiger Experte des Weltwährungsfonds das Land zu noch stärkeren Sparanstrengungen auf. Anderenfalls werde das Hilfsprogramm "aus der Spur laufen", heißt es.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat eindringlich an Griechenland appelliert, die Sparbemühungen zu verstärken. Ohne entschiedene Bemühungen des Landes, werde das griechische Sanierungsprogramm aus der Spur laufen, sagte IWF-Experte Poul Thomsen bei einer Konferenz in Athen.
Thomsen leitet die IWF-Delegation zur Prüfung der griechischen Reformpläne. Zusammen mit Vertretern der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) bildet die IWF-Delegation die sogenannte Troika, die für die beteiligten Helfer die finanzielle Griechenlands überwachen soll.
Die Fachleute der Troika-Mission entscheiden auch darüber, ob dem Land die nächste Tranche der Hilfe ausgezahlt werden kann. Sollte Griechenland die demnächst anstehende Hilfstranche über 12 Mrd. Euro nicht erhalten, liefe das auf seine Zahlungsunfähigkeit bereits Ende Juni hinaus. Insgesamt umfasst das Hilfspaket aus dem Vorjahr 110 Mrd. Euro. Im Gegenzug für die Hilfen hat sich die griechische Regierung zu einer strikten Sparpolitik verpflichtet, und zuletzt verstärkte Bemühungen wie den Verkauf staatlicher Beteiligungen an Energie- und Wasserversorgern angekündigt.
Offene Worte eines Insiders?
"Wenn wir diese Verstärkung nicht sehen, denke ich, wird das Programm aus der Spur laufen", sagte Thomsen. Zwar gerate die griechische Wirtschaft allmählich wieder ins Gleichgewicht und gewinne auch an Wettbewerbsfähigkeit. Es sei aber fraglich, ob das Land nächstes Jahr an die Kapitalmärkte zurückkehren könne. Letzteres hatte zuvor bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bezweifelt.
Der IWF-Experte schloss sich nun den Forderungen der Euro-Finanzminister an und untermauerte sie mit einer eigenen Einschätzung. Es sei wesentlich, die Reform des öffentlichen Sektors deutlich zu beschleunigen, um das griechische Defizit weiter zu verringern. Ohne weitere Reformen werde es nicht merklich unter 10 Prozent sinken, sagte Thomsen.
Noch mehr Hilfe für Griechenland?
Sollte Griechenland im kommenden Jahr nicht wie bislang geplant an die Kapitalmärkte zurückkehren können, stünde eine zusätzliche Milliardenspritze auf der europäischen Agenda. Am vergangenen Wochenende hatte Schäuble für diesen Fall weitere Hilfen nicht ausgeschlossen.
Die Gerüchte, die EU-Kommission und nun auch Deutschland seien jetzt doch für eine sogenannte "weiche" Umschuldung, also die Verlängerung der Laufzeiten griechischer Staatsschulden, nannte Schäuble "Spekulationen". Erst müssten die Zahlen des turnusgemäßen Troika-Prüfberichts aus Griechenland im Juni abgewartet werden. "Das werden wir uns sehr genau anschauen", sagte Schäuble. Erst danach könne darüber beraten werden, was zu tun sei.
Private Gläubiger in der Pflicht
Die Vereinbarungen zur Griechenland-Hilfe von 2010 dürften in diesem Fall aber nicht einfach nur nachgebessert werden. "Dann wäre in der Tat ein zentraler Punkt, dass nicht, während die Gemeinschaft der Euroländer Griechenland hilft, Zeit zu gewinnen, gleichzeitig der Privatsektor sich immer stärker aus seinen Positionen zurückzieht", sagte Schäuble.
Sollte die Laufzeit der Griechenland-Kredite verlängert werden müssen, "brauchen wir hier eine klare Regelung: Wenn Verlängerung, dann müssen alle verlängert werden", forderte Schäuble.
Quelle: ntv.de, AFP/rts