Baumarkt-Riese sucht das Abenteuer Kingfisher schielt auf den deutschen Profi
12.09.2013, 06:01 Uhr
Die Baumarkt-Kette Kingfisher will in Deutschland vor allem auf den professionellen Bastler setzen.
(Foto: REUTERS)
Der Praktiker-Pleite zum Trotz wagt sich die britische Baumarkt-Kette Kingfisher auf den deutschen Markt. Die weltweite Nummer 3 hat zwar bereits Erfahrungen hierzulande gesammelt. Den deutschen Einzelhandel aber hat schon ein anderer Gigant unterschätzt.
Europas größter Baumarktkonzern Kingfisher wagt sich mit eigenen Filialen in den hart umkämpften deutschen Markt. Nur eine Woche nach dem Aus für die insolvente Kette Praktiker kündigte das britische Unternehmen die Eröffnung von zunächst vier Märkten seiner Marke Screwfix in Deutschland an. "Wir werden Praktiker nicht kaufen, aber wir würden die Filialen sehr gerne in Absprache mit den Vermietern übernehmen", sagte Kingfisher-Chef Ian Cheshire. Der deutsche Einzelhandel gilt international als extrem schwierig. Vor einigen Jahren scheiterte der US-Riese Wal-Mart mit dem Versuch, sich gegen die flächendeckende Konkurrenz zu etablieren.
Kingfisher - im Baumarktgeschäft weltweit die Nummer drei nach den US-Rivalen Lowe's und Home Depot - ist bereits seit einigen Jahren Großaktionär des deutschen Baumarktkonzerns Hornbach . Dort ziehen die Briten nun ihre Vertreter aus den Aufsichtsgremien zurück. Damit sollten Interessenkonflikte vermieden werden, erklärten die Partner. Die Beteiligung selbst sei dadurch aber nicht berührt, sagte Cheshire. "Hornbach bleibt ein exzellentes Geschäft, auf das wir vertrauen und mit dem wir ein gutes Verhältnis haben."
Kingfisher sieht eine Lücke
Kingfisher hält an der Hornbach-Konzernholding gut 25 Prozent der Stimmrechte, der Rest befindet sich im Eigentum der Gründerfamilie. Zudem besitzen die Briten 17,4 Prozent der im Kleinwerteindex SDax notierten Vorzugsaktien und 5,2 Prozent der Anteile an der ebenfalls börsennotierten Hornbach-Baumarktttochter.
Noch stärker als Hornbach will sich Kingfisher mit seinen Screwfix-Märkten in Deutschland auf Profis konzentrieren - mit Werkzeug und Material für anspruchsvolle Heimwerker sowie Großhandelsangeboten für Handwerker. "Wir sehen dort Chancen, weil derzeit niemand dieses Segment besonders gut bedient", sagte Entwicklungschef Steve Willett. Hornbach allerdings betreibt neben seinen Baumärkten bereits einen Baustoffhandel.
Praktiker hatte jahrelang versucht, den Markt vom anderen Ende her aufzurollen. Die Billigstrategie mit Rabattaktionen unter dem Slogan "20 Prozent auf alles" erwies sich aber als ruinös. Das Unternehmen mit rund 5300 Beschäftigten fand keine neuen Geldgeber und wird abgewickelt. In dieser Woche beginnt der Ausverkauf auch in den Filialen, für die zuletzt noch Hoffnung bestand. Für die Praktiker-Tochter Max Bahr, die stärker auf Beratung als auf den Preis setzt, gibt es nach Angaben des Insolvenzverwalters mehrere Interessenten.
Kostensenkung wegen Konjunkturschwäche
Kingfisher will im Sommer kommenden Jahres zunächst vier Testmärkte seiner kleinflächigen Fachhandelskette Screwfix in einer deutschen Großstadt eröffnen, wie Konzernchef Cheshire ankündigte. Näheres solle bald bekannt gegeben werden. Kingfisher steht bereits seit Mai in Rumänien in direkter Konkurrenz zu Hornbach. Die Briten übernahmen dort 15 Baumärkte der Kette Bricostore.
Kingfisher kämpft mit der Konjunkturschwäche in seinen wichtigsten Absatzmärkten. Im ersten Halbjahr sank der bereinigte Gewinn vor Steuern um 1,6 Prozent auf 365 Millionen Pfund (433 Millionen Euro) verglichen zum Vorjahreszeitraum. Auch für die kommenden Monate rechnet der Konzern nicht mit einer deutlichen Besserung. Die Stimmung bei den Verbrauchern bleibe gedämpft, erklärte das Unternehmen. Daher will Kingfisher nun die Kosten senken.
Das Unternehmen ist mit eigenen Märkten unter anderem in Spanien und Großbritannien vertreten, wo die Bauwirtschaft derzeit am Boden liegt. Dazu kommt der ungewöhnlich lange Winter, der die Arbeit auf vielen Baustellen stilllegte und die Geschäfte zu Jahresbeginn deutlich belastet hatte. Insgesamt stieg der Umsatz aber um gut vier Prozent auf 5,72 Milliarden Pfund.
Quelle: ntv.de, jwu/rts