Ökonomen-Barometer Konjunkturklima bremst Talfahrt
14.10.2011, 14:12 UhrDeutschlands führende Volkswirte sehen die konjunkturelle Entwicklung in den kommenden Monaten mit nahezu unverändert hoher Skepsis. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer Oktober von Euro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hervor.
Die Skepsis unter Deutschlands Volkswirten zu den heimischen Wachstumsperspektiven hält an, der steile Einbruch ist jedoch zunächst gestoppt. Die Einschätzung der aktuellen Lage des jüngsten Ökonomen-Barometers sank um 2,4 Prozent auf 60,4 Punkte. Der Wert für die Erwartungen gab um zwei Prozent auf 46,8 Punkte nach.
Alleine zwischen Februar und September war der Wert für die erwartete wirtschaftliche Entwicklung auf Sicht von zwölf Monaten um insgesamt 41 Prozent eingebrochen. Die jüngste Verschnaufpause könnte darauf hindeuten, dass die Ökonomen für das kommende Jahr zwar mit einer abrupten konjunkturellen Abkühlung rechnen, jedoch nicht mit einer Rezession.
Ähnlich hatten sich auch führende Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten geäußert. Danach rechnen sie für das kommende Jahr nun nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent nach 2,0 Prozent zuvor. Dies dürfte den Steuersenkungsspielraum der Bundesregierung deutlich einschränken. Für 2011 prognostizieren die Experten nun ein Plus von 2,9 Prozent nach zuletzt 2,8 Prozent. Die Schulden- und Vertrauenskrise in Europa belaste "zunehmend die deutsche Konjunktur", sagte der Konjunkturchef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Roland Döhrn.
Griechenland-Pleite wohl unabwendbar
Für Vorsicht unter Volkswirten sorgt weiterhin die Entwicklung in Griechenland. Eine Pleite gilt unter Ökonomen inzwischen als nahezu unabwendbar. Zwar sehen die befragten Experten die Wahrscheinlichkeit, dass das Land bis Jahresende seine Verpflichtungen bedienen kann, bei 52 Prozent. Auf Sicht von sechs Monaten sinkt der Wert jedoch auf 40 Prozent. Binnen Jahresfrist erwarten gar nur noch 29 Prozent der Volkswirte, dass Athen seine Schulden pünktlich bedienen kann. "Die Eurogruppe habe sich politisch derart festgelegt, dass genügend Geld für die nächsten drei Monate verfügbar gemacht werden kann", sagte Prof. Karlhans Sauernheimer von der Uni Mainz. Aber der kommende Konjunktureinbruch werde die "schöngefärbten Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland unerfüllbar machen". Ähnlich äußerte sich Prof. Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW): Ein Zahlungsausfall sei derzeit nicht ausreichend vorbereitet. Insofern würden "alle Beteiligten alles tun, um ihn kurzfristig noch zu vermeiden". In einem halben Jahr werde ein Default Griechenlands jedoch "wahrscheinlicher, weil sich viele Akteure derzeit auf diesen Fall vorbereiten", sagte Heinemann.
Auf Jahressicht ist die Mehrheit der Ökonomen ohnehin sehr skeptisch. Ein Zahlungsausfall in den kommenden zwölf Monaten sei nur dann zu vermeiden, wenn "sich herausstellen würde, dass der gesamte Pelopponnes aus Gold oder Platin bestünde", erklärte etwa Prof. Volker Caspari von der TU Darmstadt.

Vier von fünf Ökonomen sprechen sich für eine stärkere Beteiligung privater Gläubiger an der Rettung Griechenlands aus.
Unterdessen gibt es unter den Experten eine klare Mehrheit für eine stärkere Beteiligung des privaten Sektors an einem möglichen zweiten Rettungspakte für Griechenland. Immerhin 78 Prozent der befragten Experten erklärte, eine höhere Beteiligung des privaten Sektors sei richtig, 18 Prozent halten das für den falschen Weg.
Beim Euro-Gipfel Ende Juli hatten sich die Mitgliedsstaaten auf eine freiwillige Verlängerung der Laufzeiten für griechische Anleihen geeinigt. Durch diesen Tausch in längerlaufende Bonds müssen die Banken eine Wertberichtigung von 21 Prozent hinnehmen. Allerdings hat sich die Lage in Griechenland seither weiter zugespitzt. Angesichts dessen werden inzwischen in Brüssel Pläne diskutiert, den Banken Wertberichtigungen von 30 bis 50 Prozent abzufordern.

Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 7. bis zum 14. September mehr als 600 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.
Einen solchen Schritt halten viele Ökonomen ordnungsplitisch für geboten. Wer die höheren Zinsen wolle, müsse "auch das höhere Risiko tragen", sagte etwa Prof. Horst M. Schellhaaß von der Uni Köln. Allerdings forderten zahlreiche Ökonomen, die Folgen zu bedenken. Viele europäische Banken seien unterkapitalisiert, sagte etwa Prof. Horst Löchel von der Frankfurt School of Finance & Management. Zur Aufrechterhaltung der Stabilität des Bankensektores sei eine Rekapitalisierung gefährdeter Banken daher nötig, erklärte auch Prof. Tim Krieger von der Uni Marburg. Entsprechende Pläne treibt auch die EU voran. Die Banken laufen dagegen Sturm.
Quelle: ntv.de