Imagepflege zur rechten Zeit Lidl jetzt für Mindestlohn
17.02.2010, 10:16 UhrDer zweitgrößte deutsche Discounter plädiert überraschend für die Einführung eines Mindestlohns im Einzelhandel. Das Unternehmen hat gute Nachrichten dringend nötig. Das Image ist durch diverse Skandale und Vorwürfe um Mitarbeiterbespitzelung und Arbeitsbedingungen kräftig ramponiert.

Clever mit dem Thema Mindestlohn vor der Konkurrenz an die Öffentlichkeit zu gehen.
(Foto: picture-alliance/ ZB)
Der Billigkette Lidl stellt sich pötzlich auf die Seite der Arbeitnehmer und plädiert für die Einführung eines verbindlichen Mindestlohns. Auf diese Weise lasse sich Lohndumping in der Branche eindämmen, heißt es in einem Brief des Chefs der Lidl-Muttergesellschaft, Klaus Gehrig, an den Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel. "Wir teilen (...) Ihre Auffassung, dass im Einzelhandel unbedingt Mindestlöhne eingeführt werden müssen. Damit würde die Möglichkeit und der Missbrauch von Lohndumping, der auch vereinzelt im Handel zu sehen ist, unterbunden." Hickel, Leiter des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW), hatte sich zuvor in einer Fernsehsendung kritisch über Lidl geäußert.
Sollte sich der Vorschlag eines Branchenmindestlohns durchsetzen, wäre der Handel nach dem Bau, den Gebäudereinigern und der Abfallwirtschaft der bislang größte Wirtschaftszweig mit einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Mehrere andere Handelsunternehmen, der Einzelhandelsverband HDE und die Gewerkschaft Verdi zeigten sich grundsätzlich aufgeschlossen. Festlegen wollten sie sich aber nicht. Metro wandte sich strikt gegen staatliche Mindestlöhne.
Stein des Anstoßes der Debatte sind die Bemühungen des Einzelhandels um einen neuen Tarifvertrag. HDE und Verdi versuchen seit Längerem, den alten Branchentarifvertrag zu ersetzen.
Verdi reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß des Discounters. Prinzipiell sei er zwar zu begrüßen, sagte die stellvertretende Verdi-Bundestagsvorsitzende Margret Mönig-Raane gegenüber der "Financial Times Deutschland" (FTD). Man sei aber "noch ein ganzes Stück" von einer solchen Regelung entfernt. "Zudem bleibe die zentrale Frage offen, wie hoch ein solcher Mindestlohn sein sollte." Eine konkrete Zahl nennen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer. Bisher werden in tarifgebundenen Unternehmen zwischen 7,0 und 7,80 Euro pro Stunde bezahlt. Der Lohn für einen ausgebildeten Verkäufer liegt bei 12 Euro.
Handelsunternehmen sorgten wiederholt für Negativ-Schlagzeilen in Sachen Arbeitsbedingungen. Neben Dumpinglöhnen war auch die Bespitzelung von Mitarbeitern ein großes Thema. Die Drogeriemarktkette Schlecker war zuletzt wegen der Bezahlung von Leiharbeitern massiv in die Kritik geraten. Das Unternehmen erklärte sich daraufhin zu Tarifverhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bereit.
Quelle: ntv.de, ddi