Die Frau hinter Bertelsmann Liz Mohn wird 70
21.06.2011, 06:36 Uhr
"Alle Kids sind VIPs", heißt eines der Projekte der Bertelsmann-Stiftung: Liz Mohn inmitten von Teilnehmern (Archivbild).
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Auf ihrer Visitenkarte steht nur ihr Name, sonst nichts. Wer ihre Karte bekommt, weiß, mit wem er es zu tun hat. Liz Mohn zählt zu den einflussreichsten Frauen Europas. Die Matriarchin lenkt den Mediengiganten Bertelsmann. Heute wird sie 70. Ans Aufhören denkt sie noch lange nicht.
Den Titel "Königin von Bertelsmann" findet sie unangemessen, abdanken wird sie aber nicht. Liz Mohn wird heute 70 Jahre alt und sendet ein klares Signal an alle aus, die mit den Hufen scharren sollten: "In den nächsten fünf Jahren werde ich meine Rolle als Familiensprecherin weiter wahrnehmen." Das ist ihr gutes Recht, denn erst mit 75 muss sie diese zentrale Funktion in der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft BVG laut Satzung aufgeben.
Von der Telefonistin zur Matriarchin - ihr Weg ist lang und erstaunlich. Sie kam als Mädchen aus Rheda-Wiedenbrück in Ostwestfalen - welche Position sie sich im milliardenschweren Bertelsmann-Imperium erarbeitet hat, wurde spätestens nach 2002 klar: Da übernahm sie den BVG-Vorsitz und setzte in der Folgezeit durch, dass für gigantische 4,5 Mrd. Euro Bertelsmann-Anteile von einem belgischen Investor zurückgekauft wurden. Etliche Manager blieben auf der Strecke, darunter die Aufsichtsratschefs Mark Wössner und Gerd Schulte-Hillen und der Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff.
Rückblick ins Jahr 1941: Elisabeth Beckmann wird als Tochter eines Handwerkers und einer Hutmacherin geboren. Der Vater wird eines Tages vom Blitz getroffen, überlebt schwer verletzt, fällt als Ernährer aber aus. Die Mutter Josefa ist die erste bestimmende Figur in ihrem Leben. Josefa bringt die fünf Kinder alleine durch, lässt sich nicht unterkriegen, wie Liz Mohn gerne erzählt.
Sprung von dem Fünfmeterbrett
Die kleine Elisabeth ist ängstlich. Sie hat Angst vor dem dunklen Keller, Angst vor unbekannten Situationen, wie sie in ihrer Autobiografie "Liebe öffnet Herzen" 2001 bekennt. Zugleich offenbart sie dort die andere Seite der Liz Mohn: Neugierig, lernfähig, und durchsetzungsfähig. Sie wird Pfadfinderin. In der ersten Schulklasse ist sie die Einzige, die sich den Sprung vom Fünfmeterbrett traut.

Gesellschaftlich bestens vernetzt: Zur Verleihung des Reinhard-Mohn-Preises kam die Kanzlerin persönlich.
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Später ist sie in ihrem Leben noch oft ins kalte Wasser gesprungen. Als 17-Jährige bricht sie ihre Ausbildung zur Zahnarzthelferin ab und bewirbt sich heimlich beim Bertelsmann Buchclub. Sie beginnt als Telefonistin und trifft nach sechs Wochen auf einem Betriebsfest den 20 Jahre älteren Chef Reinhard Mohn. "Ich fand mich hübsch in dem neuen weißen Wollkleid, das meine Mutter mir genäht hatte", schrieb Liz Mohn später. Das findet Reinhard Mohn offenbar auch, und bei Walzer und "Reise nach Jerusalem" kommt man sich näher.
Wer sich den Fortgang der Beziehung aus Liz Mohns Aufzeichnungen erschließen will, muss rechnen. 1963 bis 1978 ist sie offiziell mit dem Bertelsmann-Lektor Joachim Scholz verheiratet. In dieser Zeit werden die Kinder Brigitte (1963), Christoph (1965) und Andreas (1968) geboren. Zugleich lässt sie keinen Zweifel, dass es die Kinder Reinhard Mohns sind. Erst 1982, nach dem Tod seiner Mutter, lässt sich Reinhard Mohn von seiner ersten Frau scheiden und heiratet Liz.
Ihren Mann Reinhard, den Patriarchen, der 2009 starb, bezeichnet Liz als ihren geduldigen Lehrmeister. Er führt sie an das Unternehmen heran, ermutigt sie, zu lernen und Verantwortung zu übernehmen. Sie organisiert den Damenkreis von Manager-Ehefrauen, verinnerlicht die Unternehmenskultur der großen Familie Bertelsmann.
Im Zentrum der Gesellschaft
An der Seite von Reinhard Mohn trifft sie internationale Persönlichkeiten, nimmt von diesen Treffen Ideen mit. Diese baut sie dann mit Hilfe von Experten aus: "Durch eine Begegnung mit Herbert von Karajan bin ich zur klassischen Musik gekommen", erzählt sie etwa. Daraus wurde später der internationale Wettbewerb "Neue Stimmen" für den Opernnachwuchs. In der Bertelsmann Stiftung, die die Mehrheit an der AG hält, leitet Liz Mohn die Kultur-Abteilung.
Im Rückblick ragt aber eine Initiative aus den zahllosen Aktivitäten Liz Mohns heraus: "Eigentlich das Sinnvollste, was ich je getan habe, war die Gründung der Schlaganfall-Hilfe." Als ihr Sohn Andreas 15 ist, treten Lähmungen auf, die Ärzte sind ratlos. Die Lähmungen verschwinden nach ein paar Wochen, zurück bleibt bei der Mutter aber der Gedanke, Menschen zu helfen. Liz Mohn gründet 1993 die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.
Liz Mohn gibt zu, ein wenig eitel zu sein, weiß diese Eitelkeit aber auch zu begründen, sie sei schließlich Repräsentantin von 100.000 Mitarbeitern weltweit. Sie joggt am Morgen auf dem Laufband und schaut dabei Frühstücksfernsehen. Lieber noch spricht sie über Werte, über die Bedeutung von Familie, Toleranz, Disziplin und der Intuition als notwendige Ergänzung des Verstandes.
Mit ihrer Ankündigung, vorläufig am Ruder zu bleiben, will Liz Mohn in den nächsten Jahren Nachfolgerdebatten möglichst vermeiden. Zugleich lässt sie keinen Zweifel, dass der Medienriese Bertelsmann fest in Familienhand bleibt: "Die Nachfolger der sechsten Generation sind da, die siebte Generation steht schon vor der Tür."
Die Bertelsmann AG umfasst neben den Verlagen Random House und Gruner + Jahr auch die RTL Group, zu der die deutsche RTL Gruppe und damit der Nachrichtensender n-tv gehören.
Quelle: ntv.de, dpa