Wirtschaft

Halbzeit beim Gipfel in Seoul Merkel feiert Teilerfolg

Im Streit um den richtigen Umgang mit Exportüberschüssen steuern die Teilnehmer des G20-Gipfels in Seoul auf einen Minimalkonsens zu. Bundeskanzlerin Merkel kann die Forderungen der USA nach festen Grenzen für Defizite und Überschüsse abwehren. Im Währungsstreit gibt es dagegen nach wie vor noch keine Lösung.

Hochrangig besetztes Arbeitsessen: Wer Notenbanker, Finanzminister mit Staats- und Regierungschefs an einen Tisch bringen will, muss sich auch dekorativ etwas einfallen lassen.

Hochrangig besetztes Arbeitsessen: Wer Notenbanker, Finanzminister mit Staats- und Regierungschefs an einen Tisch bringen will, muss sich auch dekorativ etwas einfallen lassen.

(Foto: REUTERS)

Nach der ersten Hälfte des auf zwei Tage angesetzten G20-Gipfels in der südkoreanischen Hauptstadt kann Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Erfolg der deutschen Verhandlungsstrategie verbuchen: Zu den von den USA geforderten Obergrenzen für Handelsüberschüsse von Exportnationen wie Deutschland und China wird es wohl nicht kommen. "Ich glaube, von dem Ansatz sind wir jetzt auch alle weg", sagte die Kanzlerin nach der ersten Diskussionsrunde der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Seoul.

Zuvor hatte sie sich in einem Gespräch mit US-Präsident Barack Obama darum bemüht, im Streit über die richtige Wirtschaftspolitik die Wogen zu glätten. Merkel und Obama trafen nach dem öffentlich ausgetragenen Schlagabtausch über die deutschen Exportüberschüsse und die US-Geldpolitik kurz vor Gipfelbeginn erstmals seit langem wieder persönlich aufeinander.

"Sie waren sich beide einig, dass es nicht ideal ist, wenn man im Vorfeld eines solchen G20-Gipfels in den jeweiligen Zeitungen der Länder immer Angriffe auf die eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik lesen muss", hieß es danach in deutschen Regierungskreisen. Das wolle man künftig mit besseren Konsultationen abstellen. Beobachter beschrieben

"Davon sind alle weg"

Begonnen hatte der Streit mit den Forderungen der USA, dass Deutschland und andere exportstarke Nationen ihre Handelsüberschüsse auf maximal vier Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzen sollen. "Was man nicht machen kann, ist die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auf eine Zahl zu reduzieren", sagte Merkel nach einer ersten Diskussion mit ihren Amtskollegen. "Das halten wir für (...) nicht zielführend."

Kindliche Komparsen bremsten die Teilnehmer auf ihrem Weg zum Gipfeldinner: Barack Obama freut sich über die koreanische Gipfelchoreographie.

Kindliche Komparsen bremsten die Teilnehmer auf ihrem Weg zum Gipfeldinner: Barack Obama freut sich über die koreanische Gipfelchoreographie.

(Foto: dpa)

Geplant ist nun, dass die G-20-Finanzminister die Merkmale zur Bewertung von Handelsbilanzen anhand von Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) ausarbeiten. Dabei seien strukturelle Kriterien wie der Altersaufbau einer Gesellschaft und das Arbeits- oder Tarifrecht zu beachten. Auf Grundlage solcher Kriterien könne dann auch über Ungleichgewichte gesprochen werden, sagte Merkel. Der Zeitrahmen für die Fertigstellung dieses Katalogs ist ihren Angaben zufolge aber noch strittig.

Sorgen bereitet den Gipfelteilnehmern besonders, wie sich die Einigung in einen politisch und diplomatisch wasserdichten Wortlaut gießen lässt. "Ich denke, dass wir zu einer gemeinsamen Schlusserklärung auch mit den Vereinigten Staaten kommen, indem wir einfach die Frage Exporte und Importe auf eine viel breitere Basis stellen."

Man sei sich inzwischen einig, dass der Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte nicht nur am Vergleich von Importen und Exporten festgemacht werden könne. Die Weltwirtschaft müsse in einem abgestimmten Prozess auf einen starken, nachhaltigen und ausgewogenen Wachstumspfad führen. Dabei komme dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Schlüsselrolle bei der Koordinierung zu.

Geithner reagierte auf Greenspan

Die USA mussten sich bei dem Gipfel wegen ihrer lockeren Geldpolitik erneut massive Kritik gefallen lassen. Nachdem die US-Notenbank angekündigt hatte, 600 Mrd. Dollar frisches Geld in die heimische Wirtschaft pumpen zu wollen, fürchten insbesondere die Schwellenländer zum Ziel von Spekulanten zu werden.

In Südkorea gab es sehr ausführliche Begrüßungszeremonien, hier mit Merkel, Lee und der Gattin des Präsidenten.

In Südkorea gab es sehr ausführliche Begrüßungszeremonien, hier mit Merkel, Lee und der Gattin des Präsidenten.

(Foto: AP)

Obama versuchte bei einem Treffen mit dem chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao, die Wogen zu glätten. "Als die beiden führenden Wirtschaftsmächte haben wir eine besondere Verpflichtung, für ein ausgewogenes und dauerhaftes Wachstum zu sorgen", sagte Obama.

Der langjährige US-Notenbankchef Alan Greenspan brachte Vertreter der Regierung in Washington mit dem Vorwurf auf die Palme, sie schwäche absichtlich den Dollar-Kurs. "Wir werden niemals unsere Währung schwächen, um uns Wettbewerbsvorteile zu verschaffen oder die Wirtschaft anzuschieben", konterte Finanzminister Timothy Geithner dem TV-Sender CNBC. "Dies ist für kein Land eine effektive Strategie - auch nicht für die USA."

Die Stimme Europas

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barrosos forderte die G20-Staaten in Seoul auf, den Streit über die US-Geldpolitik beizulegen. Das Thema müsse angesprochen werden. Es sei wichtig, den anderen G20-Staaten die Gründe für die Maßnahmen der US-Notenbank zu vermitteln.

Zwar sei das Wachstum der US-Wirtschaft wichtig, er könne aber die Sorgen anderen Länder über den Schritt der Federal Reserve verstehen. "Es muss vor allem verhindert werden, dass Schritte einzelner Länder negative Auswirkungen auf den Rest der Welt haben", sagte Barroso. Deutschland und China hatten die neue Geldspritze der Fed zum Teil scharf kritisiert.

"Merkel mal wieder Alleinreisende"

Mehrere tausend Kilometer weiter westlich stieß die Gipfel-Strategie von Angela Merkel dagegen auf wenig Zustimmung. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte das Auftreten der deutschen Kanzlerin.

"Frau Merkel muss als Regierungschefin der größten Volkswirtschaft Europas endlich ihrer Führungsrolle gerecht werden", verlangte Gabriel. Stattdessen sei die Merkel "mal wieder als Alleinreisende unterwegs, ohne ein entsprechend abgestimmtes und gemeinsames Auftreten der Europäer".

Zugleich appellierte der SPD-Chef an die Bundeskanzlerin, dafür zu sorgen, dass das internationale Währungssystem wieder ins Lot komme. Die Erfahrung zeige, dass flexible Wechselkurse, die allein dem Markt überlassen werden, nur Spekulanten nutzten.

Überstunden für die Unterhändler

Trotz zahlreicher Bekenntnisse zur Zusammenarbeit hatten sich die Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs aus den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern zum Auftakt des Gipfels in Seoul als äußerst schwierig erwiesen.

Das Treffen der G-20 hatte am Donnerstagabend (Ortszeit) offiziell begonnen. Der fünfte Gipfel dieses Formats binnen zwei Jahren geht am Freitag zu Ende. Der südkoreanische G20-Sprecher Kim Yoon Kyung bemühte sich, die Erwartungen zu dämpfen. Es blieben erhebliche Differenzen zwischen den Gipfelteilnehmern, sagte er.

Hochtechnisiertes Gastgeberland: Die stimmungsvolle Installation mit den Porträts der Teilnehmer vor dem Tagungsort erinnert wohl nur zufällig an einen Roulette-Tisch.

Hochtechnisiertes Gastgeberland: Die stimmungsvolle Installation mit den Porträts der Teilnehmer vor dem Tagungsort erinnert wohl nur zufällig an einen Roulette-Tisch.

(Foto: dpa)

Die Unterhändler aus den beteiligten Delegationen stellten sich frühzeitig auf langwierige Nachtsitzungen ein. Vor allem die Arbeit am genauen Wortlaut der Abschlusserklärung dürfte viel Fingerspitzengefühl und Verhandlungsgeschick in Anspruch nehmen. Die endgültige G20-Vereinbarung soll an diesem Freitag vorliegen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen