Finanzpolitik vor Veränderungen Ökonom erwartet Zeitenwende
15.08.2011, 11:21 UhrFür Ökonom Michael Hüther könnte die derzeit grassierende Schuldenkrise eine Abkehr von kreditfinanzierten Staatshaushalten nach sich ziehen. Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln sieht die Staaten im Vorteil, die frühzeitig darauf reagiert hätten. Dazu zähle auch Deutschland. Hüther warnt vor einem Scheitern des Euro-Projekts.
Die europäische Schuldenkrise könnte Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) eine grundsätzliche Abkehr von kreditfinanzierten Staatshaushalten einleiten. "Die Krise der Staatsverschuldung, die von den Kapitalmärkten derzeit gespielt wird, markiert möglicherweise eine Zeitenwende für die Finanzpolitik", erklärte IW-Direktor Michael Hüther in Berlin.
So wie in den 1980er Jahren der Geldpolitik angesichts außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte die Inflation ausgetrieben worden sei, so werde "jetzt der Finanzpolitik die Kreditaufnahme möglicherweise grundsätzlich verstellt", sagte Hüther weiter. Gewinner würden jene Volkswirtschaften sein, die haushaltspolitisch und institutionell frühzeitig darauf reagiert hätten. Deshalb habe Deutschland "gute Chancen", meinte Hüther.
Die Bedeutung des Erhalts der Währungsunion dürfe aber nicht unterschätzt werden. "Sollte dieses gemeinsame Projekt scheitern, wird Europa als Ganzes Schaden nehmen und ein Agieren der EU auf Augenhöhe mit den USA und China ein Wunschtraum bleiben", warnte er.
Blick auf "BRIC"-Staaten gerichtet
Die Analyse der Ökonomen habe gezeigt, dass auf weltwirtschaftlicher Ebene bereits seit Jahren große Verschiebungen im Gange seien. Sollte es zu keinen schweren und lang anhaltenden Wirtschaftskrisen in den "BRIC"-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China kommen, dann dürften diese nach den Ergebnissen der Forscher "zur wirtschaftlich bedeutendsten Gruppe aufsteigen und sowohl die USA als auch den Euroraum weit hinter sich lassen".
Die BRIC-Staaten hätten in den vergangenen Jahren ein hohes Wachstumstempo hingelegt. Ihr Anteil an der Weltwirtschaftsleistung sei bereits deutlich höher als der der Euroländer, und der konjunkturelle Boom schlage sich auch in den Einfuhren nieder. In den Jahren 2002 bis 2010 hätten die BRIC-Länder zwischen 12 und 21 Prozent zum weltweiten Wachstum der Warenimporte beigetragen und damit außer 2004 und 2005 stets mehr als die USA.
"Die deutschen Unternehmen haben die sich daraus ergebenden Chancen bislang gut genutzt", betonte Hüther. Während die deutschen Warenexporte von 2005 bis 2010 insgesamt um 21 Prozent gestiegen seien, seien die Lieferungen nach Brasilien, Russland, Indien und China um 107 Prozent in die Höhe geschossen. Stark positioniert habe sich die deutsche Industrie dort vor allem im Maschinenbau.
Quelle: ntv.de, DJ