Was können wir uns noch leisten? Polizist (22): Meine Essenskosten im Dienst haben sich verdoppelt
09.07.2023, 16:25 Uhr Artikel anhören
Der Leipziger Polizist überlegt nun öfter, ob er sein Auto stehen lässt, und kauft bewusster ein.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Vor allem Energie und Lebensmittel sind deutlich teurer geworden. Die Inflation lag im vergangenen Jahr im Schnitt bei 6,9 Prozent. Bei ntv.de verraten regelmäßig Menschen aus allen Gehaltsklassen, was das für ihren Alltag bedeutet - was sie verdienen, wofür sie wie viel Geld ausgeben und was am Monatsende übrig bleibt. Heute:
Ein Bereitschaftspolizist aus Sachsen
Name: Aus dienstlichen Gründen möchte ich anonym bleiben*
Alter: 22
Wohnort: Leipzig
Ausbildung: Polizeivollzugsbeamter der Laufbahn 1.2 (ehemals mittlerer Dienst)
Aktuelle Tätigkeit: Polizeivollzugsdienst, aktuell als Einsatzbeamter in einer Bereitschaftspolizei-Hundertschaft, die zum Beispiel bei Demonstrationen oder Fußballspielen im Einsatz ist.
Arbeitszeit pro Woche: Planmäßig 40 Stunden. Aber das geht nie auf. Mein Dienstplan wird an das aktuelle Einsatzgeschehen angepasst. Nichts ist beständiger als die Veränderung. Demzufolge musste ich die letzten Wochen auch mal 80 Stunden schieben.
Monatliches Bruttogehalt: 2598,81 Euro (Amt A7 in der Erfahrungsstufe 1 nach dem sächsischen Besoldungsgesetz). Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Als Polizeibeamter kommen ebenso Amts- und Dienstzulagen, zum Beispiel für Schicht- und Nachtarbeit oben drauf. Dies variiert jeden Monat, aber das sind nochmal 500 Euro oder mehr. Demzufolge habe ich zum Beispiel im Vormonat abzüglich Steuern eine Besoldung von etwas mehr als 2900 Euro netto bezogen. Sozialversicherungs- und Krankenkassenbeiträge muss ich nicht bezahlen.
Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld: Gibt es nicht.
Haushalts-Nettoeinkommen pro Monat: Zwischen 2800 und 3400 Euro, je nachdem wie Amts-, Dienst- und Ehrenamtszulagen ausfallen. Vor meiner Polizeikarriere habe ich im Rettungsdienst gearbeitet, ehrenamtlich bin ich immer noch als Sanitäter bei Sportveranstaltungen wie Fußballspielen oder Demonstrationen im Einsatz. Dafür erhalte ich eine Aufwandsentschädigung, pro Monat um die 200 bis 300 Euro. Ich wohne allein, demzufolge rechne ich das Gehalt meiner Lebensgefährtin nicht mit.
Miete pro Monat für eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 60 Quadratmetern: 490 Euro warm
Monatliche Kosten fürs Heizen: Wir beziehen Fernwärme. Was ich an Heizkosten zahle, kann ich nicht sagen. In meiner Miete sind 130 Euro Nebenkosten inbegriffen. Nachzahlen musste ich noch nie. Im Frühjahr habe ich für das Jahr 2021 sogar 90 Euro zurückerhalten.
Monatliche Stromkosten: 45 Euro
Wie stark diese im Laufe der Energiekrise gestiegen sind: Die Kilowattstunde ist von rund 24 auf 52 Cent gestiegen, allerdings erst sehr spät in der Krise, kurz vor Einführung der Strompreisbremse. Ich hatte im Jahr vor der Energiekrise meinen Anbieter gewechselt und konnte so noch von einer Preisgarantie profitieren. Ich bin gespannt, was die baldige Jahresabrechnung mit sich bringt und was die Energiepreisbremse ausmacht. Ehrlich gesagt erwarte ich aber keinen krassen Preisanstieg. Dadurch, dass ich viel auf Arbeit bin, auch noch überwiegend nachts, ist mein Verbrauch nicht immens hoch.
Weitere Fixkosten pro Monat:
- fürs Auto umgerechnet auf den Monat 12 Euro Steuern, 95 Euro Haftpflicht, Kasko und Rechtsschutz sowie 90 Euro Spritgeld
- für meinen Handyvertrag 13,99 Euro
- Internet 39,99 Euro
- 126,90 Euro für Versicherungen: Dienstunfähigkeit, Anwartschaft und -ergänzung (eine Krankenversicherung fürs Alter, während ihrer Dienstzeit sind sächsische Beamte ohne Beitragszahlungen über das Land krankenversichert), Rechtsschutz, Pflegepflicht, Unfallschutz, Haftpflicht, Hausrat
- Gewerkschaftsbeitrag 16,29 Euro
- Rundfunkgebühren 18,36 Euro
Unterm Strich frei verfügbares Haushaltseinkommen für Lebensmittel, Hygiene, Freizeit, Kleidung, Urlaub etc.: Ich kann damit rechnen, dass ich jeden Monat gut 2000 Euro zur freien Verfügung habe. Das ist mal mehr, mal weniger, je nachdem, wie mein Dienstplan gestrickt ist und damit meine Dienstzulagen und Ehrenamtseinsätze ausfallen.
Wie viel mehr ich heute für Lebensmittel ausgebe als vor einem Jahr: Was ich genau für unterschiedliche Sachen bezahle, kann ich nicht sagen. Der Anstieg der Lebensmittelpreise macht sich aber auch bei mir bemerkbar. Im Dienst kaufen wir unser Essen oft bei Imbissen, Bäckereien oder in der Kantine. Dass überall die Preise gestiegen sind, geht nicht an uns vorbei. Meine Ausgaben diesbezüglich haben sich verdoppelt. Monatlich gebe ich etwa 80 Euro für Essen im Dienst aus.
Zudem gehe ich gern mit meiner Lebensgefährtin essen oder fahre über ein paar freie Tage weg. Auch hier merken wir die Preisanstiege. Als Studentin versorge ich sie teilweise mit.
Meine Lebensmitteleinkäufe im Supermarkt sind relativ gleich geblieben. Seit den krassen Preisanstiegen hat sich aber auch mein Kaufverhalten geändert. Ich mache mir immer einen Plan, was benötigt wird und gehe nur noch ein- bis zweimal die Woche einkaufen. Somit kaufe ich nicht mehr so viel "Beiläufiges" ein, was meinen Konsum auch gesenkt hat. Sollte ich jedoch etwas sehen, was nicht auf meinem Plan steht, dann kaufe ich es trotzdem, ohne viel darüber nachzudenken. Monatlich gebe ich circa 100 Euro für Lebensmittel für mich allein aus.
Hygieneprodukte kann ich komplett, Kleidung teilweise von der Steuer absetzen. So erhalte ich jedes Jahr auch wieder ein kleines Plus. Die monatlichen Kosten für Hygiene sind aber gering, mehr als 20 Euro auf keinen Fall. Die Kosten für die Kleidung kann nicht sagen, das variiert stark, weil ich nicht jeden Monat Neues kaufe.
Besondere Ausgaben:
- 153,35 Euro für meinen Bausparvertrag
- 33 Euro für meine Friseurin
Wie viel am Monatsende übrig bleibt: In den vergangenen Monaten rund 1000 Euro, das variiert.
Die Angaben dieser wichtigsten Einnahmen und Ausgaben beruhen auf Selbstauskünften, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Spannend, oder? Wenn Sie auch mitmachen möchten, melden Sie sich gern per E-Mail an mitmachen[at]ntv.de
Wie viel davon ich zurücklege: Auf meinem Konto lasse ich immer zwei bis drei Gehälter für Notfälle wie Neuanschaffungen. Was darüber hinaus übrig ist, verschiebe ich auf mein Zweitkonto. Ein Teil der Summe wird als Festgeld angelegt, der Großteil fließt in einen ETF. Gerade jetzt in Krisenzeiten ist der ETF günstig, und ich investiere viel an der Börse. Minus gab es bei mir noch nie.
Wie viel ich für Urlaub ausgebe: Das variiert, manchmal nur ein paar Hundert Euro, vor einigen Jahren war es aber auch mal eine niedrige vierstellige Summe.
An welchen Stellen ich aufgrund der hohen Inflation spare: Ich überlege öfter, ob ich das Auto nehme, und mehr, was ich einkaufe.
Wünsche an die Politik: Ich denke, es sind viele kleine Baustellen, die behoben werden müssen. Ich habe Nachbarn, die an der Armutsgrenze leben. Und das von jung bis alt. Hauptproblem sind überwiegend die hohen Mieten, hohe Lebensmittelpreise, hohe Energiekosten und hohe Krankenkassenbeiträge. Alles wird teurer, und die Leute wissen nicht, wie sie ihr Leben unterhalten sollen. Zumal kaum jemand Rücklagen hat.
In der Politik muss es insgesamt ein Umdenken geben: Welche finanziellen Mittel sind da, wo werden diese eingesetzt und wie werden Bürger entlastet? Wie sollen zukünftig Krankenkassen, Energieträger und Wohnraum finanziert werden, ohne Bürger weiter zu belasten? Ich sehe noch viel Luft nach oben. Das Bundeskartellamt könnte den enormen Preissteigerungen entgegenwirken. Eine Übergewinnsteuer könnte für zusätzliche finanzielle Mittel sorgen, womit Energieträger oder Lebensmittel refinanziert werden könnten. Es bedarf eines grundsätzlichen Umdenkens in der Finanzpolitik!
*Der Name ist der Redaktion bekannt.
Quelle: ntv.de, Christina Lohner