Tagelanges Flugverbot Regierung sieht kaum Schaden
21.04.2010, 16:06 UhrTrotz massiver Behinderungen von Teilen der Wirtschaft durch das tagelange Flugverbot sehen Regierung und Institute den Aufschwung nicht gefährdet. Der Schaden dürfte sich in Grenzen halten, sagt Bundeswirtschaftsminister Brüderle.
Die Auswirkungen des Flugverbots auf die deutsche Wirtschaft halten sich nach Einschätzung der Bundesregierung in Grenzen. "Für volkswirtschaftliche Worst-Case-Szenarien besteht kein Anlass", sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Produktionsausfälle könnten wieder aufgeholt werden. "Es wird hier Nachholeffekte geben", ergänzte er.
Auch das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet nicht mit einem Rückschlag. "Für die konkret betroffenen Unternehmen sind die Folgen relevant, für die deutsche Wirtschaft insgesamt aber nicht", sagte RWI-Konjunkturchef Roland Döhrn. Zwar seien etwa Fluggesellschaften und Reiseanbietern viel Umsatz verloren gegangen. Davon aber hätten Bahn, Busunternehmen und Autovermieter profitiert. "Unter dem Strich liegt der volkswirtschaftliche Schaden im Bereich der statistischen Unschärfe", sagte Döhrn. "Zumal Produktionsausfälle wie bei BMW rasch aufgeholt werden können, wenn eine Schicht mehr eingelegt wird."
Airlines leiden
Nach Berechnungen des Deutsche Industrie- und Handelskammertages (DIHK) belaufen sich die Geschäftseinbußen auf etwa eine Mrd. Euro täglich. Brüderle bezeichnete solche Schätzungen als "voreilige Extremzahlen". Sie dürften sich "als übertrieben herausstellen", sagte der Minister. "Man sollte die Kirche im Dorf lassen."

Rainer Brüderle erwartet Nachholeffekte.
(Foto: dpa)
Die Aschewolke hatte den europäischen Flugraum seit vergangenem Donnerstag behindert und über Tage fast vollständig blockiert. Vor allem auf die Airlines dürften deshalb immense Kosten zukommen. Der internationale Luftfahrtverband IATA schätzt, dass die ohnehin von der Wirtschaftskrise gebeutelten Fluggesellschaften allein bis Dienstag mehr als 1,27 Mrd. Euro Umsatz eingebüßt haben.
"Für eine Branche, die vergangenes Jahr knapp sieben Milliarden Euro Verluste gemacht hat, ist diese Krise zerstörerisch", sagte IATA-Chef Giovanni Bisignani. An den drei Tagen bis Montag, als die Unterbrechungen am massivsten waren, hätten sich die Ausfälle auf knapp 300 Mio. Euro täglich belaufen, so der Verband, der rund 230 Fluggesellschaften weltweit vertritt.
Lufthansa verliert Millionen
In welchem Ausmaß Kosten auf den deutschen Branchenprimus Lufthansa zukommen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. "Den wirtschaftlichen Schaden für die Lufthansa kann ich heute noch nicht abschätzen, aber er ist erheblich", sagte Konzern-Chef Wolfgang Mayrhuber. Analysten zufolge büßte die Airline wegen der Flugunterbrechungen täglich etwa 20 bis 25 Mio. Euro ein.
Mayrhuber sagte, er rechne mit einer baldigen Rückkehr zum regulären Flugbetrieb seines Unternehmens. Die Fracht-Tochter Lufthansa Cargo wollte ab Donnerstag wieder regulär fliegen. Bis die Fluggesellschaften den "Stau" abarbeiten, dürften Experten zufolge aber mehrere Tage oder sogar Wochen vergehen. British-Airways-Chef Willie Walsh sagte, es werde Wochen dauern, bis der Flugbetrieb wieder das normale Niveau erreicht haben werde.
Autohersteller stoppen Bänder
Doch nicht nur die Fluggesellschaften leiden unter den Flugverboten. So bezifferte der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport die Kosten wegen auf bis zu 15 Mio. Euro. Dies sei jedoch eine erste grobe Rechnung. Der Flughafen könnte eventuell noch davon profitieren, dass einige Fluggäste ihre Reise nachholen.
Betroffen sind auch Automobilhersteller. Zu Engpässen kam es unter anderem bei BMW. Der Münchener Autobauer musste im Dingolfinger Werk die Bänder abschalten, weil wichtige Teile fehlten, die international eingekauft werden. Auch die Werke in Regensburg und München sind betroffen. Die Produktion soll in allen drei Werken am Freitag wieder aufgenommen werden. BMW dürfte aber mit einem blauen Auge davonkommen. Die Produktion der rund 7000 Fahrzeuge, die insgesamt ausfällt, soll nachgeholt werden. Die Gespräche mit dem Betriebsrat laufen. Von dem Produktionsstopp ist auch der neue 5er betroffen, der erst seit März auf dem Markt ist und zu den verkaufsstärksten Reihen von BMW zählt.
Die mittlerweile fast überall aufgehobenen Flugverbote haben nun auch die Produktion bei Daimler gebremst. Am Mittwoch seien einzelne Schichten in Sindelfingen ausgefallen, weil es Lieferengpässe gegeben habe. "Die Logistik läuft auf Hochtouren", sagte eine Daimler-Sprecherin. Sie ging davon aus, dass sich die Lage wegen des wieder geöffneten Luftraums bald normalisieren werde.
Das Chaos im Luftverkehr der vergangenen Tage zwingt den Autohersteller Opel zu einer eintägigen Produktionspause im Stammwerk Rüsselsheim. An diesem Donnerstag werde in dem Insignia- Werk nicht produziert, sagte ein Opel-Sprecher am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt. Weil Teile fehlten, müssten etwa 3000 Mitarbeiter einen Tag zu Hause bleiben. Etwa 800 Fahrzeuge könnten deswegen nicht vom Band rollen.
Die anderen Opel-Standorte in Bochum, Eisenach und Kaiserslautern seien von den Lieferengpässen nicht betroffen. In Rüsselsheim soll am Freitag die Produktion planmäßig wieder aufgenommen werden. Der Ausfall vom Donnerstag soll nachgeholt werden - wann und wie, muss nach Angaben des Sprechers noch mit dem Betriebsrat geklärt werden.
DHL will starten
Auch dem weltgrößten Autozulieferer Bosch macht das tagelange europaweite Flugverbot wegen der Vulkanaschewolke zu schaffen: In vier Werken für die Halbleiterproduktion ständen die Bänder still, sagte Geschäftsführer Bernd Bohr. Über Arbeitszeitkonten sollen für die betroffenen Beschäftigten Ausgleichsregelungen getroffen werden.
Die Deutsche Post hofft, den Flugbetrieb an ihrem Drehkreuz in Leipzig bald wieder aufnehmen zu können. Dann könnte der Konzern dort auch wieder mit Nachtflügen beginnen, sagte ein Sprecher der Expresstochter DHL. An normalen Tagen kommt es in Leipzig zu bis zu 100 Starts und Landungen von Flugzeugen der Post. Die Interkontinental-Flüge liefen bereits wieder normal, sagte der Sprecher weiter. Die innereuropäischen Verbindungen sollten sich bis zum Abend weitgehend normalisieren. Zu Kosten wollte sich der Sprecher nicht äußern.
Quelle: ntv.de, rts/dpa