Von Niedersachsen in die Ukraine Rheinmetall-Waffenfabrik läuft auf Hochtouren
08.06.2023, 14:13 Uhr Artikel anhören
Allein die Produktion von 120-Millimeter-Geschossen für den Leopard-Panzer wurde vervierfacht.
(Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten)
In Norddeutschland befindet sich die wichtigste Fabrik der deutschen Rüstungsindustrie. Aktuell läuft sie wegen des Ukraine-Krieges auf Hochtouren, vor allem bei der Munitionsproduktion. Auch alte Panzer werden aufbereitet. Für Rheinmetall laufen die Geschäfte bestens.
Mitten in der Lüneburger Heide warten 120-Millimeter-Artilleriegeschosse mit ihren schwarz lackierten Wolframspitzen aufgereiht in Holzkisten auf den Transport in die Ukraine. In Unterlüß unterhält der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall den wichtigsten Industriekomplex der deutschen Rüstungsindustrie - und dieser Tage ist hier Hochbetrieb. "Wir sind im Hochlauf mit der Produktion der Panzermunition", sagt Werksleiter Harald Weismüller. Im Hintergrund lärmen die größtenteils Jahrzehnte alten Maschinen. Für die Munitionsproduktion für die Ukraine sowie zur Wiederauffüllung der Bestände der NATO-Verbündeten sind sie aktuell unersetzlich.
Rheinmetall ist der größte europäische Hersteller von Munition für Panzerkanonen, Haubitzen und andere Artilleriegeschütze. Wichtigstes Produkt: das 120-Millimeter-Geschoss für den Kampfpanzer Leopard 2. Die Bundesregierung hatte sich im Januar bereit erklärt, der Ukraine moderne Leopard-2-Panzer zu liefern und ermöglichte auch anderen Ländern, diese Panzer zu schicken.
400-500 Leopard-Geschosse in einer Schicht
In den vergangenen Jahren produzierte Rheinmetall noch rund 60.000 der 120-Millimeter-Geschosse pro Jahr, mittlerweile erreicht die Produktionskapazität 240.000. Aktuell schaffe das Werk 400 bis 500 Geschosse pro Acht-Stunden-Schicht, sagt Weismüller. "Und wir könnten diese Zahl noch steigern." Mit der Übernahme des spanischen Herstellers Expal hat das Unternehmen seine Marktführung in dem Bereich ausgebaut.
Bei der schweren 155-Millimeter-Munition etwa für die Panzerhaubitze 2000 werden bislang 40.000 Geschosse pro Jahr gefertigt. "Aber bis 140.000 könnten wir hochfahren", sagt Weismüller. Die Ukraine fordert von ihren westlichen Partnern weitere Lieferungen von Geschützen und Panzern - und vor allem Munition für diese. Die Produktionskapazitäten in der EU bringt das an ihre Grenzen. Anfang Mai stellte die EU-Kommission einen 500 Millionen Euro schweren Plan zum Hochfahren der Produktion vor. EU-Industriekommissar Thierry Breton besuchte in diesem Zusammenhang auch den Rüstungskomplex in Unterlüß. Waffen werden hier seit über 100 Jahren produziert. Schon 1899 pachtete Rheinmetall das Gelände.
Fabrik startet Produktionslinie für Gepard-Munition
Zuletzt sind neue Maschinen dazugekommen, zum Beispiel um das Fräsen von tonnenschweren Kanonen zu verbessern. Neue Produktionslinien werden aufgebaut. "Wir integrieren moderne Maschinen, während wir im laufenden Betrieb sind", sagt Weismüller. Zum Beispiel eine hochgradig automatisierte Fertigungsanlage für 35-Millimeter-Geschosse: Die Munition ist für die Flugabwehrkanonen des Gepard-Panzers bestimmt, dessen Lieferung an die Ukraine Deutschland bereits im April 2022 autorisiert hatte.
Die neue Anlage soll "in weniger als sechs Wochen die ersten Geschosse produzieren", sagt der Werksleiter. Zunächst ist eine Kapazität von bis zu 500.000 pro Jahr geplant. Die Gepard-Munition stellte Rheinmetall bislang ausschließlich in der Schweiz her. Doch die Eidgenosschenschaft verweigert die Lieferung in Konfliktzonen wie die Ukraine. Der Aufbau der Produktion in Deutschland soll dieses Problem umgehen.
In weiteren Hallen des Unterlüßer Industriekomplexes werden alte Bundeswehr-Panzer zerlegt, um sie insbesondere für den Einsatz in der Ukraine wieder instand zu setzen. Die Rostspuren an vielen Teilen sind offensichtlich. Getestet wird auch: An das Gelände grenzt ein 15 Kilometer langer Schießplatz - der größte in Europa. Dort knallen die Leopard-2-Kanonen.
Krieg befeuert Unternehmensgewinne
In Unterlüß beschäftigt Rheinmetall 2400 Mitarbeiter, Aufstockungen sind geplant. Für den Konzern könnten die Geschäfte kaum besser laufen: Neben der direkten Nachfrage aus der Ukraine profitiert er auch von der deutschen Aufrüstung und den Milliarden für die Bundeswehr. Der Aktienwert des Unternehmens hat sich seit Russlands Angriff mehr als verdoppelt, der aktuelle Auftragsbestand ist dreimal so hoch wie der Jahresumsatz 2022.
Im Frühjahr stieg Rheinmetall in den Dax auf. Schon bald will der Konzern auch direkt in der Ukraine produzieren. Mit dem staatlichen ukrainischen Ukroboronprom-Konzern bereitet Rheinmetall die Instandsetzung von Militärfahrzeugen im Kriegsland vor. In einem zweiten Schritt sollen auch neue Geräte direkt vor Ort hergestellt werden.
Quelle: ntv.de, Jean-Philippe Lacour, AFP