Begehrter deutscher Markt Russische Energieriesen kommen
20.07.2011, 15:58 UhrRussische und deutsche Energiekonzerne wollen ihre Zusammenarbeit ausbauen. In Deutschland erhöht sich durch den beschleunigten Ausstieg aus der Atomenenergie die Nachfrage nach Erdgas.
Die Energieriesen in Deutschland werden zum Türöffner für russische Versorger. Mit RWE und EnBW streben gleich zwei Konzerne einen Schulterschluss mit Gazprom & Co an. Die Deutschen schielen auf die gewaltigen Gasmengen im Osten, die Russen wollen auch im Westen kräftig wachsen.
"Jahrelang war Deutschland ein geschlossener Markt", sagt Merck-Finck-Analyst Theo Kitz. Alle großen Energiekonzerne wollten hier Fuß fassen. "Deutschland ist der größte Energiemarkt in Westeuropa." Gazprom habe schon lange erklärt, in die Stromerzeugung einsteigen zu wollen, wo die Gewinnmargen besonders hoch sind.
Neben den Russen waren in der Vergangenheit auch der französischen EdF Gelüste in Sachen RWE nachgesagt worden. Ihre Beteiligung von 45 Prozent an EnBW hatten die Franzosen im Herbst an Baden-Württemberg abgestoßen.
Ende vergangener Woche hatten RWE-Chef Jürgen Großmann und Gazprom-Boss Alexej Miller angekündigt, eine strategische Partnerschaft zu prüfen. Sie erwägen, bestehende oder neue Kraftwerke in Deutschland, Großbritannien und den Benelux-Staaten in ein Gemeinschaftsunternehmen einzubringen. "Die Gaslieferverträge sind sehr wichtig für Deutschland", sagt Kitz. Schon deshalb sei für jeden Gazprom ein wichtiger Partner.
Russen geben Gas
Auch die Politik scheint sich mit einer größeren Rolle Gazproms anfreunden zu können. Die Bundesregierung hatte sich umgehend offen gegenüber Gesprächen zwischen den Konzernen geäußert. Am Dienstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen mit Blick auf den Atomausstieg das wachsende Interesse Deutschlands an russischem Gas hervorgehoben. Bereits jetzt decken Lieferungen aus Russland etwa ein Drittel des deutschen Gasverbrauchs ab.
Die deutschen Energieriesen sind durch die Atomwende in die Defensive geraten und daher offen für Kooperationen. Mit der Abschaltung der Atomkraftwerke bis Ende 2022 gehen den deutschen Versorgern die Gewinnbringer verloren. Zugleich lasten Milliardenschulden auf den Konzernen. Zusätzlich werden diese durch die Brennelementesteuer belastet. RWE könnte durch eine Kooperation mit Gazprom auch das leidige Thema der langfristigen Gaslieferverträge lösen. Gazprom sperrt sich bislang gegen Forderungen von RWE und Eon nach Preisnachlässen. Die deutschen Versorger machen im Gasgeschäft hohe Verluste, weil die eigenen Kunden nur noch die deutlich gefallenen Spotmarktpreise zahlen wollen.
EnBW-Chef Hans-Peter Villis sucht bereits seit längerer Zeit eine Lösung für das traditionell schwache Gasgeschäft. Er könnte versuchen, dafür den nach Gazprom zweitgrößten Gaskonzern Russlands Novatek an Bord zu holen. Medienberichten zufolge hat er den Russen 25 Prozent an dem ostdeutschen Gasimporteur Verbundnetz Gas (VNG) angeboten. EnBW hat eine Option auf 48 Prozent der VNG-Anteile, die vom Oldenburger Versorger EWE gehalten werden.
Der EnBW-Chef hat angekündigt, bis Ende des Jahres eine neue Gasstrategie vorzustellen. Dabei könnte er mittelfristig auf billiges Gas von Novatek setzen. Bislang darf nach einem Gesetz russisches Gas nur von Gazprom exportiert werden. Einer Vereinbarung zufolge kann Novatek aber Flüssiggas (LNG) von seiner Anlage auf der Halbinsel Jamal an Gazprom veräußern. Diese soll 2015/2016 in Betrieb gehen. Novatek-Vorstandschef Leonid Michelson sagte der Zeitung "Wedomosti", das größte Wachstumspotenzial sehe er zwar in der Ausbeutung des Gasfeldes Jamal. "Wir schauen uns aber auch ausländische Projekte an." Novatek könnte sein Augenmerk auf Europa lenken, erklärten auch die Analysten der russischen Alfa Bank. "Dies könnte der nächste Wachstumsmarkt für das Unternehmen werden."
Quelle: ntv.de