Oracle-Rechtsstreit sorgt für Ärger SAP-Bosse im Kreuzfeuer
25.05.2011, 15:41 UhrSAP-Hauptversammlungen sind nicht das, was sie einmal waren: Zwar stehen auch dieses Jahr Zahlen im Fokus der Anleger, aber statt Wachstums- und Erlösprognosen konzentrieren sich die Anteilseigner auf die von einem US-Gericht verhängte Strafzahlung an den Erzkonkurrenten Oracle. Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat ist gefährdet.

Vorstandssprecher Jim Hagemann (l.) und Bill McDermott (r.): Ihre Präsentation erzürnte die SAP-Aktionäre.
(Foto: REUTERS)
Die Verurteilung des Softwarekonzerns SAP zu Rekord-Schadenersatz in den USA bringt die Aktionäre auf die Barrikaden. Auch die Aufstockung der viele Jahre unveränderten Dividende konnte die Anteilseigner auf der Hauptversammlung nicht milde stimmen. Die Schadenersatzzahlungen zehren beim weltgrößten Anbieter von Unternehmens-Software einen Großteil der im Wirtschaftsaufschwung wieder sprudelnden Gewinne auf.
"Wir wollen keine weiteren Negativ-Schlagzeilen aus den USA", verlangte Jella Benner-Heinacher vom Aktionärsverein DSW vor den rund 3300 Aktionären. Unter Beifall der Anteilseigner forderte sie eine Vertagung der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.
US-Probleme kosten
Die voraussichtlich fälligen Zahlungen summieren sich binnen eines halben Jahres auf mehr als 1,65 Mrd. Dollar (umgerechnet 1,2 Mrd. Euro). Denn nach dem Schadenersatzurteil wegen Datendiebstahls beim US-Konkurrenten Oracle musste SAP erst vor einer Woche eine weitere juristische Niederlage in Amerika wegen Patentrechtsverstößen einstecken.
Für Unmut sorgte die Präsentation der beiden Vorstandssprecher Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe. Sie schwärmten von guten Aussichten von SAP, da große und kleine Firmen wieder mehr Software zur Analyse von Geschäftsdaten und zur Unternehmens-Steuerung kauften. Prozentual zweistellige Umsatzzuwächse seien wieder an der Tagesordnung, bis 2015 werde SAP damit auf Erlöse von 20 Mrd. Euro kommen und eine branchenübliche operative Rendite von 35 Prozent abwerfen. "Sie sollen uns hier nicht wie ein Verkäufer einlullen, sondern Rechenschaft ablegen", rief ein Kleinaktionär dem Vorstand entgegen.
Eklatante Fehleinschätzung?
SAP hatte 2005 unter Führung von Henning Kagermann den kleinen Software-Dienstleister TomorrowNow erworben, mit dessen Hilfe Oracle Kunden abspenstig gemacht werden sollten. Vertriebschef in den USA war damals der inzwischen auf den Chefsessel gerückte Manager McDermott. 2007 verklagte Oracle überraschend TomorrowNow und SAP wegen Diebstahls von Software-Codes.
Ein Geschworenengericht in Kalifornien verurteilte SAP deshalb Ende 2010 zu Schadenersatz von umgerechnet 1 Mrd. Euro - die höchste jemals verhängte Summe in einem Urheberrechtsstreit.
Nach anfänglichem Zögern hatte SAP die Vorwürfe zugegeben, aber lediglich mit einer Schadenersatzsumme im zweistelligen Millionen-Bereich gerechnet. "Es ist ein völliges Rätsel, wie es zu dieser eklatanten Fehleinschätzung kommen konnte", machte Aktionärsvertreterin Beller-Heinacher ihrem Ärger Luft.
Ende des Streits nicht in Sicht
SAP-Co-Chef McDermott verteidigte sich: "Ein Jury-Urteil vorherzusagen ist immer schwierig - selbst für Fachleute." Der Vorstand gehe gegen den "nur schwer nachzuvollziehenden Jury-Spruch" mit Rechtsmitteln vor. Mitte Juli berät das US-Gericht erneut über das Oracle-Verfahren. Die Berufsrichterin könnte dann die gefällte Jury-Entscheidung bestätigen oder die von SAP an Oracle zu zahlende Schadenersatzsumme neu festsetzen.
Auch Aufsichtsratschef Hasso Plattner nahm den Vorstand gegen die Vorwürfe der Aktionäre in Schutz. Der mögliche Schadenersatz sei zwar "astronomisch", es habe aber keine Pflichtverletzungen durch die amtierenden Vorstände gegeben, sagte der 2003 an die Spitze des Aufsichtsrat gewechselte Mitgründer. Auch Expertengutachten hätten dies ergeben. Eine vom Aufsichtsrat eingeleitete umfassende Untersuchung, die auch Pflichtverletzungen früherer Vorstände prüfe, dauere noch an und solle in einigen Monaten abgeschlossen sein.
Quelle: ntv.de, rts