Wirtschaft

Habeck will bis Ostern deckeln "Sicherheit durch verlängerte Preisbremsen ist Augenwischerei"

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Verbraucherschützer raten bei Strom und Gas zum Preisvergleich - ein Anbieterwechsel könnte sich lohnen.

Verbraucherschützer raten bei Strom und Gas zum Preisvergleich - ein Anbieterwechsel könnte sich lohnen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Geht es nach Wirtschaftsminister Habeck, werden die Preisbremsen für Strom und Gas noch bis Ostern verlängert. Verbraucher könnten sich dann über teils niedrigere Energiekosten freuen. Doch die haben ihren Preis.

Experten bewerten eine Verlängerung der Energiepreisbremsen, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck sie fordert, höchst unterschiedlich: von notwendig bis riskant. Nach Einschätzung von Mirko Schlossarczyk, Strommarkt-Experte beim Beratungsunternehmen Enervis, könnten einige Energieanbieter bei einer Verlängerung über höhere beziehungsweise weniger stark sinkende Preise nachdenken. "Auch wenn ich nicht unterstellen würde, dass der Großteil der Versorger so handelt", sagt Schlossarczyk im Gespräch mit ntv.de. Schließlich droht bei überhöhten Preisen ein massiver Imageschaden, und das Bundeskartellamt kontrolliert die Preisbildung. Ein Missbrauch der Preisbremsen ist gesetzlich verboten, also Preiserhöhungen, die nicht durch gestiegene Eigenkosten der Versorger zu rechtfertigen sind.

Aktuell gelten die Strom- und die Gaspreisbremse für das gesamte Jahr 2023. Die Preise für den Großteil des Verbrauchs der Privathaushalte sind dadurch gedeckelt, die Differenz zum Marktpreis übernimmt der Staat. Habeck will die Preisbremsen nun bis Ostern 2024 verlängern. In Schlossarczyks Augen wäre das ein "rein politisches Signal". Die Botschaft: "Wir haben alles fest im Griff, vertraut uns und nicht dem Markt." Dabei habe der Markt im vergangenen Jahr gut funktioniert, betont der Marktexperte: Die Preise seien nur vorübergehend explodiert und hätten sich seit Dezember stabilisiert. Für Neukunden liegen die Preise bereits seit Anfang dieses Jahres wieder unter den Preisbremsen von 40 Cent pro Kilowattstunde Strom und 12 Cent beim Gas. Habecks Pläne zeugen nach Meinung von Schlossarczyk von einem Misstrauen in die Marktkräfte. Dass den Verbrauchern mit einer Verlängerung der Preisbremsen Sicherheit vorgegaukelt werde, sei "ein Stück weit Augenwischerei". Denn ein deutscher Minister könne nicht die internationalen Energiebörsen beeinflussen.

Dass von den für die Preisbremsen bereitgestellten 200 Milliarden Euro bisher nur 18 Milliarden gebraucht wurden, ist Schlossarczyk zufolge der Beweis dafür. "Der Markt funktioniert", betont der Strommarktexperte. "Es bedarf aktuell keines weiteren staatlichen Eingriffs." Die Prognosen von Enervis für die kommenden Monate zeigten eine Seitwärtsbewegung, höchstens leichte Preissteigerungen bei den Großhandelspreisen. Im vergangenen Jahr seien die Preisbremsen wegen der explodierenden Preise und der extremen Unsicherheit im Markt sozialpolitisch nachvollziehbar und durchaus richtig gewesen, sagt Schlossarczyk. Doch inzwischen liege der Strompreis wieder auf Vorkriegsniveau.

"Freifahrtschein ist kontraproduktiv "

Der Marktexperte sieht die Preisbremsen auch deshalb kritisch, weil sie den Anreiz, Energie zu sparen, senken. Ausgerechnet von einem grünen Politiker sei ein solcher "Freifahrtschein" kontraproduktiv, findet Schlossarczyk. Die Kosten landeten über die Finanzierung durch Steuern trotzdem bei den Endverbrauchern, nur auf alle verteilt. Schlossarczyk befürchtet sogar eine weitere Verlängerung der Preisbremsen, schließlich stehe 2025 die Bundestagswahl an. Er warnt vor "planwirtschaftlichen" Eingriffen und einer schleichenden Regulierung des Energiemarkts, der seit der Jahrtausendwende eigentlich dereguliert wurde.

Verbraucherschützer würden eine Verlängerung bis Ostern dagegen begrüßen. Verbraucher müssten sich darauf verlassen können, "dass die Kosten für sie nicht wieder in die Höhe schnellen", erklärt Jutta Gurkmann, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), auf ntv.de-Anfrage. Vor allem Verbraucher, "die während der Hochpreiszeit zu Beginn des Jahres einen neuen Vertrag abgeschlossen haben, profitieren von der Verlängerung über das laufende Jahr hinaus. Sie können aufgrund der meist einjährigen Mindestvertragslaufzeit erst im Jahr 2024 ihren Anbieter wechseln."

Darauf verweist auch Strommarkt-Experte Tobias Federico, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Energy Brainpool. In seinen Augen macht die Verlängerung der Preisbremsen Sinn, wie er im Gespräch mit ntv.de erklärt. Denn noch immer seien die hohen Beschaffungskosten der Versorger aus dem vergangenen Jahr spürbar. Viele Energieversorger kaufen langfristig ein, bilden ihre Preise auf Basis des Durchschnitts von zwei, drei Jahren. Das führt dazu, dass Neukunden aufgrund der aktuell wieder niedrigeren Einkaufspreise günstigere Angebote erhalten als Kunden mit bestehenden Verträgen.

"Verbraucher sparen trotzdem Energie"

Kaufen Versorger kurzfristiger ein, etwa nur innerhalb eines Jahres, sind die hohen Beschaffungskosten aus dem vergangenen Jahr noch besonders stark zu spüren. In diesem Fall liegen die Preise teils immer noch über der Preisbremse von 40 Cent pro Kilowattstunde Strom. Neue Verträge hingegen bieten zurzeit Preise von 28 bis 30 Cent. Bis Ostern werden sich dann Federico zufolge die Preise bei allen Einkaufsstrategien erholt haben.

Mitnahmeeffekte in Form von überhöhten Preisen erwartet Federico bei einer Verlängerung der Preisbremsen "nicht mehr als bisher auch": bei einzelnen schwarzen Schafen unter den Anbietern. Abschreckend wirken seiner Einschätzung nach auch die laufenden Untersuchungen des Bundeskartellamts bei einzelnen Anbietern.

Der Marktexperte befürchtet nicht, dass die Verbraucher bei länger geltenden Preisbremsen weniger Energie einsparen. Denn die Preise seien trotzdem so hoch, dass Endkunden ihren Verbrauch senkten. "Der Anreiz genügt," meint Federico. Schließlich sind die Preise nur für den Grundbedarf von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs gedeckelt.

Lindner will Habecks Argumente prüfen

Ob die Preisbremsen verlängert werden, steht ohnehin noch in den Sternen. Das Finanzministerium will die Begründung des Wirtschaftsministeriums abwarten und diese prüfen, wie es aus Ministeriumskreisen heißt. Noch habe das Wirtschaftsministerium keine Abstimmung in der Bundesregierung eingeleitet.

Egal ob die Preisbremsen verlängert werden, sollten die Verbraucher Angebote vergleichen. Viele Verträge liegen inzwischen wieder deutlich unterhalb der gedeckelten Preise, wie Gurkmann vom VZBV betont. Kunden "sollten deshalb prüfen, ob sich ein Vertragswechsel für sie finanziell lohnen könnte".

Quelle: ntv.de

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