Der Vorstand und das Schienenkartell ThyssenKrupp bestellt Gutachten
23.10.2012, 12:54 Uhr
Der Vorfall ist nicht abgehakt, die "hohe kriminelle Energie der Kartellanten", wühlt den Konzern auf.
(Foto: dapd)
Im Skandal um das millionenschwere "Schienenkartell" der Stahlbranche zulasten der Bahn will ThyssenKrupp jetzt etwaige Pflichtverletzungen des Stahlvorstands mit Hilfe eines Gutachtens feststellen. Frühere Befragungen der möglicherweise Verantwortlichen seien an der "hohen kriminellen Energie der Kartellanten" gescheitert.
Der Aufsichtsrat des ThyssenKrupp-Konzerns prüft mögliche Pflichtverletzungen seines Stahlvorstands Edwin Eichler im Zusammenhang mit dem sogenannten Schienenkartell. Ein Konzernsprecher bestätigte nun einen entsprechenden Bericht des "Handelsblatts". Der Personalausschuss des Aufsichtsrats habe beschlossen, "eine gutachterliche Stellungnahme zur Rolle von Herrn Edwin Eichler im sogenannten Schienenkartell und zu einer möglichen rechtlichen Verantwortung einzuholen", zitiert die Zeitung aus einem Schreiben von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme an die Mitglieder des Kontrollgremiums.
In dem Fall geht es um den Vorwurf jahrelanger Preisabsprachen der Essener unter anderem mit dem österreichischen Voestalpine-Konzern bei der Produktion von Bahnschienen. Die Deutsche Bahn soll dabei mit überhöhten Preisen um rund eine Milliarde Euro geschädigt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt. Eichler soll bereits 2006 intern informiert worden sein, aber nichts unternommen haben. Für eine persönliche Verwicklung Eichlers in das Kartell gibt es keine Hinweise.
Mit der Prüfung wurde der Münchener Strafrechtsexperte Klaus Volk beauftragt. In einem zweiten Gutachten, das von der Kanzlei Freshfields erstellt wird, soll zudem eine aktienrechtliche Bewertung zur weiteren Vorgehensweise erstellt werden. Bei einer groben Pflichtverletzung könnte der Aufsichtsrat Eichler von seinem Posten abberufen werden. Beide Gutachten sollen laut "Handelblatt" in dieser Woche vorliegen.
Systematisch gelogen und verschwiegen
ThyssenKrupp verweist in einer Stellungnahme darauf, dass eine interne Korruptionsbekämpfungs-Abteilung damals gemeinsam mit externen Experten die Hinweise geprüft habe. Dabei seien Geschäftsführung und die verantwortlichen Mitarbeiter der ThyssenKrupp-Tochter GfT Gleistechnik "intensiv" befragt worden. Kartellrechtsverstöße hätten nicht festgestellt werden können. "Wie wir heute wissen, lag der Grund dafür in der hohen kriminellen Energie der Kartellanten, die durch bewusstes Verschweigen und systematisches Lügen eine frühere Aufklärung des Kartells nicht haben möglich werden lassen", erklärte der Konzern nun.
Das Schienenkartell war im vergangenen Jahr aufgeflogen. Die Beteiligten sollen über Jahre Preise abgesprochen haben. Deshalb verhängte das Bundeskartellamt im Juli dieses Jahres Bußgelder von insgesamt 124,5 Mio. Euro, von denen ThyssenKrupp mit 103 Mio. Euro den größten Teil aufgebrummt bekam. In einem weiteren Verfahren prüft die Behörde Strafen wegen Absprachen zulasten von Nahverkehrsbetrieben.
Quelle: ntv.de, dpa