Nach dem EZB-Zinsentscheid Trichet bleibt vorsichtig
03.09.2009, 16:16 UhrDer tiefste Konjunktureinbruch in der Geschichte der Euro-Zone ist nach Ansicht der Europäische Zentralbank (EZB) beendet. Gründe für eine Zinswende sehen die Währungshüter allerdings noch lange nicht. Zu viele Unsicherheiten trüben das sich langsam aufhellende Konjunkturbild.

"Es wäre absolut falsch, zu sagen, dass alles wieder normal ist": Jean-Claude Trichet.
(Foto: REUTERS)
"Die jüngsten Informationen stützen unsere Ansicht, dass es zunehmende Anzeichen für eine Stabilisierung der Wirtschaft in der Euro-Zone und anderswo in der Welt gibt. Dies geht einher mit der Erwartung, dass das markante Schrumpfen der Wirtschaftsleistung zu Ende ist und nun eine Phase der Stabilisierung und sehr moderaten Erholung folgt", sagte Notenbankchef Jean-Claude Trichet nach der Sitzung des EZB-Rats in Frankfurt.
Allerdings wäre es "absolut falsch, zu sagen, dass alles wieder normal ist", warnte Trichet. Zuvor hatte die EZB bekannt gegeben, dass der niedrige Leitzins bis auf weiteres auf dem Niveau von 1,0 Prozent bleiben wird.
Der Prozess der "moderaten Erholung" werde jedoch nicht gleichmäßig verlaufen, es bestünden weiterhin Risiken, da die Lage an den Finanzmärkten sich noch nicht normalisiert habe. "Ich schließe eine holprige Wegstrecke nicht aus", sagte Trichet
Positiv stimme den EZB-Rat allerdings, dass es Anzeichen gebe, dass die Nachfrage aus anderen Weltregionen den Export aus den Ländern der Währungsunion stärker beflügeln könnte als erwartet. Die Rezession hatte sich im Winterhalbjahr nach einem massiven Einbruch des Welthandels und damit des Exports verschärft.
Frisches Geld zum Monatsende
An ein Ende der Niedrigzinspolitik denkt Trichet deshalb freilich noch nicht. Das derzeitige Leitzinsniveau von einem Prozent sei "angemessen", betonte Trichet. Die Geldpolitik der EZB stütze weiterhin Unternehmen und Haushalte, vor allem im Hinblick auf die weiterhin gedämpfte Kreditvergabe.
Um diese anzukurbeln, werde die EZB Ende des Monats den Banken wie geplant erneut unbegrenzt Liquidität zum Leitzins zur Verfügung stellen, sagte Trichet. Bei der ersten derartigen Operation im Juni hatten sich die Banken bei der EZB fast eine halbe Billion Euro besorgt. Trichet stellte unmissverständlich klar, dass die EZB die gesamte Liquidität wieder aus dem Finanzsystem abziehen werde, um eine Gefahr für die Preisstabilität auszuschließen. Der richtige Zeitpunkt dafür sei aber noch nicht gekommen.
Keine Angst vor der Inflation
Unterstützt wird Trichets Analyse von den aktualisierten Prognosen der EZB-Volkswirte. Diese erwarten in diesem Jahr nun einen Rückgang der Wirtschaftsaktivität von durchschnittlich 4,1 Prozent. Noch vor einem Vierteljahr hatten sie ein Minus von 4,6 Prozent vorausgesagt. 2010 werde die Wirtschaft dann marginal wachsen. Auch hier revidierten die EZB-Experten ihre Prognose nach oben.
An ihren Erwartungen für die Entwicklung der Preise hielt die EZB weitgehend fest. Trichet bekräftigte, dass der jüngste Rückgang der Teuerung darauf zurückzuführen sei, dass die Preise für Öl und Rohstoffe 2008 noch enorm gestiegen, dann aber im Zuge der Wirtschaftskrise eingebrochen seien.
Hirschel kritisiert die Banken
Unterstützung für ihre lockere Geldpolitik bekam die EZB am Donnerstag unter anderem von der EU-Kommission und deutschen Gewerkschaften. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte in Brüssel, in der Euro-Zone seien noch länger niedrige Zinsen nötig. Zugleich sei es aber zu früh, die staatlichen Konjunkturhilfen wieder zurückzufahren.
Dierk Hirschel, Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes, lobte die EZB und kritisierte die Banken: "Wir begrüßen, dass die lockere Geldpolitik der EZB fortgesetzt wird. Das Grundproblem bleibt jedoch, dass die Geschäftsbanken diese lockere Geldpolitik nur unzureichend an ihre Kunden weitergeben. Wir sehen durchaus die Gefahr einer Kreditklemme."
Quelle: ntv.de, rts